Literaturfestival Berlin: Barfuß im Kapitalismus
200 Schriftsteller aus aller Welt sowie eine neue Sparte mit dem Titel "Science and Humanities": Das Programm des Literaturfestivals Berlin 2016.
Für den Chilenen Roberto Bolaño zählte er zu den besten spanischsprachigen Schriftstellern unserer Zeit. Der 1949 geborene Argentinier César Aira, so Bolaño, sei zwar ein Exzentriker, aber von einzigartiger Klasse. Er sah in ihm einen Nachfolger des einst nach Buenos Aires emigrierten Witold Gombrowicz – nur dass ihm der Pole als Abt eines imaginären Luxusklosters erschien, Aira dagegen als der barfüßige Novize eines literarischen Karmeliterordens. In Deutschland hat sich neuerdings der Verlag Matthes und Seitz dieses Werks angenommen. Zum Auftakt des Internationalen Literaturfestivals Berlin am 7. September im Haus der Berliner Festspiele kann man sich nun auch leibhaftig davon überzeugen, welchen Rang Aira hat. Er hält nämlich den Eröffnungsvortrag, in dessen Gefolge bis zum 17. September rund 200 weitere Schriftsteller aus aller Welt auftreten.
Noch am selben Abend stellt der irisch-amerikanische Autor Colm Tóibín seinen Roman „Nora Webster“ vor. Eingeladen sind außerdem Liao Yiwu, der chinesische Friedenspreisträger, er stellt seinen ersten Roman „Die Wiedergeburt der Ameisen“ vor. Man kann dem großen Essayisten Alain de Botton begegnen, dem Prix-Goncourt-Preisträger Mathias Énard, Jonathan Galassi, dem Verleger von Farrar, Straus & Giroux, der allerdings seinen Roman „Die Muse“ mitbringt. Die Südkoreanerin Han Kang, aktuelle Trägerin des Man Booker International Prize, präsentiert die deutsche Übersetzung ihres ausgezeichneten Romans „Die Vegetarierin“, aus Palästina kommt Rabai al-Madhoun, aus Indien Deepti Kapoor, aus Israel Yitzhak Laor und aus den Niederlanden Connie Palmen und Margriet de Moor.
Die Themenbreiten des Feuilletons, Kinder- und Jugendliteratur und auch der Graphic Novel Day sind im Programm
In einer neuen Sparte unter dem Titel „Science and the Humanities“ geht es um die Abbildung wissenschaftlicher Diskurse für ein breites Publikum. Das Festival will dabei erklärtermaßen neben dem bewährten Fokus auf Literatur die gesamte Themenbreite des Feuilletons spiegeln. Zum Auftakt spricht Sigrid Weigel über Hannah Arendt als Selbstübersetzerin und ein großes Symposium zum Thema Fortschritt, Kapitalismus und Globale Armut. Als Teilnehmer angekündigt sind Anthony B. Atkinson, der Wirtschaftsnobelpreisträger Angus Deaton sowie David Graeber und Michael Hudson aus den USA. Am letzten Festivaltag diskutieren Yanis Varoufakis und Joseph Vogl über das europäische Finanzsystem. Ein weiteres Special gilt den Facetten und Ausdrucksformen des Islamismus.
31 Schriftsteller und Illustratoren nehmen an der Sektion Internationale Kinder- und Jugendliteratur teil. Unter anderem geht es um die Frage, wie Kinder- und Jugendmedien Identität, Sexualität und Liebe thematisieren. Auf der Tagung „Que(e)r durch die Welt – LGBTI* und KJL“ soll analysiert werden, wie nicht heteronormative Vorstellungen für Kinder und Jugendliche literarisiert werden.
In schöner Gewohnheit findet auch dieses Jahr wieder ein Graphic Novel Day statt. Bei New German Voices stellen sich Shida Bazyar und Senthuran Varatharaja vor. Burghart Klaußner liest aus der Erzählung „Der Schatten des Körpers des Kutschers“, mit der der vor 100 Jahren in Nowawes bei Potsdam geborene Peter Weiss der Durchbruch gelang. Eva Mattes leiht Elena Ferrante, der mysteriös Pseudonymen der italienischen Literatur, die Stimme. „Warte nicht auf bessre Zeiten!“: Das gilt für den Vorverkauf, der bereits begonnen hat, aber auch für den Epilog des Festivals am 12. Oktober im Berliner Ensemble. Dort stellt Wolf Biermann einen Monat vor seinem 80. Geburtstag im Gespräch mit Stefan Aust seine gleichnamige Autobiografie vor.
Details unter www.literaturfestival.com
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