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Antonello Manacorda und die Kammerakademie im heimischen Nikolaisaal in Potsdam.
© N. Lund

Kammerakademie Potsdam: Auf den Wogen der Eleganz

Dynamische Klangflächen, ozeanisches Musizieren: Antonello Manacorda und die Kammerakademie Potsdam mit Mendelssohn Bartholdy und Prokofjew im Kammermusiksaal.

Diese Reise hat sich definitiv gelohnt: 1829 trat der 20-jährige Felix Mendelssohn Bartholdy – der (eine Tragödie von Schubert’schen Dimensionen!) damals schon die Hälfte seines Lebens hinter sich hatte – in London auf und empfing in Schottland nicht nur die Inspiration für seine Hebriden-Ouvertüre, sondern auch für die später als Dritte gezählte Symphonie. Die Kammerakademie Potsdam hat sich auf Mendelssohn spezialisiert, gerade eine Gesamteinspielung der Symphonien vorgelegt – und präsentiert jetzt die beiden „schottischen“ Werke im Kammermusiksaal.

Das geniale, sich sofort auflichtende und danach ostinat wiederholte Ouvertüren-Hauptthema, von den tiefen Streichern zuerst vorgestellt, fängt den Wellengang in der schottischen Fingalshöhle ein. Ist das der Grund, dass Antonello Manacorda hier noch ziemlich mit den Armen rudern muss, um die Stimmen vollständig herauszukitzeln? Wohl eher muss sich das Ensemble erst noch warmspielen. Spätestens bei der atemlos lange ausgehaltenen Generalpause, nach der die Klarinette butterweich mit dem Seitenthema einsetzt, hat es sich gefunden.

Arabella Steinbacher zeigt erst in der Zugabe, was sie kann

Arabella Steinbacher ist als Solistin an diesem Abend schwierig. Kann sie sich in Prokofjews 2. Violinkonzert nicht durchsetzen – oder will sie es nicht? Ist es Respekt vor dem doch gar nicht so großen Ensemble? Ihr kantabler Strich geht im Tutti jedenfalls meist unter, über einen gewissen Grad an Emotionalität kommt sie nicht hinaus. Kein unsympathischer Ansatz, aber dem Stück bekommt es nicht gut. Es bleibt Steinbachers Geheimnis, warum sie in der Zugabe, dem ersten Satz von Prokofjews Solosonate, so völlig anders auftritt: Plötzlich sind da Empfindung und Sinnlichkeit, besitzt der Klang einen Körper.

Wie viel bunt schillernde Farbressourcen die Kammerakademie Potsdam anzapfen kann, zeigt sie dann in der Symphonie. Dies ist Manacordas Ensemble, hier fühlt er sich zu Hause, dirigiert voller Eleganz und doch prägnant. Bezwingend, wie er im ersten Satz dynamische Klangflächen herstellt, die völlig organisch anschwellen und wieder in sich zusammensinken, den menschlichen Atem imitierend. Ozeanisches Musizieren, mit den hohen Streichern als Schaumkronen. Einem einzigen Wirbel gleicht das sehr rasch genommene Scherzo, der langsame Satz gewinnt eine Weite, die dem Namen „Kammerakademie“ Hohn spricht. Das abschließende Allegro vivacissimo gerät sehr martialisch, mit einer leicht zu dominanten Pauke. So bleiben vor allem die ersten drei Sätze als ein Wunder an Differenzierungskunst haften.

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