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Die Geigerin Arabella Steinbacher.
© Peter Rigaud

Klassik am Sonntagnachmittag mit dem RSB: Die Welt wird zur Puppenstube

Die Geigerin Arabella Steinbacher beim Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, Jukka-Pekka Saraste dirigiert im Konzerthaus

Was hat es nur mit sonntagnachmittäglichen Konzerten auf sich? Unter dem offensichtlichen Eindruck, das Publikum erwarte zur schönsten Ausflugskaffeezeit eine besondere Schonkost, gleicht man die Programme gern den totgesagten Rundfunkwunschkonzerten an. Auch das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB) ist nicht frei von dieser Idee, und so darf Arabella Steinbacher, die omnipräsent das Schönste des Schönen präsentieren darf, auch diesmal wonniglich am sonnigen sicheren Ufer von Mendelssohns Violinkonzert baden. Dass das Publikum ihren wohlgesitteten Auftritt bejubelt, liegt vor allem daran, dass sie alles macht, wie „man“ es macht: richtig also. Die Agogik „stimmt“, die Töne fließen sauber, die Läufe laufen perfekt, leise ist leise und laut ist laut. Und schnell sind ihre Finger auch. Das macht immer Eindruck.

Leicht hat es Steinbacher damit nicht, denn ihre Interpretation, wenn man sie wirklich so nennen will, muss sich auf dem Podium im Konzerthaus mit allem, was Rang und Namen hat, messen. Der Trugschluss, dass Altbewährtes immer funktioniert, holt einen auch hier auf den harten Boden der Tatsachen zurück. Wer der Musik jede Liebe entzieht und sie zur heilen Welt einer Puppenstube zurechthübscht, mag einen schönen Nachmittag gehabt haben. Aber danach geht man eben Kaffee trinken aus geblümten Porzellantassen. Es wird nichts mehr produziert, sondern nur noch reproduziert. Selbst in der Prokofjew-Zugabe geigt Steinbacher so artig, so naiv und jeden Bezuges beraubt wie ein Kind, sodass man sich fragt: Was kann diese Musik uns noch zu sagen haben? Und was sollte schon folgen aus derart farb- und lustlosem Geplätscher ohne Reibungspunkte?

Jukka-Pekka Saraste am Pult ist auch sonst mit wenig zufrieden und macht das Konzert mit Benjamin Brittens Zwischenspielen zu „Peter Grimes“ und Jean Sibelius’ Zweiter zu einem echten Wohlfühlnachmittag. Selbst in der ihm bestens bekannten Sinfonik seines finnischen Landsmannes kitzelt er nur selten so etwas wie echte Leidenschaft heraus, darf das völlig unterforderte RSB, was es ja wunderbar kann: glühen, aufbrausen, sich reiben, flüstern, passioniert sein. Alles wirkt wie durch eine rosa Glasscheibe gesehen. Es ist so schön und so langweilig, dass Jukka-Pekka Saraste wenigstens ein Gefühl zustande bringt: die Trauer darüber, dass diese Art von Anspruchslosigkeit offenbar gewollt ist.

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