Pittsburgh Symphony Orchestra eröffnet Musikfest: Anne-Sophie Mutter bringt das Festival zum Klingen
Das Pittsburgh Symphony Orchestra unter Manfred Honeck eröffnet das Musikfest mit Janáček und Lutosławski. Und Anne-Sophie Mutter bringt zum Klingen, was sonst an den Rand des Programms rutscht.
Das Musikfest Berlin startet in der Philharmonie mit einer unmerklichen Perspektivverschiebung, wie man sie von diesem Festival immer wieder erhoffen darf: Mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra stimmt ein amerikanisches Traditionsorchester Werke von Leoš Janáček und Witold Lutosławski an, zwei Komponisten, die das Musikfest-Programm prägen werden. Am Pult steht ein stolzer Wiener: Manfred Honeck hat lange bei den Philharmonikern Bratsche gespielt, bis er die Seiten wechselte, während sein Bruder Rainer als Konzertmeister in Wien weiter über den Traditionsklang des Orchesters wacht. In Pittsburgh hat Honeck ein kraftvolles Ensemble gefunden, das seinen praktischen Erfahrungsschatz samt unverkennbarem Old-Europe-Anklang zu schätzen weiß. Bis 2020 hat man sich aneinander gebunden.
Wie sehr sich Honeck dessen bewusst ist, was hierzulande über die Stärken amerikanischer Orchester gedacht wird, beweist die Konzerteröffnung: Das omnipotente, blitzschnell zuschlagende Blech bleibt vorerst hinter der Bühne. Auf den Pulten liegt Janáčeks frühe Suite für Streichorchester – und man spürt den Ehrgeiz, den der Dirigent als gelernter Streicher in die Proben investiert hat, sein Bestreben, dieses herrliche, Konventionen immer wieder unterlaufene Werk leuchten zu lassen. Weniger fest hätte man sich Honecks Zugriff dabei wünschen können, weniger vom Gedanken geleitet, hier auch etwas beweisen zu wollen. Mehr Versunkenheit, mehr Traum- als Muskelspiel.
Anne-Sophie Mutter spielte vor zwei Jahren Rihm beim Musikfest, nun kehrt sie mit „Chain 2“ zurück, einem Dialog für Violine und Orchestra, den Witold Lutosławski für sie komponierte. Mutters Auftritt ist ein willkommener Popularitätsschub für ein Festival, das zum Klingen bringen will, was gewöhnlich an die Ränder der Konzertprogramme gerutscht ist. Ein Garant für ein ausverkauftes Haus sind die Auftritte der Stargeigerin hingegen längst nicht mehr. Mit „Chain 2“ ist Mutter seit einem Vierteljahrhundert unterwegs ist, ihr halbes Leben lang. Bekenntnisse wird trotzdem niemand von ihr erwarten, denn in geradezu unheimlicher Art bleibt sie dieselbe, egal, ob sie sich makellos durch eine „ad libitum“-Passage oder einen „a battuta“-Abschnitt von Lutosławskis Werk spielt. Ferner Glanz, der umgehend rückstandsfrei verlischt.
Um nach der Pause ein dampfendes „Heldenleben“ serviert zu bekommen, braucht es das Musikfest eigentlich nicht – Staatskapelle und Deutsches Symphonie-Orchester spielten es unlängst. Doch das ist es, woran sie aktuell arbeiten in Pittsburgh: an den Tondichtungen von Richard Strauss, dessen 150. Geburtstag gefährlich naht. Dafür will man gerüstet sein – als Orchester und als Publikum. Honeck kann sich dabei vor allem auf seinen technisch brillanten Konzertmeister verlassen und auf das schwere Blech. Die Abgründe dazwischen füllen sich nicht immer wieder auf; mal versinken die Hörner darin, mal die Geigen. Der Dirigent selbst lässt nur selten anklingen, dass man diese Gründerzeitkraftmeierei auch ironisch lesen könnte, die geölte Aktion siegt stets über jede Reflektion.
Das steigert sich noch zum Taumeln mit den Zugaben: Auf Schuberts „Litanei auf das Fest Allerseelen“ in der Instrumentation von Reger folgte ein Walzer der Rosenkavalier-Suite. Sentimentalität erscheint in diesem Pittsburgher Doppelschlag ebenso ausgestellt wie Hysterie. Und Europa erblickt ein Spiegelbild, das zu denken gibt.