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Sänger Axl Rose (li.) und Gitarrist Slash, die prägenden Figuren von Guns N’ Roses.
© DAVIDS/Christina Kratsch

Guns N' Roses live in Berlin: Älter und leiser: Guns N' Roses im Olympiastadion

Drei Originalmitglieder der Guns N' Roses sind wieder zusammen auf Tour. Jetzt spielte die kalifornische Rockband um Sänger Axl Rose in Berlin - Eindrücke vom Konzert.

Bandanas? Diese Dinger gibt es noch? Jahrzehntelang konnte man ja meinen, dass sich außer Keith Richards und Rafael Nadal niemand mehr gemusterte Tücher um den Kopf bindet. Doch weit gefehlt: Ins Berliner Olympiastadion sind am Sonntagabend zahlreiche Frauen, Männer und sogar ein kleiner Junge mit Bandana gekommen. Die meisten haben sich wie ihr Mode-Vorbild für ein rotes Tuch entschieden.

Allerdings trägt Axl Rose sein halblanges rotes Haar an diesem Abend erst mal offen. Auch auf die Radlerhosen mit Stars-&-Stripes-Aufdruck verzichtet der Sänger der Guns N’ Roses inzwischen dankenswerterweise. Stattdessen tritt er in Fetzenjeans und wechselnden T-Shirts auf, wirkt fit – nur etwas stiernackiger und hüftsteifer als zur großen Zeit der Band. Der damals als notorischer Zuspätkommer bekannte Sänger ist dieses Mal fast schon überpünktlich: Die Uhr am Marathontor, durch das noch die Abendsonne in das gut gefüllte aber nicht ausverkaufte Oval fällt, zeigt fünf vor halb acht, als der 56-Jährige mit Gitarrist Slash und Bassist Duff McKagan von der Originalbesetzung sowie vier weiteren Bandmitgliedern auf die Bühne kommt.

Sie startet mit „It’s So Easy“ und „Mr. Brownstone“ von ihrem legendären Debütalbum „Appetite For Destruction“ aus dem Jahr 1987. Es sind immer noch starke Rocksongs, doch leider lässt sich das in dem Soundbrei kaum erkennen. Später bessert sich das etwas, doch bleibt Axl Roses Gesang – zumindest im hinteren Tribünen-Drittel – für den größten Teil der zweieinhalbstündigen Show deutlich zu leise. Selbst seine spärlichen Ansagen sind kaum zu verstehen, mitunter scheint sein Mikrofon ganz auszufallen. Ab und zu kommt mal sein Kreisch-Falsett durch, aber das meiste muss man sich dazudenken oder gleich selber singen.

Slash - Gitarrengott

Die Gitarre von Slash ist zum Glück die ganze Zeit hervorragend zu hören – und der 52-Jährige gut aufgelegt. Zu Beginn von „Welcome To The Jungle“ lockt er die Fans mit den verhallten ersten Noten des Intros, um dann ein bisschen abzuschweifen und es dann um so energischer rausfeuern zu können. Dass Roses Zeilen immer wieder untergehen, macht Slash fast vergessen. Seine Coolness und Virtuosität haben die Jahrzehnte schadlos überstanden. Genau wie sein Sonnenbrillen-Lockenmähnen-Zylinder-Outfit. Nur die Zigarette lässt er mittlerweile weg – genau wie den Alkohol und die Drogen. Seit er mit 35 einen Herzschrittmacher eingesetzt bekam, achtet der in London geborene Musiker auf seine Gesundheit.

Die Zeiten des Exzesses sind vorbei für die Guns N' Roses, die letzte große Mainstream-Band, die das gesamte Sex,- Drugs,- and Rock'n'Roll-Programm noch einmal ganz ungebrochen und unironisch bis ins letzte Extrem durchbuchstabiert hat. Auf den Spuren der Rolling Stones, von Led Zeppelin, AC/DC und Aerosmith schrieben sie im Bluesrock wurzelnde Songs, die sie mit ihrer manischen Energie aufluden. Eine Energie, die immer auch selbstzerstörerische Züge hatte, weshalb schon nach dem ersten Album das Original-Line-Up zerbrach.

Das unwahrscheinliche Comeback

Der größenwahnsinnige, aber teils auch geniale Album-Doppelschlag „Use Your Illusions I + II“ demonstriert 1991 die Kitschballaden- und Cover-Fähigkeiten der Gruppe aus Los Angeles, führt sie in den Zenit ihrer Karriere – und in die Krise. Skandalkonzerte und Zerwürfnisse häufen sich. Mit Nirvana betritt zudem eine Band die Popbühne, die Guns N’ Roses altbacken und uncool aussehen lässt. Grunge gelingt, was der Punk in den Siebzigern nicht ganz geschafft hatte: dem Großrock den Garaus zu machen.

Als Slash 1996 aussteigt, scheint das Ende von Guns N' Roses besiegelt. Er und Axl Rose sprechen jahrelang kein Wort mehr miteinander. Comeback? Nicht in diesem Leben, finden beide. Als es nach einem Auftritt beim Coachella-Festival vor zwei Jahren dann doch anders kommt, nennen sie ihre Welttournee selbstironisch "Not In This Lifetime". Deren zweite Europarunde beginnt nun in Berlin, wobei die Band nahezu alle ihre Hits spielt.

"Sweet Child O'Mine" reißt auch die Fans auf den Rängen von den Sitzen. Sie unterstützen Rose bei den Ohohhos des Refrains, so dass auch mal ein bisschen Stimmung aufkommt in der eher zurückhaltenden Menge.

Dylan und Demokratie

Für die Ballade „November Rain“ setzt sich der Sänger auf einen Klavierhocker, der wie ein halbes Motorrad aussieht. An den Händen trägt er mehr Klunker als Elton John und er schmachtet auch genauso leidenschaftlich wie der Brite. Slash hält die Sache mit seinen Soli in der Balance. Als Axl Rose, inzwischen trägt er einen Hut, unter dem ein rotes Bandana hervorlugt, bei „Knockin’ On Heaven’s Door“ endlich seine Sonnenbrille abnimmt, ist sein Gesang plötzlich mal klar und deutlich zu hören. Die meisten Töne des Dylan-Songs trifft er auch. Es wird eine der stärksten Darbietungen des Abends – inklusive Call-and-Response mit dem Publikum. Toll wie Slash, der eine Doppelhalsgitarre spielt, den Song gegen Ende in Richtung Reggae schiebt und einmal ein Banjo-Interlude simuliert.

Er und Axl Rose halten meist großen Abstand voneinander. Als der Sänger sich während des Titelsongs seines ohne Slash eingespielten "Chinese Democracy"-Albums kurz neben den Gitarristen stellt, dreht der sofort ab. . Als wollte er sagen: Es reicht doch, dass ich diesen Kram spiele, verziehen habe ich ihn dir aber noch lange nicht. Slash benutzt für das Stück keine seiner geliebten Gibson Les Pauls, sondern ein hässliches grünes Modell, womit er sich auch optisch von dieser erratischen Alleingangsphase seines Sängers distanziert. Diesem gehören die Rechte am Namen der Gruppe, dem er allerdings mit dem ewig verschobenen und 2008 schließlich veröffentlichten „Chinese Democracy“ keine Ehre machte. Rose, der sich damals auch mit einer komischen Zöpfchenfrisur und Ziegenbart lächerlich machte, demonstrierte damit vor allem wie verloren er ohne seine Band ist. Warum sie im Olympiastadion sogar noch einen zweiten Song aus diesem Irrläufer spielt, bleibt ihr Geheimnis. Zum Ausgleich gibt es in der Konzertmitte mit „Slither“ einen Song von Velvet Revolver, der Gruppe, die drei Guns N’ Roses-Mitglieder 2002 ohne Rose gründeten.

Das Konzert wird von lieblosen Videos und einer im Resttageslicht verblassenden Lichtshow begleitet und hat insgesamt einfach zu wenig Wumms, zu wenig Leidenschaft. Nach den Zugaben „Patience“ und „Paradise City“ gibt’s Konfetti, Raketen und Feuerfontänen – was man halt so macht als einstmals gefährlichste Band der Welt.

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