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Einsatz im Sperrgebiet: Eine Szene aus "Reaktor 1F".
© 2014 KAZUTO TATSUTA/Kodansha Ltd. / Carlsen Verlag, Hamburg 2016

Fukushima und Tschernobyl: Alltag im Sperrgebiet

Fünf Jahre Fukushima, 30 Jahre Tschernobyl: Neue Comics schildern anschaulich die Folgen der Atomkatastrophen.

Beide Bücher sind ganz nah dran, aber keine Anklage. Kazuto Tatsuta beweist mit seinem Manga „Reaktor 1F“, dass die japanische Bildgeschichte hervorragend geeignet ist, einen Einblick in den Arbeitsalltag der täglich rund 7000 Menschen zu geben, die versuchen, die Folgen der Atomkatastrophe in Fukushima aufzuräumen, die sich an diesem Freitag zum fünften Mal jährt.

Tatsuta hat sich als Künstlernamen einen Ort in der Sperrzone ausgesucht und gezeichnet, was er auf der Baustelle erlebt hat. 2011 entschied er sich, bei den Aufräumarbeiten helfen zu wollen. Ein Jahr später bekam er das erste halbwegs ernst zu nehmende Angebot von einem Sub-Sub-Sub-Bau-Unternehmer des Betreiberkonzerns Tepco. Und zunächst passierte: nichts. Die Arbeiter warteten in einer überfüllten Unterkunft, verdienten nichts – und zahlten für Kost und Logis. Der erste Job im Sperrgebiet war dann der eines Hausmeisters im Pausenraum.

"Meine Nase juckt"

Die Geschichte, deren erster Band jetzt bei Carlsen auf Deutsch erschienen ist, wird rückwärts erzählt. Im ersten Kapitel erfahren die Leser, wie es ist, im Gefahrengebiet zu arbeiten. Wie lange es dauert, die gesamte notwendige Schutzkleidung anzulegen, welcher Atemschutz bequemer oder weniger angenehm zu tragen ist. Dass man unter dem Aktivkohlefilter, der nötig ist, um in unmittelbarer Nähe zu einem der havarierten Reaktoren zu arbeiten, selbst im Winter schwitzt, und der Sommer so heiß wird, dass immer wieder Arbeiter nicht wegen der Strahlung, sondern wegen Dehydrierung zusammenklappen. Ein ganzes Kapitel ist dem Problem gewidmet, dass die Nase unter der Atemmaske eigentlich immer juckt.

So sieht der Reaktor 1 auf dem Gelände der havarierten Atomkraftwerke in Fukushima seit einiger Zeit aus. Um das Brennelemente-Becken räumen zu können, müssen erst Trümmer beseitigt werden.
So sieht der Reaktor 1 auf dem Gelände der havarierten Atomkraftwerke in Fukushima seit einiger Zeit aus. Um das Brennelemente-Becken räumen zu können, müssen erst Trümmer beseitigt werden.
© promo

Und es gibt für die Fukushima-Arbeiter Tage, an denen sie nach einer Stunde die zulässige Strahlendosis abbekommen haben. Nach einem solchen kurzen Arbeitstag lungern sie im Pausenraum herum und müssen trotzdem stundenlang warten, bis auch ihre Kollegen fertig sind und alle zurückfahren können. Der Job ist gefährlich, angsteinflößend – und sehr langweilig.

Der Alltag in Tschernobyl

Auch die Spanier Natacha Bustos und Franciso Sánchez begeben sich mit ihrer jetzt bei Egmont veröffentlichten Graphic Novel „Rückkehr ins Niemandsland“ über Tschernobyl in den Alltag ganz normaler Menschen. Die Geschichte, die fast ohne Dialoge auskommt, begleitet ein altes Ehepaar zurück in die Sperrzone. Nach der Katastrophe am 26. April 1986 werden sie abgeholt und in ein Notquartier gebracht, wo sie es aber nicht aushalten. Also kehren sie zurück und bebauen wieder ihr Land.

Die alte Frau, Galia, wird als Erste krank und stirbt. Ihr Mann folgt ihr zwei Jahre später. Ein anderes altes Paar lebt in ihrem Haus, denn der alte Mann hatte sie aufgenommen. Sie können ihn zumindest begraben. Aber auch sie wollten lieber die Gefahr bei Tschernobyl auf sich nehmen, „als in der Stadt zu verhungern“.

Ihre Tochter war zur Zeit des Unfalls schwanger in der heute verlassenen 50.000-Einwohner-Stadt Pripjat. Sie wurde mit ihrem Sohn aus der Stadt gebracht. Ihr Mann gehörte zu der Arbeitsschicht, in der die Katastrophe passierte. Er bekommt eine tödliche Strahlendosis ab und stirbt in einem Moskauer Krankenhaus. Die Frau bekommt Wochen später eine wohl gesunde Tochter, die 20 Jahre nach der Katastrophe mit ihrem Bruder in ihre unbekannte Vergangenheit zurückreist. Die Erzählung ist fiktiv, aber plausibel: So könnte es tatsächlich gewesen sein.

Natacha Bustos, Francisco Sánchez: Tschernobyl. Rückkehr ins Niemandsland. Egmont Graphic Novel 2016. Erstmals 2011 erschienen. Aus dem Spanischen André Höchemer.

Kazuto Tatsuta: Reaktor 1F. Ein Bericht aus Fukushima. Teil 1. Aus dem Japanischen von Jens Ossa. Carlsen-Manga, Hamburg 2016. Erstmals erschienen 2014. Ein ausführliches Porträt des Autors finden Sie unter diesem Link.

Dagmar Dehmer

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