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Tierisches Date: Ein Comic-Strip von Sandra Brandstätter aus „Polle“.
© Promo

Comic-Magazin „Polle“: Achtung, Kinderkram

Deutsche Comicverlage nehmen seit einiger Zeit den Nachwuchs verstärkt ins Visier. Mit „Polle“ gibt es jetzt ein neues Magazin für junge Leser.

Comics sind nicht nur für Kinder. Aber auch die lesen gerne Comics. Und immer öfter stammen diese Werke in letzter Zeit von deutschen Zeichnern und Autoren. Den Trend hat der Berliner Reprodukt-Verlag mitgeprägt, der 2013 ein Programm für junge Leser mit eigener Verlagsvorschau startete.

Auch der Hamburger Carlsen-Verlag, der mit frankobelgischen Klassikern wie „Tim und Struppi“ oder „Spirou“ seit jeher auch jüngere Leser anspricht, legte 2013/2014 einen Schwerpunkt auf neue Kindercomics; seitdem sind Titel wie Flix’ und Ralph Rutes „Ferdinand“, „Inspektor Bayard“ von Olivier Schwartz oder „Pauls fantastische Abenteuer“ von Emile Bravo im Programm vertreten. Und der Gratis-Comic-Tag kennzeichnet seit 2011 Hefte für Kinder mit einem „Kids“-Logo.

Es begann beim Kindercomic-Festival „Yippie“

Das jüngste Ergebnis dieses Trends ist das Kindercomic-Magazin „Polle“, das Comicstrips und -stories deutscher und internationaler Künstlerinnen und Künstler versammelt. Die Pilotnummer – finanziert per Crowdfunding – hatte Anfang Juni auf dem Internationalen Comic-Salon Erlangen Premiere, wo die drei Macher Ferdinand Lutz, Jakob Hoffmann und Dominik Müller das Heft vorstellten.

Die Idee hätten er und Dominik Müller schon länger gehabt, erzählt Ferdinand Lutz, der seine eigenen Kindercomics bei musikalischen Lesungen mit dem Musikpädagogen Müller in Szene setzt und Comicworkshops für Kinder anbietet. Über das von Jakob Hoffmann kuratierte Kindercomic-Festival „Yippie“ 2017 in Frankfurt lernten die drei sich kennen. Die erste „Polle“-Ausgabe haben sie ehrenamtlich erarbeitet, die Künstlerinnen und Künstler aber erhielten Honorare. Das Crowdfundingziel von 5700 Euro war nach einem knappen Monat mit 8446 Euro mehr als erreicht.

Dr. Jona und der Wal: Ein Comic-Strip von Ferdinand Lutz und George Mager.
Dr. Jona und der Wal: Ein Comic-Strip von Ferdinand Lutz und George Mager.
© Polle

„Polle“ hat 36 Seiten, vertreten sind neben den dreien Initiatoren weitere namhafte Zeichner wie Ulf K., Mawil, Leo Leowald, Paul Paetzel, Philip Waechter, Anke Kuhl, Nadia Budde, der Brite Adam Higton oder der Franzose Sylvain Mérot. „Wir wollen die Bandbreite an Kindercomic-Zeichnern in Deutschland, aber auch international zeigen“, sagt Ferdinand Lutz, selbst durch die frühe Lektüre des belgischen „Spirou“-Magazins geprägt. „Es gibt eine tolle Szene, aber kaum Platz für sie, sich zu präsentieren und auszuprobieren.“ Außerdem: „Comiczeichnen ist eine einsame Tätigkeit. Durch so ein Magazin kommt man in Dialog, das ist wunderbar.“

Geschichten statt Gimmicks

Während das „Polle“-Team vor allem aus der Warte der Künstlerinnen und Künstler agiert, war die Entscheidung zu Comics für den Nachwuchs bei Reprodukt von eigenen Kindern im Verlag motiviert. Die sollten schließlich zu Comiclesern herangezogen werden. „Wir hatten gemerkt, dass es in Deutschland kaum Comics gab, die wir unseren Kindern gern zu Lesen geben würden“, sagt Reprodukt-Verleger Dirk Rehm. „Wir wollten, dass sie sich an den Geschichten begeistern und nicht vor allem durch Gimmicks angezogen werden.“

Reprodukt verlegt neben französischen und britischen Titeln wie „Kleiner Strubbel“ von Pierre Bailly und Céline Fraipont, „Ariol“ von Emmanuel Guibert und Marc Boutavant oder „Hilda“ von Luke Pearson auch deutsche Künstler wie Uwe Heidschötter und Patrick Wirbeleit – und auch Ferdinand Lutz’ Abenteuer des kleinen Außerirdischen „Q-R-T“, die zuerst in „Dein Spiegel“ erschienen. Und mit Sandra Brandstätter und Anke Kuhl sind zwei weitere „Polle“-Zeichnerinnen bei Reprodukt.

„Nie wirklich lang, aber immer lustig“

Die Frage bei Kindercomics ist ja – wie bei allen Büchern für diese Zielgruppe: Woher wissen Erwachsene, was Kindern gefällt? Ferdinand Lutz, Anfang 30, sagt: „Ich versuche, mich immer wieder daran zu erinnern, dass ich als Kind nie nichts verstanden habe. Ich fand zum Beispiel Loriot wahnsinnig toll, aber ich habe natürlich etwas komplett anderes darunter verstanden als heute.“ Aber eine „Laborsituation“ mit Junglesern, die Feedback geben, das wollten sie nicht.

Kinderstimmen zu „Polle“ lassen sich trotzdem einfangen. Die zehnjährige Martha etwa, die mit ihrer Familie auf dem Comic-Salon Erlangen zu Besuch war, hat das Wimmelbild von Paul Paetzel im Innenumschlag am meisten begeistert. Ferdinand Lutz’ Minicomic zum Selberbasteln im Heft findet sie eine gute Idee, ansonsten meint sie eher verhalten: okay. Der gleichaltrige Jojo urteilt in seiner Rezension auf dem Literaturblog seines Vaters wohlwollender: „Die Comics im Heft sind nie wirklich lang, aber immer lustig.“ Meinungen sind halt verschieden, auch bei Kindern.

Volle Polle: Das Cover des Pilot-Heftes.
Volle Polle: Das Cover des Pilot-Heftes.
© Promo

Und nun, wie geht es weiter mit „Polle“? Das Magazin soll sechs Euro pro Ausgabe kosten und sich über Abos finanzieren sowie über eventuelle Kooperationen mit Stiftungen oder ähnlichem. Material für die zweite Ausgabe gibt es schon, so steuert Ralf König eine Geschichte bei. Aktuell sammeln die Macher weiter Abo-Bestellungen. „Den Prototypen gibt es mittlerweile auch in einigen Comicläden und Buchhandlungen zu kaufen“, sagt Ferdinand Lutz. „Wir sind optimistisch, im Winter loszulegen.“

„Polle“ online: www.vollepolle.de

Barbara Buchholz

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