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ARCHIV - Die restaurierte Saaldecke der Staatsoper Unter den Linden. Die Wiedereröffnung des Opernhauses soll im Herbst 2017 stattfinden.
© Paul Zinken/dpa

Staatsoper Unter den Linden in Berlin: 400 Millionen Euro - und viel Theaterdonner

Das also kostet jetzt 400 Millionen Euro? Der Abschlussbericht zum Staatsopern-Skandal liegt vor. Zentrale Aussagen seien "verfälscht", kritisiert die Opposition.

Bahnbrechende neue Erkenntnisse hat er dann nicht gebracht, der Untersuchungsausschuss zur Sanierung der Staatsoper. Ein Jahr lang mussten die Abgeordneten Akten wälzen und Zeugen befragen, um am Ende nur die bekannten Vermutungen mit Fakten erhärten zu können. Wirklich interessant an dem Abschlussbericht ist darum die Bewertung der diversen Detailverkettungen, die zu den finanziellen und zeitlichen Auswüchsen geführt haben. Denn da sieht – wen wundert's? – jeder Parlamentarier vor allem das, was seine eigene Partei entlastet.

Die Opposition ist empört, dass die Regierung 120 Änderungsanträge in dem fast 200-seitigen Bericht durchgesetzt hat, den der Vorsitzende des Gremiums vorbereitet hatte, der Linken-Politiker Wolfgang Brauer. Zentrale Aussagen seien „extrem verändert und verfälscht“, erklärte Sabine Bangert von den Grünen gegenüber der Deutschen Presseagentur. Ziel der Koalitionspartner sei es gewesen, von der „kollektiven Verantwortungslosigkeit“ der politischen Spitze abzulenken. Darum haben die Oppositionsparteien von ihrem Recht Gebrauch gemacht, Sondervoten zum Abschlusstext des Untersuchungsausschusses hinzuzufügen. Was die Frage nach den Schuldigen nicht vereinfacht.

Denken, melden, sprechen - daran hat sich niemand gehalten

Unstrittig ist, dass bei diesem Prestigeprojekt jene klassische, von allen Lehrern in der Schule gepredigte Regel nicht eingehalten wurde, die da lautet: denken, melden, sprechen. Kommt dieser Dreischritt durcheinander, entsteht leicht eine Kostenexplosion von 239 Millionen Euro auf mittlerweile mindestens 400 Millionen Euro sowie eine Bauzeitverlängerung von drei auf sieben Jahre.

Zunächst war da die Sache mit dem modernen Saal: Bei einem ordentlichen Architekturwettbewerb hatte Klaus Roths Vorschlag gewonnen, der aber beim Bildungsbürgertum in Ost wie West auf Widerstand stieß. Als der Regierende Bürgermeister Wowereit dem Druck nachgab und die Beibehaltung der Neorokoko-Optik anordnete, hätten alle Planungen gestoppt werden müssen, um das Projekt neu zu kalkulieren.

Das aber passierte nicht. Womöglich aus Angst der Verwaltung vor dem Rathaus-Chef, womöglich aus Angst des Rathaus-Chefs vor Daniel Barenboim, der schnell in sein Stammhaus Unter den Linden zurück wollte. Wäre damals absehbar gewesen, wie lieb das Publikum die Ausweichspielstätte im Charlottenburger Schillertheater gewinnen würde, hätte man womöglich inne gehalten. So aber wurde mit Teilgenehmigungen und ohne umfassende Bestandsaufnahme der Mängel im alten Opernhaus einfach losgebaut. Mit den bekannten fatalen Folgen. Immer wieder erlebten die Bauarbeiter mit dem Baugrund wie mit der Statik des Gebäudes böse Überraschungen.

Die Zusammenarbeit der beteiligten Verwaltungen war schlecht

Viele Warnungen der Fachleute wurden aber seitens der Politik in den Wind geschlagen. Zusatzforderungen ans Abgeordnetenhaus kommunizierte man stets in letzter Sekunde, so dass die Bewilligung der Gelder unausweichlich erschienen, um das Gesamtprojekt nicht zu gefährden. Ein Prozedere, das man von allen Großvorhaben in Berlin kennt – und das bei Mitgliedern des Untersuchungsausschusses die Forderung auslöste, das Parlament müsse wieder in die Lage versetzt werden, seiner Kontrollfunktion nachkommen zu können. Ob ein ausreichender Planungsvorlauf tatsächlich die Zeit- und Kostenexplosionen hätte verhindern können, wird in dem Abschlussbericht mit einem Fragezeichen versehen. Dass die Zusammenarbeit der beteiligten Verwaltungen (Kultur, Städtebau) suboptimal gelaufen ist, dagegen mit einem Ausrufezeichen.

Sollte Berlin aus diesem Debakel Lehren ziehen – die Sisyphusarbeit des Untersuchungsausschusses hätte sich zumindest nachträglich gelohnt. Sicher ist: Wenn die Staatsoper im Oktober 2017 wieder ihren Spielbetrieb aufnimmt, werden die Besucher staunend im Zuschauerraum stehen und sich verdattert fragen: Das also hat 400 Millionen Euro gekostet?!

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