Filmkritik: Sex and the City 2: Modehölle von Abu Barbie
Goodbye, New York: Der Film „Sex and the City 2“ verdankt sich vor allem den Auswirkungen der Finanzkrise auf Hollywood. Unser Kritiker fühlt sich in die Irre geführt.
Jetzt bloß nicht undankbar werden! Ja, wir haben viel Spaß gehabt mit Carrie, Miranda, Charlotte und Samantha in den vergangenen 13 Jahren. Denn sie waren Singles – und fabelhaft. Am 2. Juni 1997 begannen die Dreharbeiten für den Pilotfilm zur HBO-Serie „Sex and the City“. Darin ging es um vier höchst selbstständige Frauen und ihre Probleme mit dem anderen Geschlecht auf einer ziemlich dicht bevölkerten Insel, deren Name mit den Buchstaben „Man“ beginnt. Mit dieser TV-Produktion gelang dem Autorenteam Michael Patrick King der Beweis, dass der Geist der legendären screwball comedies tatsächlich ins 21. Jahrhundert übertragbar ist. Witzigere, intelligentere, scharfzüngigere Dialoge konnte man im amerikanischen Fernsehen kaum hören, offener als dieses New Yorker Frauenquartett sprach niemand über die Höhen und Tiefen – oder besser: die Ständer und Ritzen – zwischenmenschlicher Beziehungen. Dabei sah die Chose auch noch absolut extravagant aus: Ausstatterin Patricia Field wirkte stilbildend für eine ganze Generation.
Sechs Staffeln lang ging das gut, und selbst als Hollywood zugriff, um einen ersten Film als Fortsetzung der Serie zu produzieren, ließen sich die Freizügigkeit, die Eleganz und der bissige Humor aus dem TV bruchlos auf die Leinwand retten. Kein Wunder, dass sofort nach dem erfolgreichen Kinostart vor zwei Jahren die Vorbereitungen für ein weiteres Sequel anliefen. Dann aber kam die Finanzkrise – und die Studiobosse griffen gnadenlos durch, kneteten das Drehbuch und Regisseur King so lange, bis daraus das wurde, was in der Branche romantic comedy box office success heißt: garantiert massenkompatibles Popcornkino, mit dessen Figuren sich selbst die desperate housewifes aus dem mittleren Westen identifizieren können.
Anders jedenfalls ist das Elaborat nicht zu erklären, das am Donnerstag unter dem irreführenden Titel „Sex and the City 2“ in den Kinos anläuft. In diesem peinlichen, jeden SATC-Fan peinigenden Zweistundenzwanzigminüter geht es nämlich weder um das eine noch das andere. New York, die fünfte Hauptdarstellerin der Serie, die Inspirationsquelle aller situationskomischen Verwicklungen, wird einfach ausgeblendet. Auf der Straße zu drehen, in authentischen Locations, war immer der Stolz der Serien-Macher. Jetzt spielt alles im Studio – oder in der Wüste. Denn nach den ersten 20 Minuten, in denen eine disneylandartige Sahnebaiser-Hochzeit gefeiert wird, bevor es um die Frage geht, ob Kindermädchen ohne BH rumlaufen dürfen, taucht unvermittelt ein Scheich auf, der die Ladies nach Abu Dhabi einlädt. Dort verwandeln sich Sarah Jessica Parker, Kristin Davis, Kim Cattrall und Cynthia Nixon endgültig in jene hassenswerte Sorte Frauen, die Carrie „Zopfgummiträgerinnen“ nennt. Ahnungslose, oberflächliche, naive Landeier, die beim Anblick eines brachial verkitschten arabischen Luxushotels in hysterisches Gekreische ausbrechen.
Von nun an wechseln die Outfits sinnlos im Minutentakt, Story und Dialoge schrumpeln zusammen wie Weintrauben in der Wüstensonne, und die Kamera ist vor allem damit beschäftigt, ausgewählte Markenprodukte ins rechte Licht zu rücken. Cash und Carrie. Dazu rinnt klebrige Soundtracksoße aus den Lautsprechern.
Hallo, spürt hier noch jemand etwas? Was im Gottes Willen sollen diese dummdreisten Gags, die alles, was den Einwohnern von Abu Dhabi heilig ist, mit Füßen treten? Sind wir hier in einem Umerziehungsprogramm für ach so rückständige Araber? Und was haben diese Leinwand-Barbies noch mit jenen erwachsenen Frauen aus der Serie zu tun, die nicht nur Cosmopolitans trinken, sondern eben auch weltoffener denken und aufgeklärter handeln als der Durchschnittsamerikaner? Wen interessiert das fade Menopausen-Mütterstress-Eheroutine-Gelaber dieser Fashionvictims?
Mädels, ihr wart Singles und fabelhaft. New York wird New York bleiben, aber eure Zeit ist so was von vorbei. Ihr dürft wiederkommen, wenn ihr Golden Girls seid. Take care.