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In Trance. Paula Rummel (l.) und Julia Kamphausen.
© Georg Moritz

Hynpnobirthing: Mit der Kraft der Gedanken

Hypnose vor und während der Geburt? Eine Kreuzberger Therapeutin macht es Schwangeren leichter. Wir haben sie besucht.

Samstagmorgen in Kreuzberg. Mit einem Kleinkind auf dem Arm läuft ein junger Vater an dem Haus vorbei, in dem ich heute hypnotisiert werden soll. Auf dem Schild am Eingang steht: „Zsoma Körperschule. Julia Kamphausen, Hypnotherapeutin für Schwangerschaft, Geburt, Kinderwunsch und Hypnobirthing“. Obwohl mir alternative Medizin nicht fremd ist, bin ich aufgeregt. Hypnose, das klingt nach Kontrollverlust, Psychomanipulation, fast schon nach Hexerei.

Doch es ist alles anders, nämlich ganz entspannt. In der Praxis in Sichtweite des Görlitzer Parks erwarten mich Hypnotherapeutin Julia Kamphausen und die schwangere Paula Rummel. Auf dem Dielenboden: weiche, türkisblaue Yoga-Matten, Kissen und Decken. Dort sitzt die Therapeutin, ihr gegenüber liegt Paula Rummel, die im achten Monat schwanger ist, bequem auf einer Matte. Gerade hat sie eine Trance zum Thema Angst hinter sich. Um in Trance zu gehen, hat sie den Ring an ihrem Finger so lange fixiert, bis ihre Augen zugefallen sind – die sogenannte Fixationsmethode. Es war die erste von drei Trancen, welche die 32-Jährige an diesem Tag mit ihrer Hypnotherapeutin machen wird.

Angst ist ein wichtiges Thema in dieser Sitzung. Kamphausen erklärt, dass große Angst während einer Geburt den Körper erstarren lassen kann. Dadurch verhärtet auch die Muskulatur der Gebärmutter. Für die Mutter bedeutet das eine große Anstrengung, denn die Geburt verlängert und der Schmerz intensiviert sich. Um einen positiven Umgang mit dem Thema Geburt zu trainieren, führt Julia Kamphausen mit uns Gedankenspiele durch. Sie sollen verdeutlichen, wie wir mit der Kraft unserer Gedanken Empfindungen im Körper beeinflussen können. Wir schließen die Augen und horchen auf die ruhige, deutliche und sonore Stimme der Hypnotherapeutin, die vor unserem geistigen Auge ein Bild entwirft. „Stelle dir vor, auf einem Tisch liegt eine Zitrone, du viertelst sie und beißt in ein Stück. Es ist unheimlich saftig, und der Saft verteilt sich angenehm in deinem Mund.“ Ich muss schlucken, denn ich habe anscheinend Appetit bekommen. Die suggestive Kraft ihrer Worte hat den Biss in die saure Zitrone zu einer angenehmen Vorstellung gemacht. „Das Unbewusste macht keinen Unterschied, ob wir etwas wirklich tun oder ob wir uns nur vorstellen, es zu tun. Dadurch können wir Veränderungsprozesse anstoßen“, erklärt Kamphausen. Auch im Spitzensport sei es mittlerweile üblich, Situationen bereits im Vorfeld mental einzuüben.

"Ich setzte meinen Atem anders ein und kann Schmerz zulassen"

Mit Schwangeren trainiert Kamphausen Selbsthypnosetechniken. Sie sollen helfen, Ängste abzubauen, während der Geburt zu entspannen und Handlungsmöglichkeiten zu behalten. „Schwangere sind wegen des veränderten Hormonhaushalts weitaus beeinflussbarer als andere Personengruppen“, sagt Kamphausen. Zu den Vorteilen der geburtsvorbereitenden Hypnose gehören laut Kamphausen eine geringere Ermüdung bei der Geburt und eine schnellere Erholungsphase danach. Außerdem rege Hypnose die Milchbildung an und reduziere den Einsatz chemischer Anästhesie.

„Als Opernsängerin weiß ich, dass Lampenfieber auch zuschlagen kann, wenn man die Partie im Schlaf singen kann“, erzählt Paula Rummel. Bei der Geburt ihres ersten Kindes lag sie fast zwei Tage und Nächte in den Wehen. Weil es ihr schwerfiel, bei der Geburt zu entspannen, kam sie vor der Geburt ihrer zweiten Tochter zu Julia Kamphausen. Und bemerkt bereits eine Veränderung: „Ich habe andere Ressourcen, setze meinen Atem anders und kann Schmerz zulassen.“

Denn eine schmerzfreie Geburt verspricht Kamphausen ganz bewusst nicht. Am Milton Erickson Institut machte die 36-Jährige vor fünf Jahren die Ausbildung „Hypnoimaginative Geburtsvorbereitung“. „Den Eingang zum Thema habe ich im Verlauf meiner ersten Schwangerschaft gefunden. Ich war aber noch lange relativ skeptisch.“ Zunächst folgte sie der gängigen, amerikanischen Methode des Hypnobirthing. Diese verspricht eine sichere, sanfte und leichte Geburt. Doch bald merkte Kamphausen, dass sie ein eigenes Kurskonzept brauchte. „Die amerikanische Methode ist wenig offen für verschiedene Mentalitäten.“ Sie vermittelt, dass jede Geburt gleich sein könne, wenn man nur die richtigen Regeln befolge. Kamphausen will dagegen lieber Schwangere unterstützen, ihren eigenen Weg zu gehen. Deswegen entschied sich auch Paula Rummel gezielt für ihren Hypnobirthing-Kurs. „Ich möchte selbst entscheiden, was mir guttut und was nicht. Und ich weiß, dass Schmerzfreiheit nicht planbar ist.“

Und dann kommt sie, die Trance. Vorab klärt uns Kamphausen auf, dass wir jederzeit die Kontrolle behalten und aus der Trance aussteigen könnten. Ich lege mich auf den Rücken, schließe die Augen und lausche der ruhigen Stimme der Hypnotherapeutin. Ich fühle mich wie ein Kind, dem die Mutter vor dem Einschlafen ein Märchen erzählt. Schließlich zählt Kamphausen von fünf an rückwärts und wir wachen langsam und mit rosigen Wangen wieder auf. Es war, als würde man sich selbst beim Schlafen beobachten. Ich fühle mich entspannt und konzentriert zugleich, ähnlich wie nach dem Yoga. „Während der Hypnose hat sich das Baby sehr entspannt“, sagt Paula und umfasst ihren Bauch. „Am Anfang und am Ende der Trance war sie dann sehr aktiv“. Sie lächelt.

Während der Geburt können die Kursteilnehmerinnen nach Bedarf die eingesprochenen Trancen der Hypnotherapeutin etwa auf dem MP3-Player anhören. Rund 400 Frauen hat Julia Kamphausen seit 2010 auf dem Weg zur Geburt hypnotherapeutisch begleitet. „Weil es wichtig ist“, sagt sie mit Überzeugung, „wir wir auf die Welt kommen.“

Zsoma Körperschule, Infos unter www.sanft-gebaeren.de

Jana Scholz

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