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Schock. Das ist oft die erste Reaktion auf Krebs. Im Bild eine Melanom-Zelle.
© picture alliance / dpa

Neue Onkologische Portambulanz an der Charité: Die Lotsen von der Luisenstraße

Wer eine Krebsdiagnose bekommt, hat tausend Fragen. An der Charité hat jetzt eine Ambulanz eröffnet, die diesen Patienten ihren schwierigen Weg durch die Therapie erleichtern will. Ein Besuch.

Krebs und Krankenhaus: In der allgemeinen Vorstellung sind beide aufs Engste verbunden, und das nicht allein durch ihren Anfangsbuchstaben. Tatsächlich können und müssen Tumoren meist mittels eines chirurgischen Eingriffs entfernt werden, und das zieht gewöhnlich einen mehrtägigen Aufenthalt in einem Krankenhauszimmer nach sich. Vor und nach der Operation stehen zudem oft noch Tests und Untersuchungen an, die bevorzugt in Kliniken stattfinden.

Allerdings ist die Behandlung damit meist längst noch nicht zu Ende: Es folgen Bestrahlungen und Behandlungen mit Medikamenten. Und diesen größeren Teil des oft recht beschwerlichen Weges zur Heilung gehen die Betroffenen heute meist von zu Hause aus. Die Therapien finden dann zum Beispiel in Arztpraxen und Medizinischen Versorgungszentren (MVZs) statt. Ambulant.

Von der ambulanten Medizin geprägt ist auch die Phase vor dem Krankenhausaufenthalt: Wenn bei einem Haut- Check-up der Verdacht auf Hautkrebs aufkommt, wenn die Frauenärztin ihrer Patientin bestätigt, dass die Brust, in der ein verdächtiger Knoten zu tasten ist, von einem Radiologen durchleuchtet werden sollte oder wenn der Magen-Darm-Spezialist bei der Darmspiegelung einen Tumor entdeckt. Vor allem angesichts komplizierterer Befunde, unterschiedlicher Behandlungsoptionen und der Vielzahl der in die Diagnostik einbezogenen Ärzte schwirrt den Betroffenen meist spätestens dann der Kopf, wenn sie wieder zu Hause am Küchentisch sitzen. Das Leben hat sich auf einen Schlag verändert. Wie soll es nun weitergehen?

Menschen, die bei Verdacht auf Krebs oder einer bestätigten Diagnose vor dieser Frage stehen, können sich nun am größten Uniklinikum Europas Beistand holen. Ambulant. Die Interdisziplinäre Onkologische Portalambulanz auf dem Campus Mitte, die – nach ähnlichen Einrichtungen auf dem Campus Benjamin Franklin und dem Campus Virchow – vor Kurzem in der Invalidenstraße eröffnet wurde, versteht sich nach den Worten ihres Leiters, des internistischen Onkologen Bert Hildebrandt, als „organisierte Eintrittspforte“ in die Charité.

Bert Hildebrandt
Bert Hildebrandt
© privat

Viele betreten sie zunächst virtuell: Sie stellen ihre Fragen zu einem komplizierten Krankheitsbild oder einer neuen Behandlungsmöglichkeit zunächst einmal per E-Mail. Oder rufen bei der Hotline an. Rund zwanzig Patienten kommen aber jede Woche auch ganz neu zu Hildebrandt und seinen Kollegen. „Wir lotsen sie durch Diagnostik und Therapie“, versichert der Onkologe und Hämatologe.

Beispiel Darmkrebs: „Die gute Nachricht ist, dass dieser Krebs heute häufig auch heilbar ist, wenn er schon Absiedlungen in Leber, Lunge oder Bauchfell gebildet hat“, sagt Hildebrandt. Allerdings ist die Behandlung sehr viel individueller geworden, seit verschiedene Mutationen von Krebsgenen bekannt sind, deren Vorhandensein oder Nichtvorhandensein darüber entscheidet, ob bestimmte neue Medikamente wirken, vor allem in den fortgeschrittenen Stadien. Und es gibt Patienten, die gleich bei mehreren Spezialambulanzen vorsprechen müssen, um zusammen mit den Fachärzten das optimale Behandlungspaket schnüren zu können. Nach der hoch spezialisierten Diagnostik bei den Magen-Darm-Experten, den Radiologen und Pathologen kommt schließlich oft eine ebenso spezialisierte Therapie bei Vertretern mehrerer Fachgebiete auf sie zu. Hildebrandt verspricht, dass sich für die Betroffenen in der Portalambulanz die Wege verkürzen. „Alle Spezialsprechstunden befinden sich jetzt an einem Ort.“

Leider müssen Krebspatienten manchmal auch wegen störender und langwieriger Nebenwirkungen, etwa von Chemotherapien, den Rat von Spezialisten einholen. In der Interdisziplinären Onkologischen Portalambulanz wurde jetzt auch eine Spezialsprechstunde für bestimmte therapiebedingte Nervenschäden, die Polyneuropathien, eingerichtet. Auch eine Sprechstunde für Plastische Chirurgie gibt es, in der ausführlich über Möglichkeiten des Wiederaufbaus der Brust beraten wird. „Wir vermitteln vor allem die medizinischen Angebote, die es nicht überall gibt“, sagt Hildebrandt.

Einige Therapien werden zudem auch erst in großen klinischen Studien auf ihre Wirksamkeit getestet. Die Lotsen wissen, wo solche Untersuchungen laufen und wer daran teilnehmen kann – und das im eigenen Interesse auch tun sollte. Ein Beispiel sind die derzeit heftig beforschten Immuntherapien, die Tumoren daran hindern sollen, die körpereigene Abwehr zu überlisten und sich ungebremst zu vermehren.

In Sachen Forschung kommt es den Patienten zugute, dass die Onkologische Portalambulanz der Charité auf dem Campus Mitte wie ihre beiden „Schwestern“ in Steglitz und in Wedding Teil des Comprehensive Cancer Center der Charité ist, kurz CCCC genannt. 13 solcher Spitzenzentren für Forschung und Behandlung gibt es, über die gesamte Republik verteilt. Sie werden von der Deutschen Krebshilfe finanziell gefördert. „Dadurch können allein am CCCC in Berlin pro Woche 37 Stunden lang Tumorkonferenzen stattfinden, an denen über 200 meist hoch spezialisierte Fachärzte teilnehmen“, sagt Hildebrandt.

Die Diagnose Krebs ist nach wie vor ein Schock: Obwohl sie heute nicht mehr selten ist und nach Einschätzung der WHO im Jahr 2035 die Hälfte der Menschheit treffen könnte, weil wir älter werden und andere Krankheiten besser im Griff haben. Und obwohl heute schon die Hälfte aller Krebserkrankungen geheilt werden. Da ist es eine große Beruhigung, dass in den Darm-, Prostata- oder Brustkrebszentren, die von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziert sind, der gebündelte Sachverstand mehrerer medizinischer Disziplinen anzutreffen ist. Und dass für viele Krebserkrankungen das beste Vorgehen in Leitlinien festgelegt wird. Trotzdem kann es Sicherheit geben, vor einer einschneidenden Behandlung den Rat weiterer Experten einzuholen. Auch den Patienten, die „nur“ nach einer „zweiten Meinung“ fragen möchten, steht die Portalambulanz offen.

Mehr Informationen zur Interdisziplinären Onkologischen Portalambulanz der Charité: opa.charite.de, Kontakt zur Hotline: CCCC@charite.de Informationen der Berliner Krebsgesellschaft zu Behandlungs- und Unterstützungsangeboten in Berlin: www.berliner-krebsgesellschaft.de

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