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Günther Jonitz ist seit 1999 Präsident der Ärztekammer Berlin.
© promo

Interview mit Ärztekammerpräsident Jonitz: „Der Vorteil liegt beim Patienten“

Sektorengrenzen können als Schnittstellen funktionieren, meint Ärztekammerpräsident Günther Jonitz.

Es gibt im deutschen Gesundheitswesen einige deutliche Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung, zwischen Rehabilitation und Pflege. Zum Teil werden die Grenzen von den jeweiligen Akteuren recht entschlossen verteidigt. Andererseits gibt es immer wieder Versuche, diese Grenzen durchlässiger zu machen. Sind diese Sektorengrenzen noch zeitgemäß oder eher hinderlich für eine gute Behandlung der Patienten?

Es sind nicht die Grenzen, die Probleme machen, sondern was dahinter geschieht und wie die Zusammenarbeit aussieht. Wenn eine bestmögliche, abgestimmte Versorgung im Zentrum auch des politischen Handelns steht, können sektorale Grenzen auch gut funktionierende Schnittstellen sein.

Wie schätzen Sie die sektorenübergreifende Zusammenarbeit zwischen den Ärzten in den Krankenhäusern und den niedergelassenen Ärzten ein? Profitieren vor allem die Kliniken von einer „Überweiser“-Einbahnstraße, die ihre Betten füllt, oder haben auch die überweisenden Ärzte davon Vorteile?

Was meinen Sie mit „Vorteile“? Der überweisende Arzt will seinen Patienten optimal behandelt wissen. Dafür ist es wichtig, dass er die entsprechenden Informationen über das Behandlungsspektrum und die Qualität hat. Die Patienten werden in der Regel dahin entlassen, wo sie herkommen. Dies hilft der Kontinuität der Versorgung. Der Vorteil liegt beim Patienten und ist medizinischer Natur: Der Patient ist jeweils da, wo er bestmöglich versorgt wird. Der Niedergelassene als Einweiser behält die Führung.

Immer mehr Krankenhäuser entdecken das Einweisermanagement – also die gezielte Ansprache der niedergelassenen Ärzte – als einen Weg, ihre Kapazitäten auszulasten. Manche schreiben es sogar ihren Chefärzten in die Verträge, dass sie sich um die Einweiser zu bemühen haben, ihnen eine möglichst reibungslose Zusammenarbeit zusichern sollen und eine gute Versorgung der von ihnen überwiesenen Patienten. Ist das Einweisermanagement also eine sinnvolle Ergänzung, um den Patienten eine gute Behandlung zu sichern oder vor allen Dingen eine ökonomische Notwendigkeit?

Die gesetzlichen Grundlagen zu Empfehlungen und Einweisungen sind eindeutig: Der Arzt überweist den Patienten in das nächstgelegene, geeignete Krankenhaus. Entscheidend sind im Übrigen allein individuell auf den Patienten bezogene medizinische Gründe. Dass der politisch gewollte „Wettbewerb“ manche Stilblüten treibt, die wir Ärzte uns nicht wünschen, ist auch klar. Ein Strategiewechsel auf politischer Ebene ist dringend nötig – weg vom ökonomischen Druck, hin zu einer Werte orientierten Patientenversorgung. Dafür werbe ich seit Jahren. Man kann den Arzt als Letztverantwortlichen im System nicht die Suppe auslöffeln lassen, die die Politik falsch eingerührt hat. Auch die Politik muss sich dazu bekennen, dass im Gesundheitswesen der Patient im Mittelpunkt steht.

Gibt es eine Pflicht der niedergelassenen Ärzte, sich zu informieren, was in den Krankenhäusern zumindest in ihrer näheren Umgebung passiert, dort die meisten Chefärzte persönlich zu kennen und zu wissen, welche Behandlungs- und Pflegequalität dort erbracht wird?

Die Niedergelassenen bekommen Rückmeldungen über gute oder fragwürdige Qualität aus mehreren Quellen, etwa vom Patienten selbst, von dessen Angehörigen, von Kollegen, aus den Qualitätsberichten der Krankenhäuser und vielen mehr. So hat der niedergelassene Arzt in der Regel auch Informationen über nichtmessbare Aspekte der Behandlungsqualität und wird seinen Patienten die Klinik empfehlen, in der sie nach individueller Abwägung am besten versorgt werden.

Gibt es Modelle eines Gesundheitswesens, von denen Deutschland in Sachen intersektoraler Zusammenarbeit lernen kann?

Das Modell, von dem wir aus meiner Sicht lernen sollten, ist das der berufsgenossenschaftlichen Heilversorgung in Deutschland: Klare Zuständigkeiten, hoher Anspruch der Versorgung, schnelle und gründliche gegenseitige Information über Krankheit beziehungsweise Unfall, Diagnostik und Therapie und ständige Evaluation der Behandlungsergebnisse zum Zwecke der Nachjustierung der Versorgung und der Verhältnisprävention.

Die Fragen stellte Ingo Bach.

Günther Jonitz ist seit 1999 Präsident der Ärztekammer Berlin.

Eindrücke vom Tagesspiegel-Kongress "Die besten Chefärzte" gibt es hier:

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