zum Hauptinhalt
Der Legende nach soll eine Erscheinung zu einer steinernen Marienfigur geführt haben. Ihr zu Ehren wurde das Kloster Puig de Maria errichtet.
© Veronica Frenzel

Kloster-Pensionen: Stilles Mallorca

Im wilden Teil des Tramuntana-Gebirges stehen einsame Klöster. Jetzt pilgern Wanderer dorthin, genießen Lammkoteletts, Mandelkuchen und die Aussicht vom Puig de Maria.

Cati knallt die verwaschene Bettwäsche auf den Holztresen und hebt den Zeigefinger in Richtung Himmel. Genau ein Stockwerk über ihr liegt das Zimmer der beiden Neuankömmlinge, und die Betten müssen sie jetzt eben selbst beziehen. Sie habe an diesem Abend mit niemandem mehr gerechnet, murmelt sie – und es klingt, als sei ihr die schroffe Art ein wenig unangenehm.

Nach Einbruch der Dunkelheit kommt selten jemand in ihr Marienkloster, das heute eine günstige Pension und ein bodenständiges Wirtshaus ist. Es liegt ganz oben auf dem Gipfel des Puig de Maria, im Norden von Mallorca, in den Ausläufern des Tramuntana-Gebirges beim Städtchen Pollença. Die letzten Kilometer zum Kloster muss man zu Fuß zurücklegen, auf einem holprig gepflasterten, kurvigen Weg, durch einen dunklen Zypressenwald, den keine Laterne beleuchtet. Den allermeisten ist das zu aufregend.

Cati ist seit fast zehn Jahren Rezeptionistin, Managerin, Haushälterin und Küchengehilfin in der Kloster-Pension. In dieser Zeit ist sie selbst fast zur Nonne geworden. Zumindest, was ihre Liebe zur Einsamkeit und zur Kontemplation angeht. Sie mag besonders die versteckten, einsamen Ecken und die Tage, an denen mal kein Gast da ist, wenn sie das ganze Kloster mit Blick über die halbe Insel für sich hat.

Heute ist nicht einer dieser Tage. Schon am frühen Morgen sind die ersten Gäste durch das vom Efeu überwucherte, langsam verfallende Tor zum Frühstück gekommen. Die Mauern stammen aus dem 14. Jahrhundert, das letzte Mal renoviert wurden sie vor mehreren Jahrzehnten. Seit ein paar Jahren ist der Aufstieg zum Kloster unter einheimischen Rentnern und Hausfrauen aus Pollença zum beliebten Morgensport geworden.

Alles kommt frisch auf den Tisch!

Am frühen Nachmittag hatte Cati dann die ersten Wanderer begrüßt, die auf dem Etappen-Wanderweg GR 221 das Tramuntana-Gebirge von Süden nach Norden durchqueren. Seit ein paar Tagen sind außerdem Franzosen da, die nicht mehr gehen wollen und wiederholen, wie gern sie mit ihr eine Zeitlang tauschen würden. Nichts besonders Ungewöhnliches, es passiere immer öfter, dass Besucher sich in das Kloster verlieben, erklärt Cati.

Und jetzt – es ist schon bald 21 Uhr! – haben diese beiden Wanderer sie aus ihrer Waschküche geholt, wo sie über dem Falten der Bettlaken gerade in eine meditative Stimmung geraten war. Das Läuten der Messingglocke, die über dem Tresen der Rezeption hängt und deren Klang mehrere dicke Steinmauern durchdringt, hat sie erschreckt.

Auf Mallorca herrscht ganzjährig mildes Klima – als angenehmste Reisezeit gilt der Frühling. Im Bild das Kloster Lluc von oben.
Auf Mallorca herrscht ganzjährig mildes Klima – als angenehmste Reisezeit gilt der Frühling. Im Bild das Kloster Lluc von oben.
© Veronica Frenzel

„Stop“, sagt Cati, jetzt etwas sanfter, als die Wanderer schon mit der Bettwäsche nach oben verschwinden wollen, und legt den beiden ein handbeschriebenes Blatt vor: „Gemüsesuppe oder Salat zur Vorspeise. Zicklein oder Lammkoteletts zum Hauptgericht. Selbstgemachter Mandelkuchen zum Dessert.“ – „Das Abendessen heute“, sagt sie und erklärt, man müsse jetzt sofort bestellen, denn hier brauche das Kochen Zeit. „Alles kommt frisch auf den Tisch!“

Für das Essen ist auf dem Puig de Maria Tomas zuständig, der wie Cati seit Jahren hier oben arbeitet, und der darüber auch ein bisschen zum Einsiedler geworden ist. Er wartet hinter der Schwingtür, die von der Rezeption in die Küche führt, auf die Bestellung. Gästen zeigt er sich nur ungern.

An der Küchenwand hängen riesige Töpfe, Kellen und Löffel, die seit fast 30 Jahren keiner mehr benutzt. Ende der 80er Jahre verließen die letzten Augustinernonnen das Kloster. Nur wenig später übernachteten schon die ersten Urlauber in den ehemaligen Zellen, in denen nicht mal die Betten ausgetauscht worden waren. Jedes Jahr werden es ein paar mehr Urlauber.

Rennradfahrer haben die steilen Straßen schon lange entdeckt

Voll ist es auf dem Klosterberg aber nur am Sonntag. Dann pilgern Ausflügler aus ganz Mallorca auf den Puig de Maria. Das Essen ist inselberühmt – so wie der Ausblick. Vom Hof vor der kleinen Kapelle mit der Marienstatue blickt man auf die ziegelgedeckten Dächer von Pollença am Fuße des Klosterbergs und auf die schiefergrauen Berge des Tramuntanagebirges. Von der Terrasse sieht man die flache Ebene im Zentrum der Insel, das Cap Formentor, die Landzunge Talaia d’Alcúdia, manchmal sogar das etwa 100 Kilometer Luftlinie entfernte Menorca. Und immer das tiefblaue Meer.

Im Süden und im Zentrum des Tramuntana-Gebirges, das sich über den gesamten Westen Mallorcas erstreckt, und das so heißt wie der stetig pustende Nordwind, liegen elegante Dörfer mit klingenden Namen, in denen der Komponist Frédéric Chopin und seine Frau, die Schriftstellerin George Sand, eine Weile verbrachten: Sóller, Deià, Valldemossa. Der Norden der Sierra ist unwirtlicher und schroffer. Selbst die harten, mallorquinischen Bauern verschmähten das Land. Die inselüblichen Terrassenfelder, die sich auch in die steilsten Hänge fräsen, sind im Norden rar. Seit einiger Zeit finden Wanderer Gefallen an der alpinen Berglandschaft. Rennradfahrer haben die steilen Straßen schon lange entdeckt.

Viel früher erkundeten religiöse Gemeinschaften die kargen Berge. Ein paar Jahrhunderte, bevor die Nonnen den Puig de Maria als Rückzugsort zum Beten fanden, ließen sich Augustinermönche in der Tramuntana nieder. Im zwölften Jahrhundert gründeten sie weiter südlich eine Einsiedelei. Sie wählten eine bewaldete Hochebene, die schon seit Inselgedenken ein heiliger Ort war: Lluc.

121 Zellen stehen Gästen offen

Viel Grün. Vor den Klostermauern der Ermita Victoria haben die Franziskanermönche Pflanzentöpfe aufgestellt.
Viel Grün. Vor den Klostermauern der Ermita Victoria haben die Franziskanermönche Pflanzentöpfe aufgestellt.
© Veronica Frenzel

Dort hat Antoni schon wieder zu lange in seinem Bürostuhl gesessen. Diese Bücher sind schuld, die ihn so fesseln, diese Geschichten über den heiligen Wald Lucus, in dem sich die Inselbewohner vor der Christianisierung für spirituelle Exerzitien anderer Art getroffen haben, und der sich genau dort befand, wo heute das Kloster von Lluc steht, sein Zuhause. „Fast schon Blasphemie, dass ich das lese“, sagt er grinsend und stemmt seine über 100 Kilo an den Armlehnen hoch. Auch der Stuhl ächzt. Die späten Gäste sind ein guter Anlass für einen Spaziergang. Gern zeigt er ihnen die Kirche, deren Inneres sich Antoni Gaudí ausgedacht hat, und auch das Hinterzimmer mit der schwarzen Gottesmutter, die sie hier liebevoll „Sa Moreneta“ nennen – die kleine Dunkelhaarige, die Flämin ist. Ein mallorquinischer Kaufmann hat sie im 16. Jahrhundert in Belgien gekauft und später dem Kloster geschenkt.

Antoni ist Fratre, ein Ordensbruder der Kongregation von den Heiligsten Herzen Jesu und Marien, die den Wallfahrtsort Lluc seit Ende des 19. Jahrhunderts verwaltet. Die Aufgabe des Rezeptionisten hat er gerade erst übernommen. Davor war er in der Küche beschäftigt, hat Zicklein, Lammbraten, mallorquinische Brotsuppe, gefüllte Auberginen zubereitet und den riesigen Kamin befeuert, denn in den dicken, alten Klostermauern hat sich die Kälte eingenistet.

Den neuen Job mag er lieber. Wenn er die Bücher nicht weglegen will, nennt er einfach die Zimmernummer und schiebt die Schlüsselkarte über den Tresen, mit der die Gäste die komfortablen Zimmer öffnen, die bis auf die gewölbte Decke und die kleinen Fenster wenig mit den früheren Zellen gemein haben. Die Böden sind gefliest, jedes Zimmer hat ein eigenes Bad und sogar einen Fernseher. Das Bett müssen die Gäste aber auch hier selbst beziehen. Immer schon beherbergte Lluc Pilger, seit einigen Jahren stehen die 121 Zellen auch Gästen ohne spirituelle Motivation offen.

"So muss der heilige Wald ausgesehen haben"

Der heilige Wald, über den Antoni so gern liest, wurde für den steinernen Quaderbau fast ganz abgeholzt. Vor Jahren musste ein Teil der übrig gebliebenen Bäume einem Expansionsvorhaben der Brüder weichen: einem riesigen Parkplatz, zu dem Reisebusse jeden Tag Hunderte pilgernde Spanier karren, die sich ebenso ungern bewegen wie Antoni.

Der schlurft jetzt durch fast leere Gänge, durch die einsame Kirche bis zur dunklen Gottesmutter. Am Abend ist es im Kloster still. Mehr als von der Jungfrau erzählt Antoni auf dem Weg von dem Wald und den Hexen, die sich hier getroffen haben sollen, und in deren Welt er gerade noch versunken war. Der Gipfel Puig Tomir, der hoch über Lluc liegt, soll an Vollmondnächten ein Treffpunkt der früheren Inselbewohner gewesen sein. Bis nach ganz oben hat Antoni es noch nie geschafft, zu steil. Dafür kennt er die Wanderwege, die die Hochebene um das Kloster durchqueren. Sie führen durch schmale Täler voller hundertjähriger Steineichen, Zwergpalmen und wilder Olivenbäume. „So muss der heilige Wald ausgesehen haben“, sagt er.

Vom Talaia d’Alcúdia genießt der Wanderer nach dem Aufstieg ein beeindruckendes Panorama über die gleichnamige Halbinsel.
Vom Talaia d’Alcúdia genießt der Wanderer nach dem Aufstieg ein beeindruckendes Panorama über die gleichnamige Halbinsel.
© Veronica Frenzel

Nicht weit von hier leuchten die ockerfarbenen, haushohen Steinmauern der Ermita de la Victoria im dichten Wald. Es duftet nach Nadelgehölzen und Meer. Heute ist in der früheren Einsiedelei ein Aparthotel untergebracht. Fiola hat nur einmal selbst dort übernachtet, als sie den Job als Managerin angefangen hat. Sie dachte damals an den ersten Eremiten, der hier wohnte. Der hieß Diego und war Alchimist, er machte Wasser zum Allheilmittel. Das glaubte zumindest der damalige König von Katalonien, Alfons V. und ließ sich das Wasser aus der Einsiedelei liefern. Fiola fand die Nacht in der Einsiedelei eher unheimlich als magisch.

Fiola mag lieber den Trubel als die Einsamkeit

Stockdunkel ist es in dem Wald am Kap von Alcúdia, sobald die Sonne untergeht, und totenstill. Kein Auto verirrt sich hierher, die nächste Siedlung liegt wenige Kilometer entfernt. Dort lebt Fiola, zusammen mit Urlaubern aus ganze Europa, viele davon kommen aus Deutschland. Den Trubel mag sie lieber als die Einsamkeit.

Hinter der schweren Holztür der früheren Einsiedelei liegen jetzt elegante Holzdielen und Möbel, im Boden eingelassene Badewannen und steinerne Decken, eine moderne Küche. Gleich oberhalb von La Victoria beginnt ein breiter Forstweg, auf dem tagsüber Hunderte Urlauber zum 445-Meter-Gipfel Talaia d’Alcúdia pilgern.

Von hier schieben sich der Puig de Maria und das Tramuntana-Gebirge ins Bild, irgendwo dürfte auch Lluc sein – und die Reste des heiligen Waldes.

Reisetipps für Mallorca

DIE KLÖSTER

Santuari del Puig: Acht einfache Klosterzellen zwischen12 und 24 Euro mit externem Bad und Warmwasser, Abendessen zwischen zehn und 20 Euro, Vorreservierung ist notwendig unter +34 (971) 18 41 32 oder +34 (971) 639 958 096. Anfahrt über Pollença

Santuari de Lluc: 129 gut ausgestattete Klosterzellen für eine bis sechs Personen, Bad en Suite, zwischen 32 und 60 Euro, Abendessen im Klosterrestaurant zwischen 20 und 30 Euro, Reservierung unter +34 (971) 87 15 25, Informationen auf der Internetseite lluc.net. Anfahrt über Inca.

Ermita de la Victoria: Sechs luxuriöse Doppelzimmer. Achtung: Abendessen wird erst wieder ab Mai serviert, bis dahin können Gäste von der Selbstversorger-Küche Gebrauch machen. Reservierung unter +34 (971) 515 260, lavictoriahotel.com.

NOCH MEHR KLÖSTER

Santuari de Sant Salvador: 14 einfache Zimmer, 40 Euro pro Person, Abendessen (20 bis 30 Euro) und Frühstück, Reservierung unter +34 (971) 581 952. Mehr im Netz: santsalvadorhotel.com

Santuari de Cura: Modernes Kloster aus dem 20. Jahrhundert, der beheimatete Franziskanerorden bietet Ruhe, Mitbeten und 33 komfortable Zimmer für 60 Euro pro Person, Abendessen (ab 20 Euro) und Frühstück. Reservierung unter +34 (971) 120 260 sowie santuaridecura.com.

INFORMATIONEN ZU DEN WANDERUNGEN

Eine gute Übersicht liefert der Rother Wanderführer „Mallorca“ von Ralf Götz (70 Touren, 232 Seiten, 14,90 Euro).

Beim Alpina-Verlag erscheint die Wanderkarte Tramuntana Nord 1:25:000, in der katalanischen Fassung sind die Routenbeschreibungen auch auf Deutsch, erhältlich in vielen Geschäften (auch vor Ort in den Klostern Lluc und Puig de Maria). Als beste Reisezeit für die Region gilt Februar bis Mai und September bis November.

39 fast einsame Touren sind im Mallorca-Reiseführer aus dem Michael Müller Verlag beschrieben, dessen aktuelle Ausgabe die Autorin überarbeitet hat.

HINKOMMEN

Von Berlin nach Palma de Mallorca fliegt man hin und zurück je nach Reisezeit ab circa 100 Euro unter anderem mit Vueling, Easyjet, Ryanair, Niki, Germanwings und Air Berlin.

Veronica Frenzel

Zur Startseite