Urlaub im Kloster: Reise zum Ich
Immer mehr Urlauber wünschen sich spirituelle Erfahrungen – in der Natur oder etwa beim Urlaub im Kloster.
Die einen wollen im Urlaub faulenzen, die anderen Golf spielen. Und manche suchen spirituelle Erfahrungen beim Urlaub im Kloster. Das klingt esoterisch, ist aber gar nichts Neues. „Die klassische Pilgerreise ist vielleicht die älteste Form des Tourismus überhaupt“, sagt Professor Rainer Hartmann, der an der Hochschule Bremen Tourismusmanagement lehrt. Schließlich zog es schon im Mittelalter Tausende zu den heiligen Stätten des Christentums, nach Santiago de Compostela, nach Rom oder Jerusalem. „So etwas gab es sogar schon in der griechischen Antike.“
Heute stehen bei spirituellen Reisen aber meist keine so eindeutig religiösen Motive im Vordergrund. Das Bedürfnis nach Spiritualität sei eine Gegenbewegung zu ganz weltlichen Entwicklungen: „Beschleunigung, Globalisierung, Kommerzialisierung“, zählt Hartmann auf. Gleichzeitig ist im Urlaub manchmal Zeit für Dinge, die im Alltag kaum eine Rolle spielen: „Jeder Dritte schaut sich im Urlaub einen spirituellen Ort an“, sagt Professor Ulrich Reinhardt, wissenschaftlicher Leiter der Stiftung für Zukunftsfragen in Hamburg.
Gäste versprechen sich Spiritualität vom Urlaub im Kloster
„Jeder zehnte Deutsche geht beispielsweise in eine Flughafenkapelle oder eine Autobahnkirche.“ Und manchen reicht das eben noch nicht. Dann muss man nicht gleich ins Kloster gehen – kann das aber. Klöster stellen sich mit zum Teil umfangreichen Angeboten auf Gäste ein. Auch das Kloster St. Benedikt in Damme im Oldenburger Münsterland empfängt regelmäßig Gäste, nicht nur katholische. In vielen Klöstern sei zu beobachten, dass eine steigende Zahl von Gästen nicht konfessionell gebunden sei, erklärt Prior Stephan Veith. Selbst wer der Amtskirche den Rücken gekehrt hat, erwarte offenbar, dass Klöster Orte mit einer gewissen Spiritualität sind.
Viele der Gäste in Damme wünschen sich Kontakt zu den Benediktinern. „Die Mehrzahl hat ein echtes spirituelles Interesse“, sagt Bruder Stephan. Es gibt die Möglichkeit, am Gottesdienst mit den Mönchen oder am Stundengebet teilzunehmen – oder auch an Gesprächen, nicht nur über religiöse Themen. Und es existiert ein umfangreiches Programm, für das Bruder Stephan verantwortlich ist: Dazu gehören Angebote wie „Aikido als Meditation“, „Yoga und christliche Spiritualität“, meditative Tanzabende und Zen-Einführungskurse.
Im Urlaub abzuschalten, eine Gegenwelt zu erleben, sei insgesamt wichtiger geworden, sagt Reinhardt. „Früher sagte man dazu, man will die Seele baumeln lassen. Das ist schon etwas, was die Leute stark suchen.“ Das sieht Professsorin Susanne Leder ähnlich: Der Verlust vertrauter Strukturen, wachsende Komplexität und mediale Übersättigung seien die Gründe dafür, dass heute mehr Menschen Spiritualität suchen. „Wir versacken im Alltag“, erklärt Leder, die an der Hochschule Meschede Tourismusmanagement unterrichtet. „Für manchen ist es schon eine spirituelle Erfahrung, wenn er sich in eine Kirche in die Bank setzt“, fügt sie hinzu. „Auch sakrale Konzerte können eine große Wirkung haben.“ Und auch Naturerfahrungen haben dieses Potenzial: „Jeder, der mal am Grand Canyon gestanden und runtergeschaut hat, hat auch diese Erfahrung gemacht.“
Spirituelle Bedürfnisse mal eben im Kurzurlaub befriedigen – geht das? „Der heilige Benedikt spricht vom rechten Maß. Ich will einerseits touristisch etwas erleben, aber andererseits auch meiner Seele etwas Gutes tun“, sagt Bruder Stephan. Wenn das nicht aufgesetzt ist, halte ich das für gut.“ (dpa)