Latinos in den USA: Wieso Exilkubaner sich von Trump abwenden
„Ich liebe dieses Land“, sagt der Zigarrenhändler Peter Bello. Wie viele Exilkubaner ist er Anhänger der Republikaner. Doch es beginnt sich etwas zu ändern.
Pedro Bellos Gesicht ist überall. Betritt man „Cuba Tobacco Cigar Co.“, den Showroom des Traditionsunternehmens in Miamis Stadtteil Little Havana, sieht man ihn auf Bildern an der Wand, wie er prüfend ein großes Tabakblatt studiert oder mit Arnold Schwarzenegger eine Havanna teilt. Er blickt einen direkt von den edlen Zigarrenkisten an – mit weißem Hemd und Hut und natürlich einer Zigarre in der Hand. An vielen Tagen lacht der 89-Jährige die Besucher aber auch persönlich an, dann sitzt er auf dem braunen Ledersofa links neben dem Eingang und signiert eine Kiste nach der anderen, auf dem Tischchen neben sich eine angefangene Zigarre im silbernen Aschenbecher. Obwohl das Familienoberhaupt des Bello-Clans seit Jahrzehnten in den Vereinigten Staaten lebt, spricht er kein Englisch.
In Miami, und besonders hier, auf der nicht weit östlich vom Zentrum gelegenen Calle Ocho, die offiziell SW 8th Street heißt, ist Pedro Bello damit nicht allein, in Little Havana spricht man besser Spanisch, das Viertel ist gewissermaßen die Hauptstadt der rund zwei Millionen Exilkubaner, die inzwischen in den USA leben. Und Miami die inoffzielle Hauptstadt Lateinamerikas.
13 Prozent der Einwohner des Landkreises Miami-Dade fallen heute noch in die Zensus-Kategorie „nicht hispanischstämmige Weiße“. Rund 70 Prozent der 2,8 Millionen Einwohner haben lateinamerikanische Wurzeln. Eine Million davon kubanische, von denen 600.000 in den USA wählen können. Das wissen wenige besser als US-Präsident Donald Trump, der gerade seinen Hauptwohnsitz von New York nach Florida verlegt hat.
Der Bundesstaat wird bei der Präsidentschaftswahl in ziemlich genau einem Jahr eine große Rolle spielen. Er ist einer der sogenannten „Battleground States“. Viele sagen, um Präsident bleiben zu können, müsse Trump Florida wieder gewinnen. „Der Weg zum Sieg führt durch Florida“, sagte etwa Joe Gruters, der Vorsitzende der hiesigen Republikanischen Partei, der „Tampa Bay Times“ im Mai. Seit 95 Jahren wurde kein Republikaner mehr Präsident, ohne Florida zu holen.
100.000 kubanische Stimmen
Welche Rolle spielen dabei die Exilkubaner, die anders als die meisten anderen „Latinos“ in den USA als überzeugte Republikaner gelten und von denen Trump behauptet, sie hätten ihm 2016 den Wahlsieg in Florida gesichert?
Immer noch eine große, sagt Guillermo Grenier. Der Soziologe an der Florida International University, selbst in Kuba geboren, sitzt an einem Samstagmittag an einem Tisch vor dem Cubaocho Museum & Performing Arts Center in der Calle Ocho. Bar, Restaurant, Museum, Kunstzentrum – hier trifft man sich tagsüber, um einen kubanischen Kaffee zu trinken, und abends für die angeblich besten Mojitos in der Stadt. Aus dem Restaurant schallt Salsa-Musik vom Band nach draußen, gleich wird eine Live-Band spielen.
„Donald Trump hat gesagt, dass er nur 100.000 kubanische Stimmen brauche, um Florida erneut für sich zu gewinnen“, sagt Grenier.
Wo Wahlen so knapp gewonnen und verloren werden, spielen auch kleinere Gruppen eine große Rolle. „Die Exilkubaner wissen das und nutzen es zu ihrem Vorteil“, sagt Grenier. „Es verleiht ihnen eine überproportional große Bedeutung.“ Der Soziologe forscht seit vielen Jahren über die politischen Einstellungen der Cuban Americans. Mehr als die Hälfte von ihnen in der Großregion Miami sind als Republikaner registriert, der Rest teilt sich auf zwischen Demokraten und einer wachsenden Zahl, die als „unabhängig“ registriert sind und sich von Wahl zu Wahl neu entscheiden.
Mehr aus dem Leben machen
In seiner jüngsten Studie hat Grenier festgehalten, dass sich – langsam – etwas ändert. Galt seit dem April 1961, als der demokratische Präsident John F. Kennedy Exilkubaner bei ihrem Versuch, Fidel Castro zu stürzen, im Stich ließ – Kennedy brach gegen den Widerstand der CIA die Invasion in der Schweinebucht ab –, dass diese mit großer Mehrheit republikanisch wählen, sehen das viele in der jüngeren Generation nicht mehr so. „Es gibt eine Generationenkluft“, sagt Grenier. Die Unterschiede seien besonders groß zwischen den alten Kubanern, die in den ersten beiden Jahrzehnten nach der Machtübernahme Castros flohen und immer noch keinen Kontakt zu ihrer alten Heimat wollen, und jüngeren, die weniger ideologisch sind und immer mal wieder nach Kuba reisen.
Wie Marilou Rodriguez. Die 26-Jährige kam vor vier Jahren aus Havanna in die USA. Für sie war es weniger die Flucht vor einem unterdrückerischen Regime als der Wunsch, mehr aus ihrem Leben zu machen. „Ich bin gegangen, weil ich erwachsen geworden bin“, sagt Rodriguez. „Kuba ist ein schöner Platz, um aufzuwachsen, aber es gibt da keine Perspektiven für uns.“ Sie sicherte sich ein Stipendium an der Universität in New York, um Drehbuchautorin zu werden. Heute arbeitet sie an der Bar des Hotels „La Flora“ in Miami Beach, daneben als DJ – und in ihrer Freizeit verfasst sie Theaterstücke. „Ich bin immer beschäftigt“, sagt sie, bevor sie die nächste Bestellung aufnimmt.
Schwer zu kalkulieren
Wie die meisten Migranten aus Kuba lebte Rodriguez eine Weile in Little Havana und zog dann weiter. „Allzu viele Kubaner leben da gar nicht mehr.“ Sich selbst bezeichnet sie zwar als politischen Menschen, aber in Kuba habe es keinen Sinn gehabt, wählen zu gehen. Darum sei sie auch hier nicht besonders an Politik interessiert, mit dem aufziehenden Wahlkampf hat sie sich noch nicht näher beschäftigt. Dabei darf Marilou Rodriguez wählen: Sie hat inzwischen eine Aufenthaltsgenehmigung, die erhalten Kubaner, wenn sie mindestens ein Jahr und einen Tag lang in den USA leben. Nach fünf Jahren können sie dann die Staatsbürgerschaft bekommen.
Für die Demokraten sind junge Cuban Americans wie Marilou Rodriguez schwer zu kalkulieren. Gehen sie überhaupt wählen oder sind sie zu beschäftigt mit ihrem neuen Leben? Und wenn ja: Wen wählen sie?
Die Republikaner haben es da leichter. Würde man im auch als „Domino Park“ bekannten Maximo Gomez Park auf der Calle Ocho die in ihr Spiel vertieften Kubaner nach ihren Wahlabsichten fragen, wäre das Ergebnis wohl eindeutig. „Hier werden Sie kaum jemanden finden, der für die Demokraten stimmt“, sagt Tourguide Danny Vaisman, der jeden Tag Dutzende Touristen durch die Calle Ocho führt. Kein Wunder: Wer hier spielen will, muss mindestens 55 Jahre alt sein. Das verkündet ein Schild neben dem Kiosk, an dem die Spieler ihre Dominosteine bekommen. „Die Alten wählen immer“, sagt Soziologe Grenier. Die Republikaner seien sich dessen bewusst. „An Wahltagen fahren sie zu den Seniorenheimen hier in der Gegend, um die Alten abzuholen und zu den Urnen zu bringen. Die Demokraten sind bescheuert, dass sie das nicht machen.“
„Wir mussten wieder ganz von vorne anfangen“
Wie treu die republikanischen Wähler sind, sieht man an den Bellos. Die Familie, die ihr Zigarrenunternehmen in der fünften Generation betreibt, hält fest zusammen. Pedro Bellos Großvater gründete die Firma in Kuba, sein Sohn Peter Bello ist heute für den Tabakanbau zuständig, dessen ältester Sohn wiederum für die Verkaufsläden. „Natürlich sind wir alle Republikaner“, sagt der 62-Jährige. Seine Familie war direkt von dem Putsch gegen den kubanischen Diktator Fulgencio Batista betroffen. Der neue sozialistische Staat, den die Brüder Castro errichteten, enteignete nicht nur US-Firmen und Bürger, sondern auch wohlhabende Kubaner. Viele landeten im Gefängnis. Pedro Bello traf es 1959, 20 Jahre war er ein Gefangener des Regimes. Seine Familie floh in der Zeit nach Amerika, der Vater kam später nach.
„Wir mussten wieder ganz von vorne anfangen, es war hart“, sagt Peter Bello. Dass die USA sie aufnahmen, ihn studieren und frei leben ließen, werde er nie vergessen. „Ich liebe dieses Land, ich bin ein hundertprozentiger Amerikaner.“ Und dennoch: Auf seinen linken Oberarm hat Peter Bello das Wort „Cuba“ eintätowiert.
Peter Bello verteidigt Trumps Politik energisch, auch wenn er sagt, dass die Rhetorik nicht immer in Ordnung sei. „Er sollte öfter mal die Klappe halten.“ Aber der Präsident habe die Wirtschaft in Schwung gebracht, Steuern gesenkt, er habe dafür gesorgt, dass Amerika in der Welt wieder respektiert werde, und tue endlich etwas gegen China und die illegale Einwanderung.
An Trump mag er eigentlich alles
Für Peter Bello ist die Sache ganz einfach. „Trump sichert die Grenze“ – zu Mexiko – „und zwingt damit die Migranten, den legalen Weg einzuschlagen. Das ist nur fair, wir mussten uns das auch verdienen!“ Er selbst habe in zwei Jobs gleichzeitig gearbeitet, um sich das College zu finanzieren.
Auch habe Trump, der ja gar kein Politiker sei, immer gesagt, was er tue. „Ließen die ihn mal arbeiten, würde er noch so viel mehr erreichen können“, sagt er mit Blick auf Versuche der Demokraten, dem Präsidenten Fehlverhalten nachzuweisen. Dass die Opposition ein Amtsenthebungsverfahren einleiten will, findet er skandalös. Würden seine Frau oder seine Kinder aber anders wählen wollen, so betont er, könnten sie das natürlich. „Ich will nur, dass sie glücklich sind. Und frei.“
Mit politisch andersdenkenden Familienmitgliedern muss Fidel Asis Lopez zurechtkommen. Der 60-jährige Besitzer der Kleidermarke „The Havana Collection“ auf der Calle Ocho zählt noch zu denen, die den US-Demokraten nicht verzeihen können, dass sie die Exilkubaner 1961 alleinließen. Lopez kam 1960 mit einem Jahr nach Amerika, zurück ging er nie. „Das werde ich auch nicht machen, solange diese Regierung an der Macht ist.“ Sein Onkel habe 32 Jahre lang im Gefängnis gesessen. An Trump möge er eigentlich alles. Seine Frau Ileana und sein Sohn sehen das anders. Aus ihnen sind Demokraten geworden, Ileana Lopez lehnt Trump vor allem wegen seines Benehmens ab. Nur als ihr Mann sagt, dass niemand ins Land kommen solle, der hier keinen kenne, der ihn unterstütze, nickt Ileana Lopez heftig.