zum Hauptinhalt
Am Morgen des Erscheinens war Michael Wolffs Buch vielerorts in Washington wie hier in der bekannten Buchhandlung „Kramerbooks & Afterwords“ bereits ausverkauft.
© Pablo Martinez Monsivais/ dpa

Michael Wolff: Wie glaubwürdig ist der Autor des Trump-Buchs?

Tatsachen, Zitate und Tratsch als bunter Mix: Mit der Wahrheit nimmt Michael Wolff nicht so genau. Er ähnelt Donald Trump vielleicht mehr, als ihm lieb ist.

Michael Wolff zögert. Er setzt zu einer Antwort an, bricht ab, versucht es neu. Das ist ungewöhnlich für einen erfahrenen Medienprofi, der für seine scharfe Zunge bekannt ist. Aber ungewöhnlich ist auch die Situation, in der er sich wiederfindet. Der 64-Jährige hat mit seinem Buch „Fire and Fury“, in dem er Donald Trump als quasi geistig umnachtet beschreibt, dessen Präsidentschaft erschüttert, manche Beobachter reden schon von Amtsenthebung. Fast genauso viele reden allerdings über Wolff und dessen Glaubwürdigkeit. Was kann man einem Klatschkolumnisten abkaufen, der schon häufiger mit einem eher entspannten Verhältnis zur Wahrheit aufgefallen ist?

Das will auch Chuck Todd jetzt wissen, Moderator beim Fernsehsender NBC, der Wolff zu der einflussreichen Sendung „Meet the Press“ am Sonntagmorgen eingeladen hat. Es ist der Tag nach dem Erscheinen des Buches, das ein völlig dysfunktionales Weißes Haus und einen narzisstischen Präsidenten zum Thema hat und unter anderem Vorwürfe der Geldwäsche an Trumps Familie enthält. In schwarzem Jackett und mit schwarzer Hornbrille auf seinem kahlen Schädel gibt Wolff in Todds Studio den unbeteiligten Beobachter und Protokollanten. Er beschreibt sich als jemand, der im Weißen Haus einfach auf dem Sofa saß und zuhörte, was um ihn herum erzählt wurde.

Er verletzt die Regeln, um zu gewinnen

Doch ist es so einfach? Warum dann ringt Wolff bei Todd manchmal um eine klare Antwort? Etwa bei der Frage, wie oft er denn mit Trump selbst gesprochen habe – der Präsident selbst hatte erklärt, nie mit Wolff geredet zu haben. Doch, da da habe es „Momente“ mit dem Präsidenten gegeben, sagt der Autor ausweichend. Trump habe die Zusammentreffen auf den Korridoren des Weißen Hauses jedoch vermutlich nicht als Interviews betrachtet.

Je mehr über Wolff, seine Arbeit im Weißen Haus und seine Methoden bekannt wird, desto stärker wird der Eindruck, dass der Autor mehr mit Trump gemeinsam hat, als ihm vielleicht recht ist. „Im Grund ist Wolff der Trump des Journalismus“, schreibt der US-Journalisten-Kollege Gabriel Sherman. „Er verletzt die Regeln und die Normen, um zu gewinnen.“ Wolff und Trump, meint Sherman, passen „perfekt“ zusammen.

So wie Trump manchmal Dinge einfach erfindet, angefangen beim angeblichen Zuschauerrekord bei seiner Amtseinführung in Washington vor einem Jahr, sieht sich Wolff dem Vorwurf ausgesetzt, sich Szenen oder Gespräche hin und wieder eher auszumalen, als sie journalistisch korrekt darzustellen. Aber wie bei Trump wird niemand über Wolff sagen, er sei langweilig.

Geistig umnachtet: Finden selbst Trumps Berater

„Fire and Fury“ zeichnet das Bild eines von internen Machtkämpfen gelähmten Weißen Hauses unter einem Präsidenten, der keine Ahnung von den Staatsgeschäften hat. Besonders Trumps Ex-Berater Stephen Bannon kommt bei Wolff mit ätzender Kritik an Trump, dessen Sohn Don Jr. sowie Tochter Ivanka und deren Ehemann Jared Kushner zu Wort. Trump sagt, Bannon habe den Verstand verloren. Wolff meint dagegen, der Ex-Berater sei besorgt wegen des Einflusses der Familie auf den Präsidenten, der im Amt hoffnungslos überfordert sei. Trump werde die Präsidentschaft „gegen die Wand fahren“, sagt der Buchautor. Gespräche über eine Entfernung Trumps aus dem Amt wegen geistiger Unfähigkeit seien selbst bei Beratern im Weißen Haus an der Tagesordnung.

Einige von Wolffs Gesprächspartnern bestreiten allerdings heftig, die ihnen zugeschriebenen Kommentare über Trump abgegeben zu haben. So soll Tom Barrack, ein Geschäftsmann und enger Freund des Präsidenten, den Staatsschef laut Wolff nicht nur als „verrückt“, sondern auch als „dumm“ bezeichnet haben. Barrack erklärte, er habe alle Interviewanfragen von Wolff abgelehnt und nie mit ihm gesprochen. Außerdem: „So spreche ich nicht“, sagte Barrack dem Wirtschaftsmagazin „Fortune“.

Geschrieben "in Trump'scher Manier"

Während Wolff bei Todd im Studio sitzt, veröffentlicht auch Bannon unerwarteterweise eine Richtigstellung: Seine Kritik sei gegen Trumps ehemaligen Wahlkampfmanager Paul Manafort gerichtet gewesen, nicht gegen den Präsidentensohn. Ob der rechtspopulistische Aktivist Bannon sein Mea Culpa ernst meint, ist nicht sicher. Schließlich hatte er mit seinen Äußerungen in Wolffs Buch seine wichtigsten Geldgeber für seine politische Arbeit, die Milliardärsfamilie Mercer, vergrätzt.

Wolff ist bekannt dafür, dass er Dinge ausplaudert, die ihm mächtige Leute beim Lunch oder bei einem Drink unter dem Siegel der Verschwiegenheit gesagt haben. Im Vorwort seines Buches räumt er selbst ein, einige der von ihm beschriebenen Ereignisse im Weißen Haus widersprächen „in Trump’scher Manier“ der Wirklichkeit. Kritiker werfen Wolff vor, selbst Anekdoten und Zitate erfunden zu haben. „Das Buch spricht für sich selbst“, antwortet er.

Sind es damit „Fake News“? In der Ära Trump ist die Antwort darauf kompliziert. Schließlich ist es Trumps Regierung, die „alternative Fakten“ als Begriff für eine glatte Lüge eingeführt hat. Trump war vor seinem Einzug ins Weiße Haus nicht nur Unternehmer, sondern auch Fernsehstar – und auch Wolff ist womöglich mehr Entertainer als Berichterstatter.

Selbst die Mitarbeiter im Weißen Haus lügen

Mit Zustimmung und Komplimenten hat Michael Wolff sich seinen Zugang erkauft.
Mit Zustimmung und Komplimenten hat Michael Wolff sich seinen Zugang erkauft.
© Sonia Moskowitz/Imago/Zuma Press

Sein Talent besteht darin, Gerüchte, Klatsch, Tatsachen und echte Zitate zu einer Mischung zu verrühren, die aber nicht unbedingt der Wahrheit entspricht. Das macht ihn zum idealen Chronisten der Trump-Präsidentschaft, findet Jeet Heer vom linksliberalen Magazin „New Republic“. Ein Präsident, der es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt, verdient einen Biographen, der es ebenso hält. Zumal nicht nur der Präsident lügt, wenn es ihm geboten erscheint. Auch seine Mitarbeiter tun es, schreibt Heer.

Vor zwei Jahren, als Trumps Leute dem zeitweiligen innerparteilichen Rivalen und Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, schaden wollten, erzählten sie den Journalisten, Trump habe den beleibten Christie wie einen Laufburschen zum Hamburger-Holen zu McDonald's geschickt. Später gab Trumps – inzwischen entlassener – Berater Sam Nunberg zu, die Sache erfunden zu haben.

Derselbe Nunberg wird nun von Wolff mit den Worten zitiert, Trump sei ein „Idiot“, der bei einem Vortrag über die amerikanische Verfassung vor Langeweile einschläft. Stimmt alles, muss Nunberg zugeben. Wie bei Wolff üblich, sprach er mit Nunberg nicht in einem formellen Interview, sondern mal hier, mal da, beim Essen und zwischendurch. Viele, die Wolff im Weißen Haus über den Weg liefen, wussten wohl nicht, dass ihre Äußerungen eines Tages in einem Buch auftauchen würden.

"Das habe ich so nie gesagt"

Wie Trump, der in New York zum Immobilienmogul aufstieg, machte sich Wolff in Manhattan einen Namen. Als Sohn eines Werbefachmanns und einer Journalistin in New Jersey bei New York geboren, erhielt er zweimal den National Magazine Award. Berühmt-berüchtigt wurde Wolff als Verfasser einer Kolumne im „New York Magazine“ , in der er über Kollegen und Promis herzog. Schon nach Veröffentlichung seines Buches „Burn Rate“ über die Dotcom-Blase der späten 1990er Jahre beschwerten sich etliche der von Wolff zitierten Leute, ihre Äußerungen seien falsch wiedergegeben worden. Bei einer späteren Biografie des Medienmoguls Rupert Murdoch war es genauso.

Wolff sagt, bei „Fire and Fury“ sei alles mit rechten Dingen zugegangen, das Weiße Haus habe seine Recherche genehmigt. Das stimmt wohl insoweit, als dass angesichts der Sicherheitsvorkehrungen im Amtssitz an der Pennsylvania Avenue in Washington niemand ohne Erlaubnis monatelang in den Korridoren des Präsidialamtes herumlaufen kann.

Wolff sei sehr häufig von Bannon ins Weiße Haus eingeladen worden, sagt Trump. Der damalige Präsidentenberater residierte in einem Zimmer in der Nähe des Oval Office – dieses Büro diente Wolff offenbar als Standort für seine Streifzüge durch das Gebäude, bei denen er sich nach eigenen Angaben auf eine Erlaubnis von ganz oben stützen konnte. Der Autor beschreibt eine Begegnung mit Trump ganz zu Anfang seiner Zeit im Weißen Haus: Er habe dem Präsidenten von dem Buchprojekt erzählt, worauf sich dieser recht abfällig über Bücher an sich geäußert habe – aber das Vorhaben abnickte. Von diesem Zeitpunkt an habe er sich stets auf Trump berufen können, wenn er mit jemandem im Präsidialamt reden wollte, berichtet Wolff.

Chaos im Oval Office: Da fiel Wolff nicht weiter auf

Diese Schilderung mag angesichts der Abschirmung des Präsidenten durch den Secret Service unglaubwürdig erscheinen. Doch insbesondere in den ersten Chaos-Wochen der Trump-Präsidentschaft liefen auch nach Angaben anderer Beobachter so viele Leute durchs Weiße Haus und schnurstracks ins Oval Office, dass Wolff möglicherweise nicht groß auffiel.

Warum die Regierung aber ausgerechnet einen Klatschkolumnisten mit einem Hang zu phantasievollen Ausschmückungen ins Allerheiligste der Macht gelassen hat, gehört zu den vielen Fragen, auf die es derzeit keine Antwort gibt. Er sei nicht überrascht darüber, dass Wolff ein „unterhaltsames Buch“ geschrieben habe, sagte Graydon Carter, Wolffs früherer Chef bei „Vanity Fair“, der „New York Times“. Vielmehr über die Tatsache, dass man Wolff überhaupt geöffnet habe. „Ich habe einfach angeklopft und gefragt, ob sie mich reinlassen“, sagt Wolff im NBC-Interview.

Auffällig häufig jedoch soll er vor seiner Zeit im Weißen Haus in seinen Artikeln die Trump-Mannschaft gegen die Vorwürfe der Presse in Schutz genommen haben. Mit diesen Beiträgen erkaufte sich Wolff möglicherweise den Zugang zu einer Regierung, die nicht mit einer negativen Enthüllungsstory von ihm rechnete.

Einmal in der Machtzentrale angekommen, machte sich Wolff so unsichtbar wie möglich – sein Ziel sei es gewesen, gewissermaßen nur als Möbelstück wahrgenommen zu werden, sagt er. Wolff bestreitet nicht, dass er Trump und andere umschmeichelt hat, um auf seinem Sofa bleiben zu können. „Ich habe nichts gesagt, was mir den Rausschmiss eingebracht hätte.“ Der Präsident habe ihn bei der ersten Begegnung als „den Besten“ gelobt, und er selbst habe sich für die Komplimente sicher mit netten Bemerkungen über den Präsidenten bedankt, sagt Wolff.

"Völliger Versager" versus "Genie"

Unterdessen gerät im Hype um „Fire and Fury“ etwas anderes aus dem Blick. Dass mehr oder weniger glaubwürdige Zeitzeugen peinliche Interna über die Regierung verbreiten, ist bisher noch jedem Präsidenten so gegangen, schreibt Peter Baker, Chefreporter der „New York Times“ in Washington. Auch einige von Trumps Vorgängern hätten sich über unangenehme Enthüllungen aufgeregt und sich von früheren Beratern übergangen gefühlt. Klatsch und Tratsch gibt es immer – der entscheidende Unterschied besteht darin, wie der jeweilige Mann im Weißen Haus damit umgeht. George W. Bush zum Beispiel blieb ruhig, Trump nicht.

Wolff sei ein „völliger Versager“ und ein „völlig diskreditierter Autor“, der ein „Fake Book“ geschrieben habe, schimpft der Präsident auf Twitter. Den in „Fire and Fury“ erhobenen Vorwurf, er habe nicht mehr alle Tassen im Schrank, beantwortet Trump mit dem Hinweis, er sei erwiesenermaßen ein Genie.

Wenn der 45. Präsident der Vereinigten Staaten sich jedes Mal so echauffiert, wenn ein neues Buch über ihn erscheint, dann wird er in den kommenden Monaten und Jahren aus den Wutausbrüchen nicht mehr herauskommen. In seinen ersten Monaten im Amt hat Trump so viele Mitarbeiter verbraucht und sich so viele Feinde gemacht, dass es genügend Leute gibt, die ihm etwas heimzahlen, Geld verdienen oder einfach nur ihre Version der Ereignisse in die Öffentlichkeit bringen wollen.

Die nächste Bombe in Buchform kündige sich schon an, schreibt Baker. James Comey, der von Trump als Chef der Bundespolizei FBI wegen der Russland-Ermittlungen seiner Behörde gefeuert wurde, schließt derzeit ein Buchprojekt ab. Arbeitstitel: „Eine höhere Loyalität: Wahrheit, Lügen und Führung“.

Zur Startseite