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Ein Käufer des Enthüllungsbuchs in Washington, D.C.
© AFP/Andrew Caballero-Reynolds

Buch über Donald Trump: Tag eins von "Fire and Fury"

Das Skandalbuch über den US-Präsidenten ist heute erschienen - und war vielerorts sofort ausverkauft. Die Drohungen Trumps gegen Autor und Verlag hatten die Veröffentlichung beschleunigt.

Noch vor einer Woche war Donald Trump zufrieden mit sich und der Welt. Der US-Präsident hatte seine ersten Monate im Amt mit einer großen Steuerreform gekrönt, das Verfassungsgericht hatte seinen Muslim-Bann bestätigt, und das von ihm gehasste Regime im Iran geriet durch Straßenproteste unter Druck. Doch dann kam Michael Wolff. Dessen Buch „Fire and Fury“, das am Freitag in die Läden kam und vielerorts sofort ausverkauft war, stürzt die Trump-Regierung in eine neue Krise. Der verzweifelte Versuch des US-Präsidenten, das Buch verbieten zu lassen, verstärkt die Zweifel an seiner Eignung für das höchste Staatsamt noch weiter.

Auf Twitter zeigte sich Michael Wolff dankbar für Trumps Hilfe, das Buch zu einem Bestseller zu machen. Nachdem der Präsident über seinen Anwalt mit einem Verbot des Buches gedroht hatte, zog Wolffs Verlag das Erscheinungsdatum vom kommenden Dienstag auf Freitag vor – und verhalf „Fire and Fury“ damit zu noch mehr Prominenz.

Schlangen trotz eisiger Kälte

In der Buchhandlung „Kramer’s“ in Washington drängten sich trotz eisiger Kälte bereits in der Nacht zum Freitag die Kunden, um sich beim Verkaufsstart um 24 Uhr Ortszeit ein Exemplar zu sichern. Innerhalb von 20 Minuten war das 300-Seiten-Werk ausverkauft. Beim Online-Riesen Amazon ist „Fire and Fury“ ebenfalls vergriffen und als gedruckte Ausgabe erst Ende Januar wieder zu haben.

„Fire und Fury“ zeichnet das Bild eines egozentrischen Präsidenten und einer chaotischen Regierung. Es enthält zudem schwere Vorwürfe von Ex-Berater Stephen Bannon gegen Trumps Familie. Das Weiße Haus weist Wolffs Darstellungen des Regierungsalltags zurück. Die Verbotsdrohung des Präsidenten ist unerhört in einem Land, das sich selbst gerne als Hort der Meinungsfreiheit feiert und das andere Nationen regelmäßig wegen Einschränkungen der Grundrechte ermahnt.

Beobachter sehen einen neuen Tiefpunkt in der Geschichte des US-Präsidentenamtes erreicht. Douglas Brinkley, ein auf die US-Präsidenten spezialisierter Historiker, verglich Trump im Gespräch mit der „Washington Post“ mit Richard Nixon, der Anfang der 1970er Jahre das Amt des Staatschefs auf ähnliche Weise zur Verfolgung von Gegnern missbraucht habe. Der Nachrichtensender CNN kommentierte, Trump reagiere deshalb so gereizt auf das Buch, weil Wolffs Beschreibung am sorgsam geflegten Macher-Image des Präsidenten kratze.

"Voller Lügen"

Schon während seiner Karriere als Immobilienunternehmer hatte der heute 71-jährige Trump mehrmals mit Klageandrohungen gearbeitet, um seinen Willen durchzusetzen. Seit seinem Wahlsieg im November 2016 hat er mit rechtlichen Schritten gegen die „New York Times“ und gegen Frauen gedroht, die ihm sexuelle Übergriffe vorwarfen. Geschehen ist jedoch nichts.

Das könnte auch diesmal so sein. Vor dem Richter hätte Trump gegen Wolffs Buch kaum Chancen auf Erfolg. Der Beweis der üblen Nachrede ist laut Einschätzung von Experten vor US-Gerichten sehr schwer zu führen, besonders von einem so hochrangigen Politiker, von dem erwartet wird, dass er viel Kritik hinnimmt. Wolff betonte im Sender NBC, er habe Aufzeichnungen und Tonaufnahmen seiner Recherchen im Weißen Haus. Bannon, der in Wolffs Buch gegen Trumps Familie wegen Landesverrats und Geldwäsche vom Leder zieht, hat die von dem Autor zitierten Äußerungen nicht dementiert.

Auf Twitter schimpfte Trump dennoch, das Buch sei „voller Lügen“. Er drohte Wolff und Bannon mit Konsequenzen: Die Amerikaner würden sehen, was dem Autor und dem Ex-Berater passiere. Wolff betonte im NBC-Interview, Trumps Kritik helfe ihm gleich doppelt: Der Präsident kurbele die Verkaufszahlen an und bestätige gleichzeitig die in dem Buch beschriebenen Charakterzüge des Staatsoberhauptes. Trump sei völlig unglaubwürdig. Für die Mitarbeiter Trumps sei der Staatschef „wie ein Kind“, dem es nur um sich selbst gehe. „Dieser Mann liest nichts und hört nicht zu.“

Obwohl in US-Medien kritisiert wird, Wolff seien bei seiner Beschreibung der Zustände im Weißen Haus einige Fehler unterlaufen, herrschte am Freitag weitgehend Konsens darüber, dass der Autor die Verhältnisse in der Regierungszentrale im Großen und Ganzen korrekt dargestellt hat. Viele Gesprächspartner im Weißen Haus hätten in den vergangenen Monaten unter dem Siegel der Vertraulichkeit über Dinge gesprochen, die jetzt von Wolff ans Tageslicht gebracht worden seien, berichtete die Nachrichten-Website Axios. Dazu gehörten das Desinteresse des Präsidenten an Sachthemen, seine Selbstverliebtheit und seine außenpolitische Unkenntnis. Laut Axios spielen mehr als ein halbes Dutzend erfahrene Mitarbeiter des Weißen Hauses mit dem Gedanken, den Dienst zu quittieren.

Auch Bannon unter Druck

Schon vor „Fire and Fury“ hatte es bei Trump-Kritikern erhebliche Zweifel an der Eignung des Geschäftsmannes für das Präsidentenamt gegeben. Mehrere Medien meldeten, eine Gruppe von Parlamentariern habe Anfang Dezember eine Psychologin der Universität Yale zu Trumps Geistesverfassung befragt. Die Expertin sagte demnach, der Präsident sei „instabil“. Die Verfassung ermöglicht die Amtsenthebung eines Präsidenten aus medizinischen Gründen, doch ist dies bei Trump sehr unwahrscheinlich, weil der Vizepräsident und das Kabinett eine solche Entscheidung fällen müssten.

Nicht nur Trump gerät wegen des Buches unter neuen Druck. Auch die politische Zukunft seines rechtspopulistischen Ex-Beraters Bannon ist unsicher geworden. Die Milliardärsfamilie Mercer, die Bannons Attacke auf das politische Establishment in Washington lange finanziell unterstützt hatte, sagte sich von dem 64-Jährigen los. Nach einem Bericht des „Wall Street Journals“ gibt es Bestrebungen in der rechtsgerichteten Online-Plattform Breitbart News, den derzeitigen Chef Bannon loszuwerden. Die Nachrichtenagentur Reuters zitierte den populistischen Internet-Aktivisten Mike Cernovich mit den Worten, die rechtsgerichtete Wählerbasis in den USA werde sich auf die Seite Trumps schlagen und nicht für Bannon Partei ergreifen.

Im beginnenden Wahlkampf vor den Kongresswahlen im November könnten deshalb nun wieder gemäßigte Kandidaten der Republikaner die Oberhand gewinnen. Bannon hatte angekündigt, bei den Wahlen viele Rechtspopulisten ins Parlament zu bringen, um auf diese Weise die moderaten Kräfte bei den Republikanern zu schwächen. Dieses Vorhaben scheint jetzt gefährdet, politische Gegner Bannons in der Parteiführung der Republikaner fühlen sich durch die Ereignisse gestärkt.

Neues in der Russland-Affäre

Noch während das ganze Land über Wolffs Buch spricht, zeichnen sich auch neue Schwierigkeiten für Trump in der Russland-Affäre ab. Die „New York Times“ meldet, es gebe neue Hinweise darauf, dass sich der Präsident der Justizbehinderung schuldig gemacht haben könnte. Demnach versuchte Trump im vergangenen Frühjahr, seinen Justizminister Jeff Sessions daran zu hindern, sich bei den Russland-Ermittlungen für befangen zu erklären. Als Trump von Sessions Entschluss erfahren habe, sei er sehr wütend geworden und habe gesagt, er brauche den Schutz des Justizministers, berichtete die „Times“. Kurz darauf entließ Trump den damaligen Chef der Bundespolizei FBI, James Comey, der wegen des Verdachts einer Zusammenarbeit zwischen Trumps Wahlkampfteam und Russland bei Manipulationen der US-Wahl ermittelte.

Comeys Entlassung löste die Einsetzung von Russland-Sonderermittler Robert Mueller aus, der laut „New York Times“ inzwischen eine ganze Reihe von Hinweisen auf Justizbehinderung durch Trump gesammelt hat.

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