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Seit der Festnahme ihres Bruders vor mehr als 50 Tagen ist Ilkay Yücel im Stress
© Andreas Arnold/dpa

Journalist in türkischer Haft: Wie Familie und Freunde um Deniz Yücel kämpfen

"Er sieht gut aus, Mama", sagt Ilkay Yücel. "Viel besser als beim ersten Mal." Gerade hat sie ihren Bruder Deniz im Gefängnis bei Istanbul sehen können. Ein Besuch in der Heimat, bei Familie und Freunden. Unser Blendle-Tipp.

Und wenn sie Deniz irgendwann gehen lassen, wenn er endlich raus darf aus dem Gefängnis und auch aus dem Land, wenn er ins nächste Flugzeug steigt und zu guter Letzt wieder im elterlichen Wohnzimmer vor der grauen Fernsehcouch steht, was machen sie dann als Erstes? Wild feiern? Esma Yücel, 74, stutzt. Lächelt mild. Na, das Erste, was sie dann mache, sei: ihrem Sohn verklickern, dass sie ihn nicht mehr gehen lasse und er seinen Beruf bitte künftig in Deutschland ausüben soll.

In einer Wohnung im hessischen Flörsheim, keine zehn Kilometer südwestlich von Frankfurt, liegt ein Stapel zusammengeschnürter Zeitungen neben der Balkontür auf dem Boden. Jeden Tag kauft sich Esma Yücel eine „Welt“ und eine „taz“, um nachzusehen, ob Neues über Deniz drinsteht. Der Stapel ist inzwischen fast kniehoch. Dazu die Fernsehnachrichten im Stundentakt. Die Yücels schalten nur deutsche Sender ein. Der einzige türkischsprachige, der noch unabhängig berichte, werde in Flörsheim nicht ins Kabelnetz eingespeist.

Das halbe Land nimmt Anteil

Seit mehr als 50 Tagen befindet sich ihr Sohn Deniz Yücel, 43, in türkischer Untersuchungshaft. Im Hochsicherheitsgefängnis Silivri nahe Istanbul sitzt er in einer Sechs-Quadratmeter-Zelle. Offizieller Vorwurf: Volksverhetzung und Verbreitung von Terrorpropaganda. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass auch nur ein Fünkchen davon wahr sein könnte. Zur Begründung seiner Anschuldigungen hat der zuständige Staatsanwalt lediglich Artikel vorgelegt, die Yücel als Korrespondent für die „Welt“ schrieb. Wie laut der Protest von Deniz’ Unterstützern in Deutschland ist, dass es Autokorsos gibt und Postkartenaktionen und deutliche Politikerworte, ja dass es scheint, als nehme das halbe Land am Schicksal ihres Sohnes Anteil, dies alles bedeute ihr viel, sagt Esma Yücel. Und sie sei dankbar dafür, wie vehement sich die Bundesregierung für ihren Sohn einsetze.

Die Schwester hat ihn im Gefängnis besucht

„Er sieht gut aus, Mama“, sagt Ilkay Yücel, 42, seine Schwester. „Viel besser als beim ersten Mal.“ Gemeinsam mit dem Vater hat sie ihn am Montag im Gefängnis nahe Istanbul besucht. „Der Bart ist ab.“ Und er wirke jetzt wieder zuversichtlich. Einen Tag später durfte ihn auch der deutsche Generalkonsul erstmalig besuchen. Seit der Festnahme des Bruders ist Ilkay Yücel im Dauerstress, hält Kontakt zu den Anwälten, kümmert sich um die Eltern und die eigene Tochter, tritt im Fernsehen auf und bei Soli-Veranstaltungen.

Im Bücherregal der Yücels in Flörsheim steht ein Bild von Deniz mit langen Wuschelhaaren und Zigarette in der Hand. Esma Yücel hat ihrem Sohn einen Brief ins Gefängnis geschrieben, in dem steht, er möge bitte auf seine Gesundheit achten und nicht so viel rauchen. Der Brief wurde ihm bis heute nicht ausgehändigt. Esma Yücel will ihren Sohn bald selbst besuchen. Bislang hat sie sich nicht getraut. Sie fürchtet, sie müsste sofort losweinen, und das würde Deniz ja auch nicht helfen. Sagt sie und weint los.

Aufmüpfig war Deniz schon immer

Die Tochter tröstet. „Deniz lässt sich nicht unterkriegen.“ Das stimmt natürlich, sagt Esma Yücel, er sei schon immer eigenwillig gewesen und auch aufmüpfig und stur, wenn ihm etwas wichtig war. Dann erzählt sie von der Demo, zu der er Anfang der Neunziger als Jugendlicher aufrief, um gegen den drohenden Irakkrieg zu protestieren. Außer Yücel kam niemand. Also stand er alleine auf der Straße mit seinem selbst gebastelten Schild, und die Polizisten amüsierten sich. War ihm egal. Er hat es durchgezogen. Esma Yücel erzählt auch von dem Schulzeugnis...

Den vollständigen Artikel lesen Sie für 45 Cent bei Blendle.

Free Deniz! Free them all! Unter diesem Motto startet an diesem Sonntag ein Autokorso vor dem Kino International in Berlin-Mitte. Treffpunkt ist um 12 Uhr.

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