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Vor dem Olympiastadion.
© imago/Camera 4

Hertha BSC und der 1. FC Union: Wer startet besser in die Saison?

Der Konkurrenzkampf in der Bundesliga wird Hertha und Union helfen – und kann Identität stiften. Aber wer von beiden startet besser in die Saison?

Dauerbaustellen, bröckelnde Schulgebäude, zwei Stunden Wartezeit für einen Gemüsedöner: Was in Berlin als normal durchgeht, stellt anderswo einen Ausnahmezustand dar. In Sachen Fußball allerdings ist der neue Berliner Ausnahmezustand, der ab dem Freitagabend mit dem Start in die Bundesliga-Saison 2019/20 gilt, in den meisten Metropolen Alltag.

Rom hat zwei Erstligisten, Stockholm drei. Madrid, Rio de Janeiro und Johannesburg haben vier, Istanbul fünf, London sogar sechs. Im Großraum Buenos Aires sind zwölf der 24 argentinischen Erstligisten beheimatet. Und auch in der Bundesliga waren schon Städte doppelt vertreten, mit Vereinen aus München, Hamburg, Köln, Stuttgart und sogar aus Bochum.

Also warum fühlt sich die neue erstklassige Zweigleisigkeit Berlins dann so besonders an?

Vor allem, weil sich mit dem Aufstieg des 1. FC Union eine Realität der Stadt nun auch in der Bundesliga widerspiegelt. Anders als viele Großstädte hat Berlin viele Zentren, der Spitzenfußball in der Stadt jedoch kreiste in den vergangenen Jahrzehnten fast ausschließlich um Hertha. Damit war der Fußball ein Sonderfall: Berlin hat zwei zoologische Gärten, drei Opernhäuser, etliche kleine und große Theater … ein Bundesligist erscheint da doch recht wenig. Zwei große Klubs zu haben, passt einfach besser zu dieser heterogenen und bisweilen bipolaren Stadt.

Die neue Situation ist eine große Chance

Hertha BSC ist es nie gelungen, eine Anziehungskraft auf alle Berliner zu entwickeln, obwohl es der Klub immer wieder – meist eher ungelenk – versucht hat. Der 1. FC Union hat es bislang vorgezogen, sich als Außenseiter in seiner Köpenicker Nische zu positionieren, attraktiv für Briten, aber nicht unbedingt für Britzer. Neu-Berliner hielten nach ihrem Herzug oft eher ihren Heimatklubs aus Gelsenkirchen, Schwaben oder Spanien die Treue. In dieser Hinsicht können beide Vereine, Hertha und Union, die neue Situation als große Chance begreifen: Der Konkurrenzkampf, die beiden direkten Derbys – all das kann identitätsstiftend wirken, gerade für Menschen, die bislang nur wenig Kontakt mit einem der beiden Klubs hatten.

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Denn eine dauerhafte, echte Doppelspitze im Berliner Fußball hat es noch nie gegeben: Im Osten dominierte sportlich der BFC Dynamo, im Westen konnten sich Tennis Borussia, Tasmania und Blau-Weiß 90 in der ersten Liga nicht etablieren. Als TeBe 1974 zu Hertha aufstieg und erstmalig zwei Berliner Vereine in der Bundesliga spielten, interessierte das kaum jemanden. Damals, im August vor 45 Jahren, schrieb der Tagesspiegel zum Saisonstart nüchtern über die wackelnde Abwehrmauer von Hertha im Abschlusstraining und die Formschwäche der TeBe-Stürmer. Sechs Wochen zuvor war die deutsche Nationalmannschaft im eigenen Land Weltmeister geworden – von Aufregung oder gar Euphorie war aber nichts zu spüren.

Der Traum vom Profifußball

2019 ist das anders, Fußball ist allgegenwärtig, Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen – und Big Business. Das Spiel zieht Geld und Geschäftemacher an, gerade in Berlin: Nach dem Investor KKR steckt nun Unternehmer Lars Windhorst riesige Summen in Hertha, Union hat einen neuen Hauptsponsor aus der Immobilienbranche, unterklassige Vereine wie Berlin United oder Viktoria 1889 sind bereit, für den Traum vom Profifußball alles aufs Spiel zu setzen. Für Hertha und Union ist die Stadt die perfekte Bühne, Platz für zwei ist hier allemal. Insofern können alle von der neuen Situation profitieren: die Vereine, die Fans und die Stadt, die schon oft bei sportlichen Großereignissen bewiesen hat, wie begeisterungsfähig sie ist.

Und sogar die wirklich Unverbesserlichen, die in Berlin wohnen und trotzdem den FC Bayern anfeuern, haben Grund zur Freude: Der Serienmeister kommt jetzt zwei Mal pro Saison in die Stadt.

Trainer, Mannschaft, Fans und Stadien

Hertha BSC

Im Juni hat Hertha den bislang größten Finanzdeal der Bundesliga-Geschichte abgeschlossen. Für 125 Millionen Euro hat Investor Lars Windhorst 37,5 Prozent an der Hertha BSC KGaA erworben. Das Gesamtvolumen wird sich perspektivisch sogar noch auf 225 Millionen Euro erhöhen. Dann würden Windhorst 49,9 Prozent gehören. Hertha will das Geld nach Angaben von Manager Michael Preetz behutsam verwenden. Das muss auch so sein: Der Verein hatte vor dem Einstieg Windhorsts deutlich mehr Verbindlichkeiten als Vermögen, weil die Ausgaben fast immer die Einnahmen überstiegen haben. Die Verbindlichkeiten beliefen sich auf rund 110 Millionen Euro. Mit einem Teil der Investormillionen will Hertha Teile der Verbindlichkeiten zurückzahlen. Ein anderer Teil soll in die Mannschaft fließen und sich langfristig auszahlen. Hertha peilt an, irgendwann mal wieder einen Platz im europäischen Wettbewerb zu ergattern.

1. FC Union

Die Verantwortlichen um den seit 15 Jahren präsidierenden Dirk Zingler können es vermutlich nicht mehr hören, aber sie führen einen ganz besonderen Verein. Der hat fast 30.000 Mitglieder und stand einst im Schatten des Erzrivalen BFC Dynamo. Den alten DDR-Serienmeister hat der 1. FC Union längst abgehängt und sich nach der Wende Schritt für Schritt nach oben gearbeitet. Zwischendurch fehlten zwar immer mal wieder die finanziellen Mittel, aber meist kompensierten sie das in Köpenick mit ein paar schlauen Einfällen. Aktionen wie das Weihnachtssingen festigen den Ruf, ein besonders familiärer Verein zu sein. Einer, der vor dieser Saison darauf verzichtet hat, die Eintrittspreise anzuheben, und gerne stärker romantisiert wird, als ihm das selbst lieb ist. Immerhin stimmt der Kapitaleinsatz ja auch bei Union: Im ersten Bundesliga- Jahr soll der Umsatz von zuletzt 47 auf etwa 80 Millionen Euro steigen.

Hertha-Fans

Nur nach Hause geh’n wir nicht, schon klar. Aber ehrlich: Besser kann man die Hertha-Fans nicht beschreiben. Sie machen immer was los, auch mit 5000 Leuten bei Schneegraupel im Zweitliga-Abstiegskampf (noch nicht so lange her) oder jetzt mit durchschnittlich 50.000 Menschen pro Spiel im immer noch zu weiten Rund. Ja, der Berliner Fußball ist so eckig und kantig wie die Stadt. Wohl deshalb geht es bei Hertha immer genau dann „ab“, wenn es gerade „auf“ gehen soll. Herthas Fankultur geht trotzdem gut auf – denn ungeachtet manch ungelenker Marketingverrenkung des Vereins schafft es nur Hertha, ein wirklich Gesamt-Berliner Fußballklub zu sein.

Die Ostkurve im Olympiastadion.
Die Ostkurve im Olympiastadion.
© dpa

Gegründet vor 127 Jahren in Prenzlauer Berg, erwachsen und zweimal Meister geworden am Gesundbrunnen, fast pleitegegangen im Nirwana West-Berlins, jetzt heimisch in der Ostkurve von Westend und doch wieder auf Heimatsuche. Im Olympiastadion hocken Familien aus dem neuen Pankow neben alten Kuttenträgern aus Neukölln neben Studenten aus Wedding neben Arbeitern aus Brandenburg neben Meckerrentnern aus Steglitz neben Schaulustigen aus aller Fußballwelt (nur Köpenicker fehlen). Wer wissen will, wie Berlin ohne touristische Abziehfolien aussieht, sollte zu Hertha gehen. Und kann manchmal überraschend mitreißende Spiele sehen. Wichtig ist bei Hertha immer nur: Es darf um nichts gehen. Und nicht gerade Rückrunde sein.

Berlins Fußballdiva ist eine Unvollendete. Aber macht das nicht gerade Berliner Schönheit aus? Hertha ist so perfekt unperfekt wie alles hier. Und das lieben die leidensfähigen Fans: Herthinho, das kuschligste Maskottchen. Frank Zander, das berlinischste Musikoriginal. Die Hertha-Fahne, das markanteste Bundesliga-Emblem. Der Dampfer, auf dem der Klub einst ersonnen wurde, natürlich in einer Bierlaune. Und hey, wie heißt der ballverliebte Eisbär im Tierpark? Hertha ist Berlin, ganz selbstverständlich. Warum bloß kapiert Berlin das nicht?

Vielleicht, nach Frank Zanders Vereinshymne, ja deshalb: Alle warten voller Spannung auf das absolute Spiel.

Union-Fans

Die Zeit ist nun gekommen. Nachdem sich die Fans des 1. FC Union im Laufe der vergangenen Saison mit dieser Zeile ihres selbst komponierten Aufstiegssongs erst schüchtern und dann immer enthusiastischer auf die Bundesliga vorbereitet hatten, wird die Prophezeiung nun wahr. Die Zeit ist gekommen, und für viele Mitglieder der zuletzt in rasantem Tempo gewachsenen Union-Familie ging das alles zehn Jahre nach dem Aufstieg in die Zweite Liga wohl dennoch ein bisschen schnell. Bayern statt Sandhausen, Dortmund statt Ingolstadt – das zu realisieren kann schon mal eine Sommerpause lang dauern. Und während das Saisonziel Klassenerhalt – selbstverständlich inklusive der beiden Derbysiege gegen Hertha – Konsens ist, darf sich die Bundesliga auf einen Neuankömmling freuen, dessen Fans der dortigen Konkurrenz schon lange gewachsen sind. Bei Auswärtsspielen stets in großer Zahl vertreten, brennt im Stadion An der Alten Försterei der Baum.

Union-Fans auf dem Weg zur Alten Försterei.
Union-Fans auf dem Weg zur Alten Försterei.
© imago/Sebastian Wells

Der viel zitierte Heimvorteil ist bei Union tatsächlich einer, siehe Relegationsrückspiel gegen den VfB Stuttgart. Fußballerisch unterlegen, standen Mannschaft und Fans Schulter an Schulter, so wie von Nina Hagen in der Vereinshymne besungen. Kaum ein Unioner, der am 27. Mai 2019 nicht völlig entkräftet das Stadion verlassen hatte und überzeugt war, einen kleinen Anteil zum Aufstieg beigetragen zu haben. Dazu passt eine von Fans initiierte Aktion für das Bundesliga-Debüt: Hinterbliebene konnten Bilder verstorbener Unioner in Großformat drucken lassen und bringen diese am Sonntag mit auf die Traversen. Die Botschaft: Auch in historischen Momenten vergisst die Union-Familie ihre Toten nicht.

Diesen Spirit zu erhalten, wird nicht einfach. Vor dem Spiel gegen den bei vielen Unionern verhassten RB Leipzig sorgte die Ankündigung eines 15-minütigen Stimmungsboykotts für Diskussionen, auch Spieler meldeten sich zu Wort. Das Spannungsfeld zwischen Fußballkultur und Kommerzialisierung wird die Unioner in dieser Saison das ein ums andere Mal auf die Probe stellen. Auch dafür ist die Zeit nun gekommen.

Das Olympiastadion

Es ist ein wunderbarer Ort. Das Olympiastadion von 1936, liebevoll modernisiert vor fast 20 Jahren, eignet sich an sommerlichen Tagen fast für einen Kurzurlaub. Für Freunde des Fußballs hat die Arena, die 74 475 Zuschauern Platz bietet, allerdings einen großen Nachteil: Es ist kein Fußballstadion. Die blaue Laufbahn hat zwar Kultcharakter, aber sie hält die Fans von Hertha BSC viel zu weit weg vom Geschehen auf dem grünen Rasen.

Das „Oly“ ist und bleibt ein Tempel für die Leichtathletik, es ist auch ein guter Ort für Open-Air-Konzerte. Aber beim Fußball kommt nur dann so richtig Stimmung auf, wenn die Bude voll ist. Etwa beim DFB-Pokalendspiel, bei Länderspielen oder wenn Bayern oder Dortmund gegen Hertha kicken. Ansonsten muss man sehr nahe bei der Ostkurve sitzen, damit es bei den normalen Ligaspielen mit 40.000 bis 50.000 Fans angemessen laut ist.

Nach Gründung der Bundesliga 1963 hatte Hertha BSC das eigene Stadion im Wedding aufgegeben. Es war viel zu klein und man zog als Hauptmieter des Olympiastadions in den feinen Berliner Westen um. Die Lage am Südrand des Olympiaparks ist konkurrenzlos schön und die Anbindung an U- und S-Bahn könnte nicht besser sein. Kein Wunder, dass der Erstligist zwar bis 2025 ein eigenes Stadion bauen möchte, aber in unmittelbarer Nachbarschaft zur alten Arena. Daraus wird aber nichts. Der Berliner Senat ist nicht bereit, dem Verein ein landeseigenes Grundstück auf dem Olympiagelände zur Verfügung zu stellen.

Stattdessen verweist die rot-rot-grüne Koalition auf den alternativen Standort Tegel, wo nach der Schließung des Flughafens angeblich noch Platz für eine neue Hertha-Arena ist. Momentan deutet allerdings nichts darauf hin, dass solche Ideen realisierbar wären. In keinem Fall bis 2025. Dem Senat wäre es ohnehin am liebsten, wenn Hertha BSC dauerhaft im Olympiastadion bliebe. Aber der Verein, der schon 2008 erfolglos einen Neubau plante, will endlich im Eigenheim Fußball spielen.

Die Alte Försterei

Hertha-Fans blicken mitunter neidvoll nach Köpenick: Das Stadion an der Alten Försterei ist ein reines Fußballstadion, von den Fans mitgebaut und fast immer ausverkauft. Die Fans sind für Union der zwölfte Mann auf dem Rasen, so weit funktioniert die Arena optimal. Nur ist sie leider für einen Zweitligisten gebaut, es fehlt an Sitzplätzen und die 22 000 Plätze könnten bei Spielen gegen Bayern oder Dortmund sicher drei Mal verkauft werden. Dass Union inzwischen mehr Mitglieder hat als Stadionplätze, ist für den Verein nur noch schwer zu vermitteln.

Die Vereinsführung hat schon lange mit dem Aufstieg geliebäugelt. 2017 wurden die Pläne für eine Aufstockung der Tribünen auf 37 000 Plätze vorgestellt, seitdem ist allerdings nichts mehr passiert. Weil der Verein in seiner ersten Bundesligasaison nicht auf einer Baustelle spielen möchte, wurde der Stadionausbau zurückgestellt, eine Baugenehmigung steht ohnehin noch aus. Die kann erst erteilt werden, wenn der Bebauungsplan fertig ist, der wiederum am Verkehrskonzept hängt, der Achillesverse aller Zukunftsplanungen von Union.

Während Hertha im Olympiastadion über einen großzügigen S-Bahnhof verfügt, hat Union nicht mal eine adäquate Tramstation. Fans müssen 20 Minuten oder länger durch den Wald marschieren, um von den S-Bahnhöfen zum Stadion zu gelangen. Das wird in der Fußball-Republik noch für viel Hohn sorgen. Das Problem beim Verkehr: Es gibt keine schnellen Lösungen. Der Bau einer neuen Straße am Stadion ist erst für 2023 terminiert, der S-Bahnhof Köpenick wird 2026 für den Regionalverkehr erweitert. Verein und Bezirk reden nur über temporäre Lösungen: Bus-Shuttle zu den S-Bahnhöfen, zusätzliche Züge, mehr Fahrradbügel. Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) wiegelte Fragen zum Verkehrskonzept jüngst mit dem Hinweis ab, es würden ja nicht plötzlich Tausende Fans zusätzlich ins Stadion strömen. Passen ja gar nicht rein.

Herthas Mannschaft

So viel wie in diesem Sommer hat Hertha BSC noch nie für neue Spieler ausgegeben. Und noch ist der Sommer nicht zu Ende. Der Einstieg von Investor Lars Windhorst im Juni, der 125 Millionen Euro zur Verfügung gestellt hat, eröffnet dem Verein neue Spielräume. Ein Teil des frischen Kapitals ist schon in die Mannschaft geflossen.

Neben dem Innenverteidiger Dedryck Boyata, der ablösefrei von Celtic Glasgow gekommen ist, hat Hertha vergleichsweise teure Spieler gekauft. Allen voran Stürmer Dodi Lukébakio. Herthas neuer Rekordtransfer hat alleine 20 Millionen Euro Ablöse gekostet. Mit den Ausgaben für U-21-Nationalspieler Eduard Löwen (7 Millionen Euro/Nürnberg), Daishawn Redan (2,5 Millionen/FC Chelsea) und Marko Grujic (2,5 Millionen Euro Leihgebühr/FC Liverpool) hat Hertha etwas mehr als 30 Millionen Euro für neues Personal ausgegeben. Dem steht bisher eine Einnahme von knapp 20 Millionen Euro für Valentino Lazaro gegenüber.

Dodi Lukebakio kostete Hertha 20 Millionen Euro.
Dodi Lukebakio kostete Hertha 20 Millionen Euro.
© Daniel Karmann/dpa

Dafür ist Hertha für die Trainerposition im eigenen Nachwuchs fündig geworden. Ante Covic, 43, hatte zuletzt das eigene U-23-Team trainiert. Von einer Billiglösung will Hertha nicht sprechen. Covic wird nun zeigen müssen, dass er erfolgreicher ist als sein Vorgänger Pal Dardai. Der war entlassen worden, weil die Mannschaft perspektivisch erfolgreicher spielen soll als bisher. Ein konkretes Saisonziel hat der Verein jedoch nicht ausgerufen.

Manager Michael Preetz sagte lediglich, dass man besser sein wolle als Platz elf im vergangenen Jahr. Das ist der Mannschaft durchaus zuzutrauen. Ein erstes Indiz, wie gut Hertha in der Saison 2019/2020 wirklich aufgestellt ist, wird es am Freitag geben, wenn die Berliner die Bundesliga-Saison beim Deutschen Meister Bayern München eröffnen. Der dortige Trainer Niko Kovac bescheinigt seinem früheren Klub Hertha „einen ausgewogenen Kader". Kovac glaubt, dass die Mannschaft unter Ante Covic „einen Schritt nach vorn machen wird“.

Vor allem hoffen sie bei Hertha auf eine Entwicklung im spielerischen Bereich und eine attraktive und offensive Spielweise. Doch Preetz weiß: „Es geht auch um Punkte. Diese Balance müssen wir hinbekommen.“

Unions Team

Der Star ist die Mannschaft. Wenn Union den Klassenverbleib schaffen will, muss der Aufsteiger dieses alte Credo mit Leben füllen. Bei elf Neuzugängen ist das keine einfache Aufgabe. Im Moment stehen immer noch 33 Spieler im Aufgebot – das ist vergleichsweise viel. Trainer Urs Fischer wird viel kommunizieren müssen, damit die Bank- und Tribünendrücker keine schlechte Stimmung im Team verbreiten.

Die größten Verlierer der Vorbereitung sind die Aufstiegshelden Florian Hübner und Manuel Schmiedebach. Beide galten in der vergangenen Saison als gesetzt, Hübner in der Innenverteidigung, Schmiedebach im defensiven Mittelfeld. Letzterer hat seinen Stammplatz ausgerechnet an Christian Gentner verloren, der vom Relegationsgegner VfB Stuttgart nach Köpenick wechselte. Gentner gewann schon zweimal die Deutsche Meisterschaft.

Vor allem in der Abwehr ist die Konkurrenz mit dem früheren Dortmunder Neven Subotic und dem aufstrebenden Keven Schlotterbeck groß. Trainer Fischer tendierte außerdem in der vergangenen Saison dazu, auf den defensiven Schlüsselpositionen sein Personal nur notgedrungen auszutauschen. Gesetzt ist Rafal Gikiewicz. Der Aufstiegs-Torwart hat als persönliches Ziel mindestens acht Saisonspiele ohne Gegentor ausgegeben.

Christian Gentner spielte zuvor in Stuttgart.
Christian Gentner spielte zuvor in Stuttgart.
© Matthias Koch/picture alliance/dpa

Auf den vier Offensivpositionen, die vom defensiven Mittelfeld- Duo Gentner und Grischa Prömel unterstützt werden sollen, scheint Fischer auf vier Neue zu setzen. Auf der linken Seite könnte der Ex-Magdeburger Marius Bülter spielen, rechts Sheraldo Becker, der aus Den Haag nach Berlin gekommen ist. Die Rolle des Spielgestalters soll Marcus Ingvartsen übernehmen, den Geschäftsführer Oliver Ruhnert vom KRC Genk verpflichtete. Ingvartsen ist gelernter Stürmer und dürfte seine Position sehr offensiv interpretieren.

Um den Platz in der Spitze im favorisierten 4-2-3-1-System streitet sich Neuzugang Anthony Ujah mit Sebastian Polter und Sebastian Andersson. Das höhere Tempo kann Ujah gehen, im DFB-Pokal in Halberstadt begann aber Andersson. Und Polter? Der galt schon vergangene Saison als exzellenter Joker.

Ante Covic trainiert Hertha

Trainer Ante Covic hat guten Zugang zu den Spielern.
Trainer Ante Covic hat guten Zugang zu den Spielern.
© Foto: Soeren Stache/p-a/dpa

Als Spieler war Ante Covic immer für einen Spruch zu haben. Nur einmal hat es ihm die Sprache verschlagen. Das war 1997, als Ottmar Hitzfeld ihn zu Borussia Dortmund holen wollte. Covic, mit Hertha gerade in die Bundesliga aufgestiegen, wurde nervös, wusste nicht, was er sagen sollte, und schlug das Angebot aus. Der BVB erschien ihm eine Nummer zu groß. In diesem Sommer war das anders. Covic, 43 inzwischen, hat bei Hertha seit 2010 diverse Nachwuchsteams trainiert, aber als ihm angetragen wurde, die Profis anzuleiten, sagte er freudig zu. Er traut sich das zu, und die ersten Wochen deuten darauf hin, dass er seine Fähigkeiten damit nicht überschätzt hat.

Dass Covic immer noch ein bisschen Nachwuchstrainer ist, ist gewollt, weil die aktuelle Fußballergeneration nach Erklärungen giert und nicht nach markigen Sprüchen. Covic ist umgänglich, er erklärt viel – und er fordert seine Spieler im Training mit seinen Übungen auch kognitiv so sehr, dass sie sich manchmal überfordert fühlen. Alles nicht so kompliziert, findet Covic, zumindest, wenn man sich ausreichend konzentriert: „Ich habe auch kein Abitur, trotzdem habe ich’s verstanden.“

Urs Fischer coacht Union

Urs Fischer bringt Ordnung ins Spiel.
Urs Fischer bringt Ordnung ins Spiel.
© Andreas Gora/p-a/dpa

Urs Fischer, 53, gilt als offen, ehrlich, bodenständig und ziemlich unverwüstlich. Der Mann, der jahrelang in seinem Heimatland Schweiz als Spieler und Trainer aktiv war, entpuppte sich als absoluter Glücksfall für Union. Sein strukturierter Defensivstil brachte die Ordnung ins Berliner Spiel zurück, was prompt im Bundesliga-Aufstieg gipfelte. Doch so authentisch, wie sich der langjährige Züricher Verteidiger und frühere Baseler Meistertrainer gibt, ist er gar nicht. Wenn Fischer (mit der typischen Schweizer Färbung) Hochdeutsch spricht, muss er sich jedes Mal verstellen.

„Ich habe einfach Respekt, weil Hochdeutsch für mich eine Fremdsprache ist“, sagte Fischer jüngst in einem Fondue-Interview mit Radioeins – auf Schwyzerdütsch. Der RBB hielt es für ratsam, im Video dazu Untertitel einzublenden. Dass Fischers Spieler ihren Coach trotz Sprachbarrieren verstehen, steht aber außer Frage. Zumal sein Hochdeutsch immer besser werde, „sicherer“, sagte Fischer, der eigentlich immer sicher und souverän wirkt. Auf die in Köpenick längst berühmte Ruhe des Trainers und seinen gesunden Pragmatismus könnte es gerade in schwierigen Phasen ankommen.

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