USA-Russland-Gipfel in Helsinki: Trump und Putin – Macht und Nebel
Ein Gespräch unter vier Augen, ein Auftritt vor der Presse - das Gipfeltreffen ist ein historisches. Der US-Präsident verschiebt Grenzen, der russische lächelt. Eine Reportage aus Helsinki.
Wladimir Putin sieht zufrieden aus. Gerade ist US-Präsident Donald Trump gefragt worden, ob Russland seiner Meinung nach überhaupt zur Verschlechterung der Beziehungen zwischen beiden Ländern beigetragen habe. „Ich halte beide Länder für verantwortlich“, antwortet Trump beim Gipfeltreffen mit Putin in Helsinki. „Ich denke, wir sind alle schuld.“ Schließlich hätten beide Staaten „ein paar Fehler“ gemacht.
Erstmals seit acht Jahren sind die Staatschefs der USA und Russlands gemeinsam vor die Presse getreten. In diesen 45 Minuten am frühen Montagabend sagt keiner von beiden ein kritisches Wort über den anderen.
Das Verhältnis zwischen den USA und Russland sei nie schlechter gewesen, sagt Trump – und fügt ohne Ironie hinzu: „Das hat sich allerdings vor etwa vier Stunden geändert.“ So lange hat er mit Putin im finnischen Präsidentenpalais zusammengesessen und geredet.
Gerade Trump hätte einen Erfolg gebraucht
„Wir werden am Ende eine außergewöhnliche Beziehung haben“, verkündete Trump bereits, als er zum Auftakt des Gipfels neben Putin im Gotischen Saal des Palastes sitzt. „Mit Russland auszukommen ist eine gute Sache, keine schlechte Sache“, sagte er. „Ich denke wirklich, die Welt will sehen, dass wir miteinander auskommen.“ Schließlich gehe es um zwei große Atommächte.
Im Vergleich zu Trump wirkt Putin geradezu distanziert: Die Zeit sei gekommen, die Beziehungen zwischen ihren Ländern und „wunde Punkte“ aus der ganzen Welt zu diskutieren, sagt der russische Präsident.
Beide Länder wollen künftig bei der Rüstungskontrolle und in Syrien zusammenarbeiten. Am Ende fahren die Präsidenten allerdings ohne konkretes Ergebnis nach Hause. Dabei hätte gerade Trump einen Erfolg gebraucht, der die Schlagzeilen des vergangenen Wochenendes in Vergessenheit geraten lässt. Drei Tage vor dem Gipfel hat die Russland-Affäre ihn wieder eingeholt. Der Präsident war am Freitag gerade zu Gast bei der Queen, als in den USA die Nachricht bekannt wurde: Die amerikanische Justiz hat Anklage gegen zwölf russische Geheimdienstmitarbeiter wegen Einmischung in den US-Wahlkampf erhoben.
E-Mails mit gefälschten Anhängen
Die 29-seitige Anklageschrift zeichnet nach, wie diese versuchte Einflussnahme abgelaufen sein soll. Die namentlich genannten Russen arbeiteten für zwei Einheiten des russischen Militärgeheimdienstes GRU. Im März 2016 sollen sie damit begonnen haben, sich mit Hackerangriffen Zugang zum Netzwerk und zu Servern der Demokratischen Partei zu verschaffen.
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Mehr als 300 Personen aus dem Umfeld der Partei erhielten E-Mails mit gefälschten Anhängen, über die der Geheimdienst sich Zugang zu ihren Passwörtern verschaffen wollte. Am Ende konnten die Angreifer bei mehreren Mitarbeitern der Demokraten alles mitlesen, was diese über die Tastatur eingaben, und zugleich ihre Bildschirme sehen, als würden sie ihnen über die Schulter schauen. Auf diese Weise lasen die russischen Geheimdienstler die Kommunikation der Opfer mit Kollegen ebenso mit wie private Bankdaten. Schließlich konnten die Russen sowohl E-Mails als auch große Mengen anderer Dokumente stehlen. Einen Teil davon gaben sie zur Veröffentlichung an Wikileaks weiter.
„Keine Amerikaner sind beteiligt“
Die Ankläger vollziehen den gesamten Vorgang fast bis ins letzte Detail nach. Kontakte zu Trumps Team kommen in der Anklageschrift nicht vor – diesen Punkt greifen auch die Unterstützer des Präsidenten zu seiner Verteidigung heraus: „Keine Amerikaner sind beteiligt“, betonte Trumps Anwalt Rudy Giuliani. Allerdings ist die Frage, ob Trumps Mitarbeiter oder gar er selbst Kenntnis von der russischen Einflussnahme hatten, ob es Absprachen mit den Russen gab, Gegenstand separater Ermittlungen des Sonderbeauftragten Robert Mueller.
Besonders ein Datum in dem Dokument könnte für Trump zum Problem werden. Am 27. Juli 2016 sagte der damalige Präsidentschaftskandidat in einer Rede: „Russland, wenn du das hörst: Ich hoffe, dass du die fehlenden 30 000 E-Mails“ – von Hillary Clinton – „finden kannst.“ Clinton wurde damals vorgeworfen, dass sie in ihrer Zeit als US-Außenministerin dienstliche E-Mails über einen privaten Server versandte. Das FBI untersuchte den Fall. Noch am selben Tag versuchten die russischen Geheimdienstmitarbeiter zu später Stunde, erstmals auch E-Mail-Konten des persönlichen Büros der demokratischen Präsidentschaftskandidatin zu hacken. Trumps Wunsch fand in Moskau offenbar Gehör.
Ein beispielloser Angriff
US-Nachrichtendienste ließen schon vor Trumps Amtseinführung keinen Zweifel daran, wer für den Versuch der Wahlbeeinflussung verantwortlich ist: „Wir stellen fest, dass der russische Präsident Wladimir Putin 2016 eine Einflusskampagne angeordnet hat, die auf die US-Präsidentenwahl abzielte.“ Putin und die russische Regierung hätten „eine klare Präferenz“ für Trump entwickelt und seien bestrebt gewesen, seine Wahlchancen zu verbessern.
Beim Gipfel in Helsinki trifft Trump also den Mann, der nach Auffassung amerikanischer Geheimdienste einen beispiellosen Angriff auf das demokratische System seines Landes befohlen hat. Trump habe die „so genannte Einmischung“ angesprochen, berichtet Putin. „Der russische Staat hat sich niemals in die inneren Angelegenheiten der USA, einschließlich der Wahlen, eingemischt und wird das niemals tun.“ Trump selbst sagt nur, Putin und er hätten in ihrem Vier-Augen-Gespräch sehr viel Zeit auf dieses Thema verwandt. Mit einer Bewertung hält er sich zurück. Er sagt noch, Putin habe da eine sehr entschiedene Meinung und eine „interessante Idee“.
Tatsächlich zeigt sich Putin bereit zur Zusammenarbeit mit US-Ermittlern, was die neuen Anklagen angeht. Der Sonderermittler müsse nur eine Anfrage nach Russland schicken, dann könnten er und sein Team möglicherweise sogar bei einer Befragung der Beschuldigten anwesend sein.
Allerdings hat der Vorschlag des russischen Präsidenten einen Haken: Putin fordert, ein solches Vorgehen müsse auf Gegenseitigkeit beruhen. Dann sollten auch US-Geheimdienstvertreter zu illegalen Aktivitäten in Russland befragt werden.
„Willkommen im Land einer freien Presse“
Trump hat bisher immer bestritten, dass es im US-Wahlkampf überhaupt eine russische Einflussnahme überhaupt gab – oder zumindest betont, Hackerangriffe hätten das Wahlergebnis letztlich nicht beeinflusst.
Bei der Pressekonferenz in Helsinki redet sich der Präsident in Rage. „Ich habe Hillary Clinton leicht besiegt. Ich habe sie besiegt!“, ruft er. Es habe keine Absprachen mit Russland gegeben. „Ich kannte den Präsidenten gar nicht.“ Die Ermittlungen zur Russland-Affäre hat Trump schon lange zur „Hexenjagd“ erklärt, Medien, die kritisch über ihn berichten, sind für ihn „Fake News“. Kurz vor der Ankunft in Helsinki bezeichnet er in einem Tweet die Medien als „Feinde des Volkes“.
Vielleicht hat Trump am Sonntagabend auf dem Weg vom Flughafen Helsinki-Vantaa zum Hotel eine der vielen Anzeigetafeln gesehen, die eine besondere Begrüßung für ihn bereithalten. Auf Englisch heißt es da: „Herr Präsident, willkommen im Land einer freien Presse.“ Dieselbe Botschaft gibt es in russischer Sprache auch für Putin. Auf anderen Tafeln stehen Schlagzeilen aus den vergangenen Jahren zur Lage der Pressefreiheit in Russland oder Zitate von Trump über die Medien. Finnlands größte Tageszeitung, der „Helsingin Sanomat“, hat 300 dieser Anzeigen in der Hauptstadt platzieren lassen. Das Gastgeberland ist stolz darauf, in den Ranglisten zur Pressefreiheit Jahr für Jahr einen der Spitzenplätze einzunehmen.
Sauna, See und sommerliche Ruhe
Eigentlich könnten die Finnen auch mit Stolz verfolgen, wie ihr kleines Land diesen Gipfel innerhalb kürzester Zeit organisiert hat. Normalerweise kommt im Juli das öffentliche Leben in Helsinki fast zum Erliegen, Büros sind geschlossen und selbst Regierungsvertreter kaum zu erreichen. Wer nicht ins Ausland reist, verbringt diese Wochen in einem Mökki, dem finnischen Pendant zur Datscha – mit Sauna, See und sommerlicher Ruhe. Für den Gipfel wurden nun zahlreiche Polizisten und Regierungsmitarbeiter aus dem Urlaub zurückgeholt, ausgerechnet in diesen Tagen, in denen eine Hitzewelle in dem nordischen Land fast Mittelmeerstimmung aufkommen lässt.
Trump und Putin sind in Helsinki allerdings keine bei allen gern gesehenen Gäste. Am Sonntag demonstrierten mehr als 2000 Menschen auf dem Senatsplatz gegen die beiden Präsidenten. „Helsinki für Menschenrechte“, stand auf einem der vielen Plakate. Bei einer Kundgebung von Trump-Unterstützern, die von der Parteijugend der rechtspopulistischen „Basis-Finnen“ organisiert worden war, kamen 50 Teilnehmer zusammen.
Anders als bei Demonstrationen beispielsweise vor dem G-20-Gipfel in Hamburg ging es bei den Protesten in Helsinki nicht nur um Kritik an Trump: „Aus Putins Russland ist ein Mafiastaat geworden“, sagt die Schriftstellerin Sofi Oksanen in ihrer Rede auf dem Senatsplatz. Wer dort Meinungsfreiheit, Demokratie und Menschenrechte verteidige, werde zum Feind erklärt. Doch über diese Themen würde Trump mit Putin nicht sprechen.
Vertraut er seinen Leuten? Oder Putin?
Noch vor zwei Jahren hätte niemand geglaubt, ein US-Präsident würde einmal die Europäische Union als „Feind“ bezeichnen, einen Handelskrieg mit ihr anfangen und die Nato in Unruhe versetzen. Auch deshalb kann sich Putin anders als sein Gesprächspartner beim Gipfel entspannt zurücklehnen.
In Telefongesprächen mit Trump bestärkte er ihn noch in der Überzeugung, das politische Establishment der USA habe sich gegen sie beide verschworen und wolle ihre Freundschaft verhindern. Die neuen Anklagen zielten darauf ab, die „positive Stimmung“ vor dem Gipfel in Helsinki zu verderben, erklärte das russische Außenministerium. Putin kann es schon als Erfolg für sich verbuchen, dass das Treffen stattfand – und er sich zum ersten Mal seit vielen Jahren von einem amerikanischen Präsidenten kein Wort der Kritik anhören muss.
Am Ende wird Trump gefragt, wem er eigentlich mehr vertraue, seinen eigenen Nachrichtendiensten oder Putin. Der US-Präsident will sich nicht festlegen. Stattdessen kritisiert er die Arbeit der Ermittler in der Russland-Affäre und fängt wieder von Hillary Clintons E-Mails an, die einfach verschwunden seien. Das wäre in Russland nicht passiert, sagt er. „Ich habe großes Vertrauen in meine Nachrichtendienstleute, aber Präsident Putins Dementi war sehr stark und kraftvoll heute.“ Außerdem habe der russische Staatschef ja ein „unglaubliches Angebot“ zur Zusammenarbeit bei den Ermittlungen gemacht.
Der ehemalige CIA-Chef John O. Brennan twittert, Trumps Pressekonferenzauftritt sei nicht weniger als Hochverrat. Und Putin blickt auf sein Rednerpult und lächelt fast unmerklich.