Beleidigungen, Vergewaltigungsfantasien, Morddrohungen: So werden Berliner Abgeordnete eingeschüchtert
Politiker aller Parteien werden täglich mit Hass überschüttet – vor allem im Internet. Eine Dokumentation des Hasses.
Von Hass-Nachrichten sind alle Parteien betroffen. Laut einer Umfrage des RBB sind 94 Prozent aller Landespolitiker schon einmal beleidigt worden. Mehr als die Hälfte davon ist eigenen Angaben zufolge regelmäßig bis zu fünf Mal in der Woche betroffen – vor allem Politiker von Linke und AfD. Wir dokumentieren einige Beispiele.
Tom Schreiber, 41, Abgeordneter der Berliner SPD
Der Sprecher für Verfassungsschutz seiner Fraktion findet deutliche Worte gegen Rechts- und Linksextremisten. Von beiden Seiten bekommt er Hassbotschaften, Morddrohungen. Mehrmals im Jahr gibt es Angriffe auf sein Wahlkreisbüro. Schreiber engagiert sich für die Rechte von Schwulen und Lesben.
Facebook:
„also, mit deinen Judenohren würde ich dich sofort abschieben! mit verachtung“
Facebook:
„Ja, ein richtiger gutmenschennazi der leuten wie dir in den arsch fickt und deine familie zuschauen lässt, im nächsten brennenden flüchtlingsheim bist du“
Twitter:
„(...), Ihr findet @TomSchreiberMdA in der Rue Charles Peguy in Mühlhausen“ (Anmerkung der Redaktion: Fundort der Leiche von Hans-Martin Schleyer)
Twitter:
„Schreiber du dumme Sau / schreib nochmal „Grins“ / und ich hau deine Fresse Blau @TomSchreiberMdA“
„Ja lass mal beim Tommy in die Bude einsteigen und ihm seine dumme Heizung kaputt haun.“
„(...) hoffentlich hat der Tom Schreiber von der Packpartei SPD was auf die Fresse bekommen.“
Anne Helm, 33, Abgeordnete der Berliner Linken
Helm zieht den Hass von Rechtsextremisten an wie wenige andere im Berliner Parlament. Bei den Linken ist die ehemalige Abgeordnete der Piratenpartei heute Sprecherin für Strategien gegen Rechts. Sie erhält Morddrohungen und Vergewaltigungsfantasien – teils unter den Klarnamen der Absender. Auf Facebook existierte eine Seite, die „Stadtverbot für Anne Helm“ hieß.
Facebook:
„Die Schlampe wollte ich damals schon schlachten! Wenn man die Adresse rauskriegen könnte........ Mal sehen!“
Facebook:
„Skin her alive!“ (Auf deutsch: „Häutet Sie lebendig!“)
Twitter:
„Die sollte vergewaltig werden! Oder schneidet die Brüste ab.“
Twitter:
„Warum schreien diese degenerierten Gutmenschenweiber immer nach einer Negerkur“
Facebook:
„Für dich machen wir den Ofen noch mal an !!!!! Du elendes Stück Dreck !!!!“
Mail:
„Ich werde dich Töten du elendige Dreckshure! Nicht mit MIR! DU BIST TOT!!!!! Ich freue mich darauf dir langsam und sadistisch deine erbrämliche Existenz zu nehmen, ich werde dich Tag und Nacht quälen Linkes gesocks!“
Jan-Marco Luczak, 44, CDU-MdB Berlin
Während der Debatte um den Berliner Mietendeckel findet Luczak eine klare Position: Er lehnt das umstrittene wohnungspolitische Großprojekt des Berliner Senats ab. Seitdem wird er im Netz mit Hassbotschaften belegt, erstattete mehrere Anzeigen. Im vergangenen Dezember wurde sein Wahlkreisbüro angegriffen. Einschüchtern lassen will er sich nicht.
Twitter:
„Da ist sie wieder ... die Lobbyhure @JM–Luczak.“
Twitter:
„Heuchlerbrut“
Twitter:
„Da hatten sie ja Glück, dass es nur die Linken waren. Bei den Rechten wären sie nun tot.“
Karsten Woldeit, 45, Abgeordneter der Berliner AfD
Woldeit ist innenpolitischer Sprecher seiner Fraktion, gehört zum gemäßigten Flügel. Er sagt, er spreche sich gegen jegliche Form von politischem Extremismus aus. Linksradikale haben seine Adresse veröffentlicht, stellten Fotos seiner Frau ins Netz, an seiner Haustür standen Drohungen gegen ihn. Besonders oft, sagt er, werde er als „Nazi“ beleidigt.
Facebook:
„Schade, dass sie so ein Stück Scheisse von Mensch sind. Ich hoffe, sie haben noch ein schreckliches Leben“
Twitter:
„Sie brauner Haufen Scheiße“
Twitter:
„Fuck You Nazi“
Twitter:
„Du Nazi-Hetzer!“
June Tomiak, 22, Abgeordnete der Grünen Berlin
Kann die das überhaupt? Die Beleidigungen gegen Tomiak zielen meist darauf, dass sie mit 22 Jahren eine der jüngsten im Berliner Parlament und eine Frau ist. Sie ist seit 2016 Abgeordnete: Seitdem hat sie ihre Privatadresse sperren lassen, twittert nicht mehr, wo sie sich gerade aufhält, und veröffentlicht keine Fotos von Familienmitgliedern. Sie hat mehrfach Morddrohungen erhalten.
Facebook:
„Guck Dir die doch an........Dumpfbacke.....und Ökofaschistin.......“
Facebook:
„Verblödete Grüne Schlampe. Grüne Multikulti-Primaten Drogen-Junkies Steuerbetrüger Kinderschänder werden an der 5% Hürde scheitern.“
Facebook:
„wer da mitläuft gehört ersc.....en“
Twitter:
„Wird so eine Scheiße von der Gesellschaft finanziert?“
Twitter:
„Sorry Dickerchen darf ich fragen wie viel du wiegst“
Marcel Luthe, 43, Abgeordneter der FDP Berlin
Marcel Luthe ist innenpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Er ist bekannt für seine deutlichen Positionen gegen jeden Extremismus. Nach einem schweren Autounfall hat er eine rötliche Narbe auf der Stirn – im Netz machen sich Menschen darüber lustig.
per Mail:
„Na du Opfer, dein Mobbingbildchen ist ja sehr gelungen und du kannst dich schon darauf freuen, wenn wir das umsetzen. Faschistische Hetzer wie dich kennen ihre Grenzen nicht, aber dafür sind wir ja da. Verpiss dich endlich aus Berlin!!!! Schöne Grüße, bald auch persönlich.“
Twitter:
„Man muss diesen asozialen Abschaum aussperren“
per Mail:
„Er ist in der FDP - er hat noch nie einen eigenständigen Gedanken gedacht.“
Instagram:
„Du kleine Missgeburt würde dir so gerne mal in die Fresse treten. Verpiss dich endlich aus der Politik. Und mach mal die scheisse von deiner Stirn weg.“
Der Tagesspiegel hat mehr als ein Dutzend Politiker aller im Berliner Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien angefragt. Viele Politiker haben dem Tagesspiegel für die Veröffentlichung der Nachrichten abgesagt, obwohl sie Mord- und Todesdrohungen erhielten. Die meisten löschen besonders heftige Nachrichten sofort, einige bringen sie auch nicht zur Anzeige.
Die Namen der Absender der Nachrichten wurden bewusst von der Redaktion entfernt, um keinen Anreiz für Nachahmer zu schaffen. Für alle zitierten Textstellen liegen dem Tagesspiegel die Originalquellen vor. Die Rechtschreibung der Nachrichten wurde von der Redaktion bewusst nicht verändert.
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