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Der Earth Day wird weltweit gefeiert. Hier ein Foto aus Washington. Aber die Debatte über die Nachhaltigkeitsziele für alle UN-Staaten bis 2030 führt in Deutschland derzeit fast niemand. Das ist ein Fehler.
© Andrew Caballero Reynolds/AFP

Nachhaltigkeitsziele: Im Zentrum und doch unbemerkt

In New York wird über die Nachhaltigkeitsziele für die Welt im Jahr 2030 verhandelt. Dabei geht es auch darum, wohin die Entwicklungsinvestitionen der kommenden 15 Jahre fließen werden. Doch in Deutschland bekommt das kaum jemand mit.

Hunderttausende Bürger aus aller Welt haben seit 2012 ihre Meinung dazu gesagt, in welcher Welt sie gerne leben wollen. Die neue globale Agenda sollte nicht im stillen Kämmerlein ausgebrütet werden wie die Milleniumsentwicklungsziele, die von den Vereinten Nationen im Jahr 2000 ausgegeben worden waren. Damals hatten UN-Bürokraten sich überlegt, was Entwicklungsländer bis 2015 erreichen sollten. Dass die UN-Generalversammlung die MDGs trotzdem akzeptiert hat, war fast ein Wunder. Bei den Nachfolgezielen, den Nachhaltigkeitszielen (SDGs) sollte es jedenfalls anders laufen.

Die Eingaben der Bürger sind gesammelt und ausgewertet worden. Sie haben in der Diskussion einer hochrangigen Beratergruppe, der auch der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler angehörte, eine wichtige Rolle gespielt. Bis zum vergangenen Herbst hat die zuständige Nachhaltigkeitskommission daraus die nun vorliegenden 17 Ziele samt 169 Unterzielen ausgehandelt. Und zwar nicht im üblichen Verfahren, in dem sich die traditionellen Länderbündnisse gegenseitig blockieren konnten. Stattdessen haben die Vorsitzenden der Kommission Länderteams mit je drei Akteuren gebildet. Deutschland verhandelte gemeinsam mit Frankreich und der Schweiz. Bis zum Sommer werden die Ergebnisse nun in den üblichen Bündnissen weiter verhandelt. Derzeit spricht die Europäische Union für Deutschland und die anderen 27 Mitgliedstaaten.

Es geht um die globale Agenda bis 2030

Obwohl in diesem UN-Prozess mehr oder weniger entschieden wird, wohin die globalen Entwicklungsinvestitionen in den kommenden 15 Jahren fließen werden, spielen sich die Verhandlungen nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit ab. Dabei geht es um gewichtige Fragen. Die SDGs sind nämlich nicht mehr nur das Hausaufgabenheft für Entwicklungsländer. Mit den SDGs verpflichten sich die Industrie- und Schwellenländer dazu, nicht nur für eine Welt ohne Armut und einen gebremsten Klimawandel zu zahlen, sondern ihre Politik auch zu Hause entsprechend zu ändern. Das deutsche Institut für Menschenrechte hat sich Gedanken darüber gemacht, wie das Ziel, die Armut zu beenden auch hier umgesetzt werden könnte. In der bisherigen Nachhaltigkeitsstrategie fehle das, kritisiert das Institut.

Das Potsdamer Nachhaltigkeitsinstitut IASS hat derweil einmal nachgerechnet, was passieren würde, wenn die SDGs tatsächlich alle umgesetzt würden. Das Ergebnis: Die weltweiten Flächen reichen nicht aus, um alle Ansprüche an Ernährungssicherheit, Armutsüberwindung und kohlendioxidfreie Energieversorgung zu erfüllen, die mit den Zielen angestrebt werden. „Das geht nicht auf“, sagt IASS-Chef Klaus Töpfer. Ernst-Ulrich von Weizsäcker, der im UN-Beraterkreis für Ressourcen sitzt, findet auch, dass der Widerspruch kaum aufzulösen sei, solange in der Wirtschaft und bei der sozialen Wohlfahrt nur darauf gesetzt werde, dass alles immer weiter wachse.

Die Debatte um die SDGs wird zumindest in Deutschland nicht allzu wichtig genommen. Dabei steht sie im Zentrum der Frage, wie die Welt sich so weiter entwickeln kann, dass ein gutes Leben in den planetaren Grenzen möglich wird. Um nichts anderes wird auch in der deutschen Braunkohledebatte gestritten.

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