10 Jahre Nachhaltigkeitsstragie: Weniger Menschen, noch mehr Beton
Seit zehn Jahren gibt es die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung, doch die Ziele werden nur durchwachsen umgesetzt. Vor allem in den Bereichen Landwirtschaft, Kinderbetreuung und Erwerbstätigenquote gibt es Aufholbedarf.
Seit genau zehn Jahren lässt sich die Regierung in ihrem Handeln an 21 Zielen messen, die sie sich mit der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie gegeben hat. Alle zwei Jahre legt das Statistische Bundesamt einen sogenannten Indikatorenbericht vor, der den Stand der Umsetzung misst. Im aktuellen Indikatorenbericht sieht die Bilanz der Regierung beim Klimaschutz, dem Ausbau erneuerbarer Energien und der Bekämpfung von Kriminalität ziemlich gut aus. Auf diesen Gebieten wurden die Zwischenziele erreicht oder sogar übertroffen.
Eher durchwachsen sieht es bei der Landwirtschaft, Kinderbetreuung und Erwerbstätigenquote sowie beim Flächenverbrauch aus. 2010 sind täglich 87 Hektar am Tag mit Häusern, Industriegebieten oder Straßen zugebaut worden, zu Beginn des Jahrtausends waren es noch 120 Hektar. Aber vom Ziel, bis 2020 bei einem Wert von 30 Hektar am Tag zu landen, ist Deutschland trotz einer schrumpfenden Bevölkerung weiterhin weit entfernt.
Beim Erhalt der Artenvielfalt, der Staatsverschuldung, einer nachhaltigeren Mobilität oder beim Verdienstabstand zwischen Männern und Frauen verfehlt die Regierung ihre Zielmarken von 2002 deutlich. Dennoch sagt Marlehn Thieme, seit Ende Februar Vorsitzende des von der Regierung berufenen Nachhaltigkeitsrats: „Es ist mehr erreicht worden, als gemeinhin wahrgenommen wird.“ Schließlich gehe es um langfristige Ziele, nicht um die Lösung kurzfristiger Probleme.
Thieme fordert von der Bundesregierung eine „bessere Steuerung der Nachhaltigkeitspolitik“. Zwar gibt es seit 2004 ein sogenanntes Green Cabinet, eine Staatssekretärsrunde unter dem Vorsitz des Kanzleramtsministers. Doch Thieme vermisst dabei mehr „Projektsteuerung“ oder auch ein kontinuierliches „Controlling“ für die Nachhaltigkeitsstrategie. Zwei Mal schon ist die Strategie überarbeitet worden, doch sei sie „noch nicht in ausreichendem Maße politikleitend“, kritisiert Thieme.
Positiv findet Thieme aber, dass das Thema Nachhaltigkeit in den vergangenen zehn Jahren in der Mitte der Gesellschaft angekommen sei. Als Beispiel nennt sie die Pleite der Drogeriemarkt-Kette Schlecker. „Die Leute akzeptieren es nicht mehr, dass Frauen in schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen ohne eine eigene Interessenvertretung gehalten werden“, sagt Thieme. Stattdessen kauften sie beim Konkurrenten DM ein, der Nachhaltigkeit zum Geschäftsprinzip erhoben habe. Überhaupt sieht Thieme Veränderungen im Konsumverhalten. Zwar ist Deutschland mit 5,9 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche, die 2010 ökologisch bewirtschaftet wurden, weit vom 20-Prozent-Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie entfernt. Doch der Markt für Öko-Lebensmittel wächst seit Jahren deutlich. „Das sind Zeichen der Ermutigung“, findet Thieme. Und auch der vom Nachhaltigkeitsrat erarbeitete „Nachhaltige Warenkorb“, ein Ratgeber für den Einkauf, findet reißenden Absatz. Dennoch weiß Thieme, dass „noch nicht alle erkannt haben, dass sie mit ihrem eigenen Verhalten etwas verändern können“.
Wo es noch mächtig mangelt, ist aus Thiemes Sicht eine Verbesserung der Energieeffizienz. Im Gegensatz zur Bundesregierung hält Thieme den Vorschlag von EU-Energiekommissar Günther Oettinger zur Schaffung eines Energieeffizienzmarktes für „richtig“. Sie will die Energiehändler durchaus für Investitionen in die Energieeffizienz in die Pflicht nehmen.
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