Asma al Assad in Syrien: Die First Lady der Hölle
Die Gräueltaten des Clans, in den sie eingeheiratet hat, können ihr kaum verborgen geblieben sein. Syriens Präsidentengattin Asma al Assad ist längst selbst ein Machtfaktor geworden.
Bevor das alles begann, bevor sie ein Teil davon wurde, ist Emma Akhras drei Monate durch Syrien gereist. Es waren andere Zeiten, friedliche, und kaum jemand kannte ihr Gesicht. Sie, geboren und aufgewachsen in London, hatte sich aufgemacht, das Land ihrer Eltern kennenzulernen. Ein Land, das bald ihr Land sein würde. Und, noch etwas später, niemandes Land mehr.
Akhras war gerade 25 geworden, ihre Zeit an einer christlichen Eliteschule lag hinter ihr, das Informatikstudium am Kings College hatte sie als Finanzexpertin zur Deutschen Bank geführt und zu JP Morgan. Sie hätte nach Harvard wechseln können, wollte das wohl auch; und doch stand sie nun, im Herbst des Jahres 2000, im syrischen Staub, mit einer Aktentasche in der Hand, verkleidet als Assistentin. 300 Dörfer hat sie besucht, jeden Bezirk, Krankenhäuser, Bauernhöfe, Fabriken, und sich einen Plan zurechtgelegt. Wie sie Syrien besser machen kann, mit einer Organisation, die keine Almosen verteilt, sondern den Syrern hilft, selbst auf die Beine zu kommen. Es war der Wille, Menschen zu helfen, den sie mit ihrer Jugendliebe Baschar gemeinsam hatte. Der wollte Arzt werden. Sie hatten sich das so schön überlegt.
Der Bürgerkrieg in Syrien geht jetzt in sein siebtes Jahr. Die Vereinten Nationen haben längst den Versuch aufgegeben, zu zählen, wie viele Menschen gestorben sind. Zu unübersichtlich ist die Lage. Experten gehen von etwa einer halben Million Opfer aus. 4,8 Millionen Syrer sind in Nachbarländer geflüchtet, unzählige heimatlos im eigenen Land, 13,5 Millionen auf Hilfslieferungen angewiesen. Aus dem Bürgerkrieg ist längst ein Krieg der Welt geworden. Die Türkei und Russland haben Truppen im Land und fliegen Luftangriffe. Die EU, auch Deutschland, schickt Geld oder Waffen an die kurdischen Rebellen im irakisch-syrischen Grenzgebiet.. Iran unterstützt die Truppen der Regierung und aus allen Teilen der Erde sind Menschen nach Syrien gereist, um für die Terroristen des IS zu kämpfen. In dieser Woche haben nun die USA erstmals direkt eingegriffen und eine syrische Militärbasis mit Raketen zerstört. Es war Vergeltung für einen Giftgasangriff.
Das größte Hindernis für eine Neuordnung in Syrien - Frieden scheint ein zu großes Wort - hat einen Namen: Assad. Es ist nicht nur der Präsident Baschar al Assad, der die Macht nicht hergeben will. Es ist eine ganze Familie. Der Clan kontrolliert seit Jahrzehnten Wirtschaft, Politik und Militär. Verwandte des Staatschefs befehligen die einflussreichsten Divisionen, kontrollieren den Geheimdienst. Macht ist erblich in Syrien.
Emma Akhras hat ein paar Wochen nach ihrer Entdeckungsreise nicht nur Baschar al Assad geheiratet, sie ist ein Teil seiner Familie geworden. Sie hat ihren englischen Rufnamen abgelegt und sich wieder Asma nennen lassen. Asma al Assad. Eine Frau, so schön, dass die amerikanische „Vogue“ ihr den Beinamen „Rose der Wüste“ gab, so beliebt, dass sie mit Prinzessin Diana verglichen wurde, und so klug, dass ihr niemand glauben kann, dass ihr die Gräueltaten des Clans, in den sie eingeheiratet hat, verborgen geblieben sind. Die Beobachterin von einst ist längst selbst Machtfaktor geworden, die Wüstenblume zur First Lady der Hölle.
Wo ist sie da reingeraten?
Wer verstehen will, wie die Assad-Familie dieses Land geprägt hat, muss weit zurückblicken in eine Zeit, in der der Clan noch anders hieß. Die Familie war damals, 1927, ziemlich arm und trug den Nachnamen Wahhisch, was auf Arabisch so viel bedeutet wie „Wilde“. Der Patriarch des Clans, Ali, änderte das später zu Assad, „Löwe“. Die Assads lebten in einem Dorf fern der Hauptstadt Damaskus und waren Alawiten, gehörten also einer Form des schiitischen Islam an. Die Alawiten bilden mit vielleicht 13 Prozent bis heute eine religiöse Minderheit im mehrheitlich islamisch-sunnitischen Syrien.
Der Vater des heutigen Präsidenten Baschar al Assad hieß Hafez al Assad und erfuhr früh, was es bedeutete, als Alawit in Syrien zu leben, als Bürger zweiter oder dritter Klasse. Er muss schon damals den Drang gespürt haben, aus dieser Ungerechtigkeit auszubrechen, arbeitete so hart, dass er die Schule mit Bestnoten verließ und es an die renommierte Militärschule von Homs schaffte, wo er erste Kontakte zur Baath-Partei knüpfte. Sozialistisch. Säkular.
Es waren diese Kontakte, die ihm erlaubten, in der Armee aufzusteigen und im Februar 1971 einen Putsch anzuführen, der ihn zum ersten alawitischen Präsidenten Syriens machte. Es war das Ende der Unterdrückung der Alawiten und der Beginn einer Herrschaft über die Mehrheit durch eine Minderheit, die kaum Verbündete hatte, die niemandem trauen konnte - außer der eigenen Familie. Hohe Posten in der Partei und im Staat besetzte Hafez al Assad nach dieser Logik. Er installierte einen Polizeistaat, dessen Anführer allesamt Alawiten waren, seinem Bruder Rifaat übertrug er das Kommando von bis zu 25000 Männern unter Waffen, die rund um Damaskus stationiert waren, sämtliche Zugänge kontrollierten. Seine beiden anderen Brüder Jamil und Adnand befehligten ähnliche Divisionen.
Hafez al Assad hat damals die Blaupause entworfen für ein System, das ihn fast 30 Jahre lang an der Macht hielt und das sein Sohn bis heute genauso weiterführt. Dabei hätte alles anders kommen sollen.
Als Baschar al Assad 1965 geboren wurde, war er das dritte Kind seines Vaters. Als junger Mann hatte er keine Ambitionen, in der Baath-Partei oder im Militär aufzusteigen. Er träumte davon, Augenarzt zu werden, weil es in diesem Beruf fast nie Notfälle gebe „und nur sehr wenig Blut“. Vater Hafez al Assad hatte da bereits mehrere Aufstände von sunnitischen Gruppen niederschlagen lassen. Bei seinem berüchtigsten Vergeltungsschlag ließ er die Stadt Hama 27 Tage lang belagern, bis zu 40 000 Menschen starben im Feuer der Artillerie, 15000 gelten bis heute als vermisst. Als Nachfolger hatte Hafez al Assad also eher seinen zweiten Sohn Basil im Sinn.
Baschar al Assad ging in den 90ern nach London, um Augenheilkunde zu studieren, wo er auch Asma kennengelernt haben soll. Während er alle Vorzüge eines Lebens im Westen genoss, wurde sein Bruder Basil militärisch ausgebildet und zum künftigen Staatschef aufgebaut. Bis er an einem Freitag im Januar 1994 auf einem Highway bei Damaskus die Kontrolle über seinen Mercedes verlor, gegen eine Mauer krachte und starb.
Als sechs Jahre später auch Vater Hafez al Assad starb, musste Baschar doch die Präsidentschaft antreten. Mit 36 Jahren. Eilig wurde für ihn die Verfassung geändert, die ein Mindestalter von 40 Jahren vorsah. Bei einer im Jahr 2000 des Anscheins wegen abgehaltenen Wahl bekam er 97 Prozent der Stimmen.
Er war eine Zeitlang Hoffnungsträger, einer, der Reformen versprach und eine zaghafte Öffnung des Landes nach dem blutigen Regiment seines Vaters. Doch die Geschichte überholte seine Pläne, als sich in Tunesien am 17. Dezember 2010 der Gemüsehändler Mohamed Bouazizi selbst anzündete, aus Protest gegen die Willkür des Staates. Sein Tod war der Auslöser für eine Reihe von Aufständen, die den tunesischen Diktator Zine al Abidine Ben Ali nach 23 Jahren vertrieb und sich in der ganzen Region ausbreitete. Gaddafi stürzte in Libyen und Mubarak in Ägypten, es war der Beginn des sogenannten Arabischen Frühlings, der schließlich auch Syrien erfasste und letztlich in einen Bürgerkrieg mündete. Assad aber blieb an der Macht. Wo die Regierung überhaupt noch Kontrolle hat, herrscht sein Clan.
Da ist sein jüngerer Bruder Mahir al Assad. Er ist General, Befehlshaber der Elitetruppen der Vierten Division und der berüchtigten Republikanischen Garden. Die EU hat ihn mit Sanktionen belegt, Konten eingefroren und ein Einreiseverbot verhängt. Begründung: Er sei der „Oberaufseher der Gewalt gegen Demonstranten“. Er soll persönlich auf Protestler geschossen haben.
Seinen Schwager Assif al Schaukat hat Baschar al Assad zum stellvertretenden Verteidigungsminister gemacht, nachdem er ihm jahrelang verschiedene Führungspositionen im Geheimdienst zugeschanzt hatte. Ein Cousin des Präsidenten, Rami Makhluf, soll zeitweise bis zu 60 Prozent der syrischen Wirtschaft kontrolliert haben, ist Hauptanteilseigner des Handyanbieters Syriatel, er verdient an Banken und Kaufhausketten mit. Auch er ist von der EU und den USA mit Sanktionen belegt, weil er ein „Wirtschaftsimperium aufgebaut hat, indem er seine Beziehungen zu Regime-Mitgliedern ausgenutzt hat“. Sein Bruder Hafis Makhluf wiederum war Chef des zivilen Geheimdienstes in Damaskus.
Welche Clanmitglieder heute wo die Strippen ziehen, ist ungewiss. Dafür gibt es einen einfachen Grund, erklärt der Syrienexperte Khaled Oweis, der für die Stiftung Wissenschaft und Politik arbeitet: „In totalitären Regimen, besonders in Syrien, gibt es den Wunsch danach, den Staat nach außen hin als echte demokratische Republik wirken zu lassen.“ Ähnlich sei es schon bei Saddam Hussein in Irak gewesen, der mit Unterstützung seiner Brüder herrschte. „Aber die Strukturen ähneln eher denen der Mafia.“ Deshalb scheuen die Familien die Öffentlichkeit. Baschar als Assads Bruder Mahir beispielsweise hatte seinen letzten großen Auftritt bei der Beerdigung seines Vaters vor 17 Jahren. „Für sie ist es normal, die Familie zu verstecken“, sagt Oweis, „sie haben eine Paranoia entwickelt.“ Aufnahmen würden deshalb so gut wie nie veröffentlicht.
Nur Asma al Assad ist anders. Fotos zeigen sie, wie sie in Jogginghose und Turnschuhen eine Fahrradtour macht, wie sie gemeinsam mit ihren drei Kindern Hafiz, Zein und Karim - heute 15, 13 und 12 Jahre alt - die Kerzen auf einer Geburtstagstorte auspustet, wie sie barfuß und in Jeans Tennis spielt, krebskranke Kinder in den Arm nimmt. „Für das Regime ist es wichtig, sie vorzeigen zu können“, sagt Analyst Khaled Oweis. Denn Asma al Assad ist nicht wie der Rest des Clans Alawitin. Sie stammt aus einer sunnitischen Familie, die ihre Wurzeln in Homs hat. „Seht her, sie ist Sunnitin und steht an unserer Seite“ - das sei die Botschaft, die das Regime aussenden wolle, auch um den Kampf der größtenteils sunnitischen Rebellen zu diskreditieren.
So ist Asma al Assad zum wichtigsten Symbol syrischer Propaganda geworden, soll den Anschein von etwas aufrechterhalten, wovon Syrien so weit entfernt ist wie kaum ein anderes Land auf der Erde: Normalität.
Kürzlich erst ist ein Video von ihr veröffentlicht worden. Es zeigt die First Lady inmitten von schwarzgekleideten Frauen, die ihre Kinder im Krieg verloren haben. Sie erzählen stolz, dass ihre Söhne in Aleppo gefallen seien, Märtyrer im Kampf für die Republik. Asma al Assad blickt in die Kamera und sagt, dass die Mütter die wahren Helden seien, nicht die siegreichen Soldaten, nicht die Regierung. Der Titel, ihr neuer Titel, ist in diesem Propagandafilm: „Mutter aller“.
Mit ihren tatsächlichen Kindern, die sie alle auf die Montessori-Schule schickte, wohnt sie wahrscheinlich noch immer im Haus der Präsidentenfamilie in Damaskus Stadtteil Malki. Mehrere Angebote, das Land zu verlassen und ins Exil zu gehen, hat Asma al Assad ausgeschlagen. Privatsphäre war ihr immer heilig. Nur einmal, kurz bevor syrische Demonstranten zu Tausenden Reformen forderten, kurz bevor die Armee in die Menge schoss und das Land ins Chaos stürzte, lud sie eine Reporterin der „Vogue“ zu sich nach Hause zum Mittagessen ein. Es gab Fondue. Aus dieser Zeit stammt eines der letzten Fotos von ihr gemeinsam mit ihren Kindern. Sie sitzen lächelnd auf dem Fußboden, Papa Baschar daneben, und spielen mit einem roten, ferngesteuerten Auto. Der Haushalt, erklärt sie damals, sei sehr demokratisch organisiert: „Wir alle stimmen ab, was wir wollen und wo.“ Die Lampe über dem Esstisch zum Beispiel sei aus alten Comicbüchern gemacht. Da hätten die Kinder sie drei zu zwei überstimmt.
Diskutieren Sie mit dem Autor auch auf Facebook oder Twitter