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Kinder laufen am durch den schwer beschädigten Bezirk Bustan al-Qasr in Ost-Aleppo.
© dpa

Syrien, Mali, Libyen, Ukraine: Versagen die Vereinten Nationen?

Die UN sind keine Weltregierung. Sie sind nur die Summe ihrer Mitglieder. Der Friedensprozess wird erst vorankommen, wenn die Großen den Druck auf ihre Schützlinge erhöhen. In Syrien zum Beispiel. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ulrike Scheffer

Wo sind die UN? Wenn Konflikte eskalieren, folgt geradezu reflexartig der Ruf nach den Vereinten Nationen. Und der Vorwurf des Versagens wird gleich hinterhergeschickt. Es stimmt ja auch – Beispiel Syrien: sechs Jahre Bürgerkrieg, Hunderttausende Tote, Millionen Flüchtlinge und nun wieder viele Opfer durch den Einsatz von Giftgas. Der größte Erfolg der UN? Die Konfliktparteien dazu bewegt zu haben, sich bei den Friedensgesprächen in Genf gemeinsam in einen Raum zu setzen. Die eigentlichen Verhandlungen führt der UN-Sonderbeauftragte Staffan de Mistura aber nach wie vor getrennt mit Vertretern der syrischen Opposition und des Regimes von Präsident Baschar al Assad. Bisher ohne jedes Ergebnis.

Und was ist in Libyen, Mali oder der Ukraine? Was tun die Vereinten Nationen gegen den Terror des „Islamischen Staats“? Warum schaffen sie es nicht, gescheiterte Staaten wie Afghanistan wiederaufzubauen? Nach dem widerwärtigen Chemiewaffenangriff in Syrien konnte sich der UN-Sicherheitsrat nicht einmal zu einer klaren Position durchringen.

Und doch sind und bleiben die Vereinten Nationen unverzichtbar. Denn sie bieten die einzige Bühne, auf der alle Staaten der Welt zusammenkommen, um über Sicherheitsfragen zu beraten oder über globale Probleme wie den Klimawandel. Erfolge können sie nicht erzwingen.

Die UN sind keine Weltregierung und auch kein unabhängiges Weltgericht. Sie sind nicht mehr als die Summe ihrer Mitglieder. Was sie bewirken können, hängt immer vom politischen Willen der Mitgliedsstaaten ab. Auch der Friedensprozess in Syrien wird erst vorankommen, wenn die Unterstützer der Konfliktparteien den Druck auf ihre Schützlinge erhöhen – allen voran Russland auf Assad. Letztlich können die UN nur so stark sein, wie die Mitgliedstaaten es zulassen. Der Zustand der Vereinten Nationen kann nie besser sein als die internationalen Beziehungen zwischen den Mächten dieser Welt.

Putin verfolgt eine eigene Agenda

Derzeit ist es um diese Beziehungen denkbar schlecht bestellt. Die USA unter Präsident Donald Trump handeln strikt im nationalen Interesse, Russlands Präsident Wladimir Putin verfolgt seine eigene Agenda ohne Rücksicht auf das Völkerrecht. China, das dritte Schwergewicht im UN-Sicherheitsrat, scheint noch am ehesten auf internationale Zusammenarbeit zu setzen. Im Fall Syriens haben die Chinesen zwar so manche Resolution verhindert. Jenseits des Sicherheitsrats zeigten sie sich zuletzt aber überraschend kooperativ, etwa bei den UN-Klimaverhandlungen.

Der Bewusstseinswandel kann die Welt besser machen und die UN handlungsfähiger. So lange sich im UN-Sicherheitsrat jedoch fünf Staaten gegenseitig blockieren können, wird die Lösung internationaler Krisen nicht einfacher. Eine Reform dieses Gremiums ist überfällig. Der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan hat schon vor Jahren Vorschläge dafür erarbeitet. Danach soll das Vetorecht erheblich eingeschränkt werden. Es wäre ein großer Schritt nach vorn. Allein, der Wille fehlt.

Überflüssig, oder sagen wir obsolet, sind die UN damit nicht. Ohne die Arbeit des Flüchtlings- und des Kinderhilfswerks, des Welternährungsprogramms und der Weltgesundheitsorganisation wären Millionen Menschen zum Tode verurteilt. Natürlich sind die großen UN-Organisationen auch bürokratische Monster, die nicht immer effektiv agieren und auch Fehler machen, wie während der unterschätzten Ebola-Krise in Westafrika.

Das größte Manko der Hilfswerke ist aber die mangelnde Unterstützung durch die UN-Mitglieder. Jüngstes Beispiel ist die Hungerkatastrophe in Afrika. Von den 4,4 Milliarden US-Dollar, die die UN für ihre Hilfe benötigen, sind bisher nur zehn Prozent eingegangen. Manche Staaten leisten nicht einmal ihre regulären UN-Mitgliedsbeiträge, die USA wollen ihre Zahlungen einschränken. Das wird die Weltorganisation weiter schwächen. Eine bessere gibt es trotzdem nicht.

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