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Trauriger Rest der Eisenbahnhubbrücke im Peenestrom bei Karnin.
© Stefan Sauer/pa

Usedomer Bäderbahn: Vor dem Strand kommt der Stau

Usedoms Bäderbahn ist beliebt. Aber die wenigsten Urlauber reisen per Schiene an. Es dauert zu lange.

Auf dem Weg zur Küste kommt vor allem im Sommer erst mal der Stau. Usedom erstickt im Autoverkehr, der noch zunehmen wird, wenn in Swinemünde wie geplant ein Tunnel unter der Swine gebaut wird, der den lästigen Fährverkehr dann entbehrlich macht – aber auch zusätzlichen Verkehr auf die deutsche Seite der Insel bringen wird. Entlastung kann es durch die Schiene geben, mit der Usedomer Bäderbahn, UBB genannt, die seit 20 Jahren über die Insel – und inzwischen auch darüber hinaus – fährt. Und es gibt Pläne, das Netz weiter auszubauen.

UBB könnte auch für „Usedomer Boße-Bahn“ stehen. Es war der heute 52-jährige Jörgen Boße, der als junger Student die Bahn vor dem Untergang rettete – und heute noch ihr Geschäftsführer ist. Unter der Regie der Reichsbahn war die Bahn in den letzten DDR-Jahren völlig heruntergekommen; die Reichsbahn hatte nach der Wende bereits die Stilllegung beantragt.

Dann überzeugte Boße den damaligen Bahnchef Heinz Dürr bei einem mit List und Tücke erzwungenen Gespräch in Berlin von seinem Konzept für die Bahn auf der Insel: Gleise erneuern, Bahnhöfe sanieren, moderne Züge einsetzen, im Takt fahren. Boße durfte ran, gleich als Geschäftsführer des Tochterunternehmens der Bahn, und hatte Erfolg. Die Zahl der Fahrgäste ist von 260 000 im Jahr 1992 auf inzwischen 3,5 Millionen gestiegen. 70 Prozent von ihnen sind nach Boßes Angaben Urlauber.

Die Bahn auf der Insel war Jahrzehnte isoliert

Aber nur etwa vier Prozent reisen auch mit der Bahn an. Die Fahrtzeit aus Berlin in die Kaiserbäder Ahlbeck, Bansin und Heringsdorf ist mit rund vier Stunden auch keineswegs attraktiv. Mit dem Auto ist die Ostsee in gut drei Stunden erreicht. Doch auch hier haben Boße und zahlreiche Mitstreiter große Pläne. Durch den Wiederaufbau einer alten Verbindung könnte sich die Bahnfahrt von Berlin aus auf gut zwei Stunden verkürzen.

Einst führten die Gleise bei Karnin mit einer spektakulären Hubbrücke über den Peenestrom nach Swinemünde und weiter bis Heringsdorf. In den letzten Kriegstagen sprengte die Wehrmacht die Brücken; nur der gewaltige Hubteil, der sich rund 28 Meter anheben ließ, damit Schiffe passieren konnten, blieb in der Mitte stehen – wie ein Mahnmal. Nach der Wende sollte auch dieser Rest nach dem Willen der Bahn verschwinden, doch eine engagierte Bürgerinitiative schaffte es, das Denkmal zu erhalten. Inzwischen ist es Ziel vieler Touristen.

Die Bahn auf der Insel war Jahrzehnte isoliert. Wer mit dem Zug anreisen wollte, musste auf dem Festland in Wolgast aussteigen, zu Fuß die Peenebrücke überqueren und auf der Insel wieder in die Bahn steigen. Rund 900 Meter war der Fußweg lang; einen Gepäcktransport gab es nur selten. Erst mit dem Bau einer neuen Straßenbrücke gab es wieder eine durchgehende Zugverbindung. In letzter Minute war es gelungen, auf der Brücke auch noch ein Gleis unterzubringen. Aber die Fahrtzeit von Berlin aus blieb mit dem Umweg über Wolgast lang.

Boße will noch mehr

Seit Jahren gibt es die Pläne für den Wiederaufbau der kürzeren Verbindung, die in Ducherow von der Hauptbahn Berlin–Stralsund abzweigt. Eine eingleisige Strecke würde mit Elektrifizierung nach Boßes Angaben zwischen 120 und 140 Millionen Euro kosten. Die Trasse ist noch vorhanden. Und im inzwischen polnischen Swinemünde hat man für die Bahn auch einen neuen Weg gefunden; der alte ist zugebaut.

Ein Anschluss an die UBB ist dort relativ einfach möglich. Seit 2008 fährt die Bahn fast ins Zentrum von Swinemünde. Keine Selbstverständlichkeit. Die Pläne waren entstanden, als zwischen beiden Ländern noch die EU-Außengrenze lag. Nach dem Beitritt Polens konnten auch die letzten Hindernisse für eine deutsche Bahn auf polnischem Gebiet beseitigt werden. Etwa 500 000 Fahrgäste fahren seither nach Boßes Angaben jährlich auf dem 1,4 Kilometer langen Neubauabschnitt.

Und Boße will noch mehr. Auch auf dem Festland ist die UBB aktiv. Ihre Züge fahren bis nach Stralsund und weiter nach Barth vor der Halbinsel Fischland- Darß-Zingst. Hier soll das Gleis über Zingst bis Prerow wieder aufgebaut werden. Es war nach dem Krieg demontiert worden. Das Baurecht könnte Ende 2017 vorliegen; die Züge würden dann 2020 fahren, hofft Boße. 42 Millionen Euro soll das Projekt nach derzeitigem Stand kosten – finanziert über ein Sonderprogramm, das jedoch noch nicht aufgelegt ist. Auch Berliner kämen damit mit dem Zug auf die Halbinsel. Allerdings nur mit einmal Umsteigen. Direktverbindungen sind bisher nicht vorgesehen.

Die UBB feiert am 4. Juli von 10 Uhr bis 18 Uhr mit einem Bahnhofsfest in Heringsdorf – exakt 7500 Tage nach Gründung.

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