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Fischerort mit Hochhaus. Vom alten Feuerwehrwachturm in Stavanger aus können die Passagiere ihr Schiff auf Augenhöhe erleben. Über 48 Stufen geht es hinauf zur Aussichtsetage. Der schöne Blick öffnet die Augen für Dimensionen.
© Elisabeth Binder

Kreuzfahrt nach Südnorwegen: Ganz schön viel Berlin auf dem Meer

„Mein Schiff 5“ – der Star nicht nur bei den Passagieren, sondern auch in kleinen Orten Südnorwegens. Und überall an Bord entdeckt man das Flair der Großstadt.

Was soll man von einem Kreuzfahrtschiff halten, das eine eigene Müllverbrennungsanlage hat, aber keine Tischtennisplatte? Auf dem Weg zur Perfektion bleiben kleine Freuden manchmal auf der Strecke. An deren Stelle treten dann große, neue, an die man sich gewöhnen kann. Wie vorbildlich die neueste Errungenschaft von Tui Cruises ist, erfährt man spätestens am zweiten Seetag auf der Jungfernfahrt der „Mein Schiff 5“ nach Südnorwegen. Um 11 Uhr ist das Theater voll. Kapitän Kjell Holm hat zur Fragestunde geladen.

Wer hätte gedacht, dass an Bord der Müll in sage und schreibe 42 Kategorien getrennt wird! Das Schiff hat nicht nur eine eigene Müllverbrennungsanlage, sondern auch Kläranlagen, die alle anfallenden Abwasser reinigen können und außerdem ein „Kombiniertes Abgasnachbehandlungssystem aus Hybrid-Scrubber und Katalysator“. Damit können sie hier nicht nur die Schwefelemissionen praktisch auf Null bringen, sondern auch noch den 25 Meter langen Pool auf Deck 12 soweit beheizen, dass es im südnorwegischen Regen Spaß macht, darin zu schwimmen.

585 mögliche Krisensituationen wurden identifiziert, für jede wurden zwei Lösungsmöglichkeiten entwickelt

Schon vier Monate vor dem Stapellauf war der Kapitän auf der Werft in Turku dabei. Der gebürtige Finne ist nicht sehr groß, hat eine überwältigend freundliche Ausstrahlung und alle Erfahrung der Welt. Seit 51 Jahren fährt er zur See, ursprünglich gegen den Willen der Eltern. Seit 1982 ist er als Kapitän unterwegs. Bevor die Kinder ihn mit Fragen überfallen, erzählt er noch kurz etwas zur Sicherheit.

585 mögliche Krisensituationen wurden identifiziert, für jede wurden zwei Lösungsmöglichkeiten entwickelt, um das Schiff sicher in den nächsten Hafen zu bringen, selbst wenn der noch 1000 Kilometer weit entfernt sein sollte. „Safe Return to Port“ heißt das System. Sogar eine zweite Brücke gibt es für den unwahrscheinlichen Notfall, dass die eigentliche ausfällt.

Bei so viel Perfektionsdrang wirkt die Frage des kleinen Mädchens, was eigentlich passiert, wenn alle 2534 Passagiere und die rund 1000 Crew-Mitglieder plötzlich auf eine Seite des Schiffes laufen, seltsam entwaffnend: „Kippt es dann um?“. Mildes Lächeln des Kapitäns: „Nein, das würde man kaum merken.“

Starke Stabilisatoren sind hier am Werk, was auch sonst. Lustigerweise passiert zwei Stunden später genau das. Backbord kommt die „Mein Schiff 1“ entgegen. Nach der Lautsprecherdurchsage will natürlich jeder sein Erinnerungsfoto vom Schwesterntreffen. Und tatsächlich neigt sich das Schiff, wenn überhaupt, nur unmerklich.

Das Schiff ähnelt einer kleinen Stadt

Das fünfte Schiff der Flotte ähnelt einer kleinen Stadt und kommt vor allem dem urbanen Temperament entgegen, also Menschen, die das Stadtleben lieben, weil sie dauernd die Auswahl haben wollen zwischen ganz vielen Möglichkeiten und ansonsten in Ruhe gelassen werden möchten. Man kann sicher sein, dass niemand einen zum Bauchtanz zerren wird.

Aber wenn man sich beschäftigen möchte, findet man im Bordprogramm dank des zehnköpfigen Innovations-Teams rasch gute Anregungen für die jüngsten Hobbytrends.

Eine hohe Quote hat der Tuchbinde-Workshop, bei dem man interessante Knoten für Schals kennenlernt. Das Fitnesscenter lockt mit Indoor Cycling, Jumping und Power Plate. Trainer Tizian erklärt einfühlsam, wie man mit den vibrierenden Sportgeräten umgeht, die Hollywoodstars zu Traumfiguren verhelfen. Zwanzig Minuten dauert die wider Erwarten ganz schön anstrengende Einheit. Immerhin ruft er nicht so fordernd „Hepp, hepp, hepp“ wie die Cycling-Trainerin.

Nirgends merkt man so sehr, wie deutsch das Schiff tickt, wie am Shuffleboard

Man könnte natürlich auch zum Shuffleboard gehen, Das sollte man sogar tun, denn hier wie nirgends sonst erlebt man, wie deutsch dieses Schiff tickt. Es ist tatsächlich möglich, jeden Tag mit fast immer denselben Passagieren jeweils eine Stunde lang zu spielen, ohne in Gefahr zu geraten, seinen Namen oder gar Beruf preisgeben zu müssen oder mehr zu sagen, als ein gelegentliches „Super“, wenn ein Teamkollege den Puck in die Zehn geschossen hat oder ein bedauerndes „Fast“, wenn er auf der Linie liegen geblieben ist. Auch Gastgeber Sebastian begnügt sich mit kurzen Erklärungen und diskreten kleinen Scherzen.

Sebastian, geboren in Buch, aufgewachsen in Prenzlauer Berg, ist übrigens nur ein Beispiel für viele Spuren, die Berlin auf diesem Schiff hinterlassen hat. Das prominenteste ist das Restaurant Hanami by Tim Raue mit Thuy Vi Dang als charmanter Gastgeberin. Küchenchef Efren Gorina hat neun Tage lang in Kreuzberg gelernt, der Sternekoch war dann noch mal für eine Woche an Bord, und das Ergebnis schmeckt erstaunlich authentisch.

Trotz Aufpreisen im "Hanami" haben Hardcore-Fans Chancen, einen Teil der Kreuzfahrtkosten rauszufuttern

Obwohl für die Speisen im Hanami ein Aufpreis berechnet wird auf dem Schiff, das ansonsten „All Inclusive Premium“ unterwegs ist, haben Hardcore-Fans doch eine gute Chance, einen Teil der Kreuzfahrtkosten wieder rauszufuttern, wenn sie jeden Abend dorthin gehen.

Das würde aber das urbane Lebensgefühl beeinträchtigen, schließlich hat man die Auswahl zwischen 13 Restaurants und 13 Bars. Für den schnellen Pizza-Hunger steht die Osteria bereit. Feine Edelsteaks gibt es im „Surf & Turf“, gemütliche Tapas in der „Außenalster“ und Schnitzelchen oder Kaiserschmarrn im neuen österreichischen Gourmet-Restaurant „Schmankerl“. Dort könnte man auch bis 18 Uhr frühstücken. Zur Berlinerin ehrenhalber sollte wohl die „Tag & Nachtbar“ ernannt werden, weil es dort rund um die Uhr zu essen gibt und vor allem die Möglichkeit, eine mitternächtliche Currywurst zu genießen. Neu ist auch der „Bosporus Grill“ mit dem bis dato wohl besten Döner auf dem Meer.

Trockenen Fusses an Land. Dafür hat Tui eigens eine ausfahrbare Brücke kreiert.
Trockenen Fusses an Land. Dafür hat Tui eigens eine ausfahrbare Brücke kreiert.
© Elisabeth Binder

Das Schiff selbst ist der Star der Reise

Berlin an Bord. Im Hanami by Tim Raue kommt kein Heimweh auf.
Berlin an Bord. Im Hanami by Tim Raue kommt kein Heimweh auf.
© Ulrich Schaarschmidt/dpa

Ganz viel Berlin ist natürlich in den Shows, die allesamt in Treptow einstudiert werden. Der jüngste Gag ist ein Hologramm-Theater, in dem Dieter Hallervorden mit seiner Show „Palim Palim“ dreidimensional zu sehen ist, obwohl er bei dieser Reise gar nicht an Bord war. Moderne Technik macht’s möglich. Für eine solche Hologramm-Show flog auch Ute Lemper nach Treptow ein und spielt auf der Bühne sehr schön mit dem nachträglich eingearbeiteten Feuer, während sie Broadway-Hits singt. Unnötig zu sagen, dass die Akustik im Theater selbst an Land ihresgleichen suchen würde und fast nach mehr Klassik-Programmen schreien würde.

Thomas Schmitt-Ott, vielfältig unterwegs in der Berliner Klassik-Szene, hat das Entertainment Center in Treptow aufgebaut und spricht auch beim Theater-Design entscheidend mit.

Die Akustik ist an der munteren Schlagershow fast verschwendet, aber das Musical „Die Zeitreisenden“ mit den verblüffenden Computeranimationen verdient sie definitiv, überrascht auch sonst mit Pfiff und Originalität. Mit dem Kunsthändler Lumas ist ein weiteres Berliner Unternehmen an Bord eines Tui-Schiffs vertreten. Die großen Fotografien schmücken auch das Schiff selbst, man kann sie draußen auf dem Meer sogar mehrwertsteuerfrei kaufen. Und fürs Clubfeeling in der Nacht ist die Abtanzbar zuständig.

Keine Frage, das Schiff selbst ist der Star der Reise. Die kleinen norwegischen Ortschaften, in denen die „Mein Schiff 5“ mit ihren 15 Decks temporär leicht zum größten Haus am Platze wird, haben es schon, was die Auswahl an attraktiven Lokalen betrifft, etwas schwer, da mitzuhalten. Viele Gäste kehren nach den gebuchten Landausflügen gern ganz schnell wieder zurück, um sich am Pool mit einem schönen Eis oder einer frisch gebackenen Waffel zu stärken und es sich auf einer dieser kuscheligen Liegeinseln gemütlich zu machen oder das Treiben an Land aus den Saunen mit ihren riesigen Panoramafenstern zu verfolgen.

Mit 360 Regentagen im Jahr ist die Stadt Bergen besonders hautfreundlich

Dabei hat Stavanger einiges zu bieten, ein Konservenmuseum zum Beispiel, eine Kathedrale mit Barockschnitzereien, ein sehr interessantes Maritimes Museum und einen jahrhundertealten Feuerwachtturm, von dem man aus herrliche Bilder vom Schiff machen kann. Die Stadt Bergen hat eine spektakuläre neue Bar aus Eis mit eingraviertem Munch-Gemälde, einem äußerst rutschigen Tresen und wirklich kalten Getränken. Mit 360 Regentagen im Jahr ist sie außerdem besonders hautfreundlich.

Auf dem Fischmarkt in Bergen wird neben den verschiedensten Kaviarsorten auch Walwurst verkauft. Der durch das Faltblatt des Tages auf dem Schiff bereits aufgeklärte Gast weiß allerdings, dass er davon Abstand halten soll, weil aus Artschutzerhaltenden und gesundheitlichen Gründen vom Verzehr dringend abzuraten sei.

Haugesund hat auf jeden Fall einen Bürgermeister mit touristischem Ehrgeiz. Von dem gibt’s kostenlose Shuttlebusse ins Ortszentrum und bei der Rückkehr aufs Schiff ein Diplom, dass man dort war.

Interessant ist die ausfaltbare Seebrücke im Geirangerfjord, die bei der Einfahrt noch eingeklappt an Land liegt, dann aber bis ans Schiff gefahren wird, so dass die Gäste bequem übers Wasser an Land laufen können, während andere Schiffe in der Umgebung altmodisch tendern müssen.

Hier erreicht man über eine steile Treppe längs des Wasserfalls ein interessantes Museum mit Geschichten über das Leben im Fjord. Bei der Ausfahrt dreht der Kapitän das riesige Schiff einmal um sich selbst, um die besten Sichten auf die Wasserfälle zu ermöglichen. Der Mann kann sicher auch gut einparken.

Die letzte Station, Kopenhagen, hat natürlich viel zu bieten, Landausflüge führen in königliche Schlösser oder mit den bordeigenen Fahrrädern zur Stadterkundung. Aber etliche Gäste sind hier scharf aufs Shoppen und kehren mit schicken Tüten beladen aufs Schiff zurück. Dort gibt es auch Shops, sogar mit erstaunlich moderaten Preisen von Anbietern wie Brax, S'Oliver und Codello. Angesichts der superluxuriösen Müllverbrennungsanlage wirkt überraschend reell.

Einzig die "flüssige Sonne" steht dem deutschen Perfektionsdrang im Weg

Ach ja, wer sich unter einem Umweltoffizier einen griesgrämigen Endfünfziger vorstellt, der den Gästen die Plastikfläschchen mit Lotion und die Duschhauben streitig macht, kann eine Überraschung erleben, wenn er mal auf Milos Grgic trifft. Der 29-jährige gebürtige Serbe sieht nicht nur blendend aus, er ist auch supergroßzügig.

Auf keinen Fall will er Gästen, die schließlich viel Geld bezahlt haben, die Urlaubsfreuden durch Vorschriften einschränken. „Wenn jemand zwölf Stunden duschen möchte, sollte er nur auf seine Haut aufpassen“, sagt er. Verrät dann aber auch, dass die Duschköpfe so entworfen sind, dass sie weniger Wasser verbrauchen als normale, was man freilich gar nicht merkt.

Er kann erklären, dass Essensreste erst getrocknet und dann verbrannt werden. Dass der Container mit Schuhen nicht weggeworfen wird, weil sich in manchen Häfen die Arbeiter drüber freuen. Und natürlich weiß er, wie die Abwässer an Bord über die gesetzlichen Vorschriften hinaus so gereinigt werden, dass die Meere nicht belastet werden. Am Anfang, als er direkt von der Uni weg engagiert wurde, hat er sich auch nicht vorstellen können, dass all dies möglich ist. Heute träumt er davon, dass Glühbirnen, die kaputt gehen, auch an Bord repariert werden, weil das ganz einfach und ebenfalls umweltschonend wäre.

Trampoline statt Tischtennisplatte

Er weiß auch, dass es Häfen gibt, die mit einer so ausgefeilten Mülltrennung nicht viel anfangen können. Dann wartet man halt bis zum nächsten Hafen. Und wieviel Mitarbeiter hat sein Team? Da antwortet er prompt: „Alle 1000 Crew-Mitglieder an Bord. Jeder trennt seinen eigenen Müll.“ Natürlich ist „Mein Schiff 5“ dem Ideal eines papierlosen Schiffs ziemlich nahe. Überall gibt es Touchscreens, an denen sich Gäste aller Altersklassen Infos über Bordprogramme und Speiseangebote abrufen.

Gibt es auch etwas, was dem urdeutschen Perfektionsdrang im Wege steht? Naja, der Regen, aber der wird an Bord „flüssige Sonne“ genannt und stört kaum. In Haugesund war die Gangway zu groß, das klang nach einem typischen Problem, das allerdings in zehn Minuten behoben war. Und dann war da eben noch der Herr, der den Gastgeber Sebastian nach der Tischtennisplatte fragte. „Haben wir nicht“, sagte er und gab zu: „Da fragen öfter Leute nach.“ Trainer Tizian immerhin wusste, dass es doch eine Platte an Bord gibt, allerdings auf dem Crewdeck, wo die Gäste nicht hindürfen. Es habe aber sowieso noch keiner Zeit gehabt, sie aufzubauen.

Dabei gäbe es, wie bei diesem Schiff nicht anders zu erwarten, einen absolut perfekten Ort: die überdachte Lounge-Landschaft auf Deck 14, die angesichts der vielen supergemütlichen Liegeinseln temporär vielleicht entbehrlich wäre. Angesichts der knapp 600 Millionen Euro, die das Schiff gekostet hat, wäre die Anschaffung einer Gästeplatte vielleicht noch im Rahmen. Oder man tauscht mit der Crew die schicken Trampoline aus dem Fitnesscenter für ein paar Tage gegen die Platte. Müsste man nur das Innovationsteam mal auf Betriebsausflug schicken. Dann merkt es doch niemand.

Tipps für die Mein Schiff 5

DAS SCHIFF

Die Jüngste der Flotte, „Mein Schiff 5“, ist Mitte Juli dieses Jahres getauft worden. Das Schiff verfügt über 1267 Passagierkabinen, rund 1000 Crewmitglieder sind an Bord. Es gibt 13 Restaurants und 13 Bars, einen großzügigen Wellnessbereich und einen 25 Meter großen Außenpool.

FAHRTGEBIET

Bis Oktober fährt die „Mein Schiff 5“ in Nordeuropa und im Mittelmeer. In der Wintersaison kreuzt die „Neue“ in der Karibik.

AUSKUNFT

tuicruises.com

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