Mühlberg: Die Mission des Kaisers
In der Schlacht bei Mühlberg 1547 erlitt der Protestantismus einen Rückschlag. Jetzt wird die Geschichte im Museum aufgeblättert.
Irgendwie alles friesisch-herb hier. Weiter Blick, hoher Himmel, flaches Land, Windmühlen. Die Wolken ziehen gebauscht, auf den Dämmen grasen die Schafe. Nicht recht zutrauen mag man dieser entrückten Landschaft, dass sich hier, just in diesen Tagen, vor bald 480 Jahren europäische Zeitgeschichte zutrug, ein letztes erfolgreiches Aufbäumen der Gegenreformation angesichts des erstarkten Protestantismus.
Die Schlacht von Mühlberg 1547, der Sieg Kaiser Karls V. gegen den Schmalkaldischen Bund, dessen Vorgeschichte und Folgen jetzt das neu gestaltete örtliche Museum aufblättert. Politische Prominenz aus nah und fern war jüngst in der äußersten Südwest-Ecke Brandenburgs zur Wiedereröffnung in der „Neuen Propstei“ zugegen.
Den Horizont des seit 1926 vornehmlich stadthistorisch geprägten Heimatmuseums zu erweitern, brauchte vier Jahre – ein inhaltlich wie baulich komplexes Vorhaben. Sichtbar bleibt zwar auch weiterhin, dass es die nahe Elbe ist, der der Ort mit seinen gut 4000 Einwohnern eine üppige Handwerker- und Handelstradition verdankt, ihn aber zyklisch auch mit Hochwasser bedroht – zuletzt vor allem 2002 und 2013 mit Pegelständen bei zehn Metern.
Die Ausstellung setzt auf elektronische Medien
Doch der Fokus im sanierten Ausstellungshaus von 1531, mit dem Lutherjubiläum 2017 in Reichweite, richtet sich nunmehr deutlicher darauf, was sich in Mühlberg zutrug vor dem Augsburger Religionsfrieden 1555, als Katholiken und Protestanten sich gütlich auf Koexistenz einigten. Dabei geht es um nicht weniger als das brandenburgische Mühlberg, gleichberechtigt neben Torgau und Wittenberg, durchaus prominent auf der reformationsgeschichtlichen Landkarte Europas zu platzieren – ein Anspruch, den Landkreis und Landesregierung unisono formulieren.
Eingebettet sind Heiligenfiguren, lithurgische Handschriften und Reliquien aus dem 16. Jahrhundert in ein Ausstellungskonzept, das stark auf elektronische Medien setzt. Ein digitaler Kartentisch etwa zeigt den Verlauf der Schlacht von 1547.
Der Glanzpunkt jedoch, sagt die verantwortliche Ausstellungsdesignerin Charlotte Kaiser, „ist die mediale Re-Inszenierung der Mühlberger Schlacht aus unterschiedlichen Blickwinkeln“. Sie erlaubt es Museumsbesuchern, die seinerzeit beteiligten Konfliktparteien und Einwohner zu Wort kommen zu lassen – für den beteiligten Historiker Lars-Arne Dannenberg eine Art „virtueller Augenzeugenbefragung“, die das Geschehen vergegenwärtigen soll.
Das Museum soll die Identität der Stadt fördern
Offenkundig mehrere Ursachen hat, dass die neu konzipierte Dauerausstellung kaum museumspädagogische Mühen scheut, ihre Gegenstände lebendig erscheinen zu lassen. Nicht ganz unerheblich dabei dürfte die Frage gewesen sein, ob das Museum mit der Neugewichtung seiner Themen auch am Ort angenommen wird.
Denn leisten soll es schon zweierlei, so Bürgermeisterin Hannelore Brendel: „Die Identität der Stadt fördern und ihren Bekanntheitsgrad steigern.“ Zur Rundumerneuerung bewogen hat aus Sicht von Museumsleiterin Martina Pöschl nicht zuletzt der „desolate Zustand des Ausstellungshauses zu Beginn des Jahrzehnts und seine überalterten Präsentationsformen“.
Gewiss eine Rolle spielte zudem der Mut zum konzeptionellen Wagnis, drei sehr verschiedene, heterogene Themenkomplexe, verteilt auf zehn Räume, unter einem Dach zusammenzuführen. Denn besonderes Augenmerk richtet das Museum „Mühlberg 1547“, jenseits von Lokal- und Reformationsgeschichte, auf den „Ort doppelten Gedenkens“, wie Christian Schölzel vom Kulturbüro „Culture and More“ das Lager Mühlberg im nahen Neuburxdorf nennt.
Zunächst nationalsozialistisches Kriegsgefangenenlager Stalag IV-B, wurde es – nach dessen Befreiung am 23. April 1945 – Speziallager Nr. 1 der sowjetischen Geheimpolizei NKWD / MWD. Mit Bild- und Interviewmaterial, Dokumenten und Häftlingszeichnungen ist diese doppelte Lagergeschichte präsent. Mehr als 10 000 Gefangene sind ihr zum Opfer gefallen.
Die "Neue Propstei" gilt als Prunkstück der Renaissance
Ob Restauratoren, Objekteinrichter oder Ausstellungsdesigner, ob Denkmalpfleger, Historiker oder Politiker: Einmütig als unbestrittenes „Hauptausstellungsstück“ gilt ihnen das Museumsgebäude der „Neuen Propstei“ selbst – ein architektonisches Prunkstück der Renaissance mit großzügigem Dekor insbesondere zur Straßenseite hin.
Die treppenartige Giebelgestaltung erinnert an so manchen hansestädtischen Kirchen- oder Profanbau der Gotik. Gemeinsam mit dem benachbart liegenden ehemaligen Zisterzienser Nonnenkloster gilt die „Neue Propstei“ als „überregional einmaliges Ensemble“.
Während die Gebäudehülle an der Mühlberger Klostergasse die Zeiten vergleichsweise unbeschadet überstand, gestaltete sich die Rekonstruktion der Innenräume in den zurückliegenden drei Jahren dagegen weitaus aufwendiger, weiß Mechthild Noll-Minor vom Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege.
Raumzuschnitte und Raumabfolgen wurden in ihren Ursprungszustand zurückversetzt, historische Deckengewölbe originalgetreu saniert. Besondere Sorgfalt galt den großflächigen Wand- und Deckenmalereien, darunter das Gleichnis vom Reichen Mann und dem armen Lazarus oder die beiden alttestamentarischen Szenen „Urteil des Königs Salomo“ und „Daniel auf dem Richterstuhl“.
Gerechtes Urteilen, so wird angenommen, muss auch dem Propst Conrad Gundeloch ein Anliegen gewesen sein, zu dessen Zeiten gegen Mitte des 16. Jahrhunderts die Malereien mutmaßlich entstanden. Martina Pöschl, die das zu Beginn des Jahres in Trägerschaft des Landkreises übergegangene Museum seit 1984 leitet, ist überzeugt, dass unter den meisten Wänden noch Bildfelder zu finden sind. Sie sollen in den kommenden Jahren schrittweise freigelegt werden.
Es geht los - endlich kommen die Besucher
Offenkundig eine veritable Herausforderung an das Ausstellungsdesign war die Dominanz des Ausstellungshauses selbst. Bewusst dem historischen Bau den Vortritt lassend, entschied sich das Team um Charlotte Kaiser für ein „freistehendes, flexibles, aus sich selbst leuchtendes Stelenelement“, das als Informationsträger und Beleuchtungskörper, aber auch zum Schutz von Wandmalereien dient.
Wenn mit steigenden Temperaturen etwa auf dem nahe an Mühlberg vorbeiführenden Elberadweg die Saison beginnt, dann ist es vorbei mit der Verträumtheit des Ortes – ein Bedauern darüber lässt sich allerdings kaum vernehmen. „Dass es endlich losgeht“, darauf hofft auch Monika Wendland, die eine Pension mit Speisegaststätte am Ort betreibt. Den erwarteten Besucherzustrom zu bewältigen und ins Museum zu leiten, damit wird die Touristeninformation in der „Neuen Propstei“ in besonderer Weise gefordert sein.
Michael Piero, seit ein paar Tagen mit halber Stelle im Museum aktiv, sieht es gelassen. Von Schönborn nahe Doberlug bis Mühlberg und zurück radelt er jeden Tag 66 Kilometer, „33 Kilometer Gegenwind morgens, 33 Kilometer Rückenwind abends“. In den hektischen Tagen vor Ausstellungseröffnung ist er für die Museumsleiterin längst zum „ruhenden Pol“ geworden.
Sie, die in den Tagen vor der Eröffnung „alles in einem“ war, Telefonzentrale und Baumanagerin, Anlaufstelle für Heizungsmonteure, Elektriker und Objekteinrichter, für Tischler und Ausstellungsdesigner, ist sich sicher, dass die Mühlberger das veränderte Museum als ihres annehmen. Denn auch Wilhelm Hasemann, Schwarzwald-Maler und gebürtiger Mühlberger, bleibt dem Museum erhalten. Selbst wenn den mehr der Feldberg als Mühlberg interessierte.
Stefan Woll
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