80 Jahre DC-3: Ausgerechnet Rosinen
1935 revolutionierte die DC-3 das Reisen. Noch 100 flugfähige Maschinen warten weltweit auf Passagiere, auch in Genf. Hommage an den Rosinenbomber.
Fluglärm? Wieso denn Fluglärm? „Und brumm’ des Nachts die viermotor’jen Schwärme, / det ist Musik für unser Ohr, wer red’t da vom Lärme?“ Zwei angestaubte Verse, über 65 Jahre alt, aus dem Lied, mit dem die Berliner Kabarett-Truppe „Die Insulaner“ stets ihr Programm im Radiosender Rias eröffnete – Begleitmusik zu Blockade, Luftbrücke, Rosinenbombern. Die Zeilen entstanden offenbar, als der „Big Lift“ schon rund lief, mit schweren viermotorigen Transportflugzeugen. Mit der zweimotorigen DC-3 allein wäre die Versorgung nicht zu schaffen gewesen. Und doch hat gerade diese legendäre Maschine anfangs das Bild der Luftbrücke geprägt, gilt besonders sie als deren silbern glänzende Inkarnation. Vor 80 Jahren, am 17. Dezember 1935, absolvierte die „Douglas Commercial 3“ ihren ersten Flug – eine Maschine, die vielen noch heute als das beste je gebaute Flugzeug gilt (Pilotenschnack: „Der einzige Ersatz für eine DC-3 ist eine DC-3.“)
Mitte der dreißiger Jahre revolutionierte sie den Passagierflug in den USA und dem Rest der Welt, ersetzte Stress durch Luxus. Dank höherer Geschwindigkeit und größerer Reichweite als herkömmliche Maschinen verkürzte sie Flugzeiten um Stunden und veränderte dadurch die Art des Reisens vollkommen, bevor auch ihre militärische Karriere begann, bis hin zur Berliner Luftbrücke.
Schade also, dass schon lange, und gerade jetzt zum Jubiläum, keiner der fürs historische Selbstbild der Stadt so bedeutsamen Rosinenbomber mehr am Himmel über Berlin zu sehen ist. Der Silbervogel, der am Deutschen Technikmuseum in Kreuzberg hängt, zählt da nicht. Zwar gibt es nach wie vor erfolgversprechende Aktivitäten des Fördervereins Rosinenbomber e. V., der nach der Bruchlandung der DC-3 des Air Service Berlin im Juni 2010 auf dem Flughafen Schönefeld deren Wiederauferstehung betreibt. Aber der angekündigte Flug des Phönix lässt bislang auf sich warten, und einen Termin will Frank Hellberg, Air-Service-Chef und Vereinsvorsitzender, lieber noch nicht nennen, verweist auf die Tücken des komplizierten Zulassungsverfahrens, zumal aus der schwer beschädigten und einer intakten, in England gekauften DC-3 eine neue zusammengefügt werden soll. Zumindest hofft Hellberg, diese auf der ILA 2016 in Berlin-Schönefeld vorstellen zu können.
Nur noch in Kanada fliegt eine DC-3 im Liniendienst
Also bleibt der Liebhaber alten Fluggeräts, will er sich in die Pioniertage des modernen Passagierflugs zurückversetzen oder Luftbrückengefühle genießen, auf andere Maschinen verwiesen. Insgesamt 16.079 Exemplare verließen die Hallen der Douglas Aircraft Company und der Lizenznehmer in Japan und der Sowjetunion; rund 100 weltweit sind noch in Betrieb. Wer freilich Wert legt auf Linienverkehr nach Flugplan, muss weit reisen: Nur noch Buffalo Airways betreibt solch einen Dienst, werktags zwischen Yellowknife und High River im Nordwesten Kanadas.
Weitaus schneller ist man in Genf, im Sommer Heimatflughafen der DC-3, die 2009 von dem Piloten Francisco Agullo und Freunden in den USA gekauft wurde. Seit sechs Jahren wird sie von der Baseler Super Constellation Flyers Association, einem Verein von 3200 Mitgliedern, betrieben, unterstützt von dem auf seine historischen Luftfahrtkontakte stolzen und fleißig damit werbenden Uhrenhersteller Breitling. Immer von Mai bis September ist der silbern-weiße Vogel in Betrieb, nimmt an Air Shows oder Veranstaltungen des Sponsors teil, steht auch für Rundflüge bereit, kurze wie lange, in der diesjährigen Saison etwa von Genf über Barcelona und San Sebastian nach Toulouse und zurück. Rund 50 Flugstunden pro Saison kommen so zusammen.
Für Francisco Agullo, Chefpilot und Besitzer, ist diese DC-3 mehr ein Hobby, Geld lasse sich damit nicht verdienen. Von Beruf ist er ebenfalls Pilot, mit reichlich Flugerfahrung auf der Boeing 757, der 767, derzeit der „Global Express“ von Bombardier – und eben der DC-3, so rund 500 Stunden, vor allem gesammelt als Buschpilot in Bolivien und der Dominikanischen Republik, was zum Image der Maschine prima passt.
Selbstverständlich ist die 1940 für American Airlines gebaute Genfer Maschine, wie auch der zuletzt durch eine gebrochene Kurbelwelle zu Boden gezwungene Berliner Rosinenbomber, dank technischer Aufrüstung instrumentenflugtauglich. Das originale Flugerlebnis beeinträchtigt das nicht. „Der Mensch fliegt wirklich das Flugzeug, nicht der Computer“, schwärmt Agullo. Das Gefühl sei ganz anders als in einem Jet, man fliege langsamer, tiefer, sehe mehr. Und er als Pilot müsse stets auf alles achten, etwa den Klang der Motoren, habe wie die Crew viel mehr Kontakt zu den Passagieren. Kurz: „Der Flug ist eine Reise, ein Abenteuer. Man wird nicht nur transportiert.“
Ein Buch erinnert an das Jubiläum
Diese Begeisterung ist auch beim Durchblättern des Buches zu spüren, das Agullo und sein Co-Autor Michael Prophet über die „Breitling“-Maschine und die Geschichte der DC-3 jetzt zu deren 80. Geburtstag herausgebracht haben. Anfangs hieß sie noch DST, für Douglas Sleeper Transport. Cyrus Smith, Boss von American Airlines, hatte bei Flugzeugbauer Donald Douglas eine Maschine mit Schlafkabinen für Nachtflüge bestellt, bald aber folgte die Version mit anfangs 21 Sitzplätzen, die auch andere Fluggesellschaften in ihre Luftflotten aufnahmen. Schließlich konnte man nun mit nur ein, zwei Tankstopps die USA in 15 Stunden durchqueren. Dafür hatte man zuvor einen ganzen Tag gebraucht. Die Eisenbahn hatte nun auf langen Strecken das Nachsehen.
Für den Einsatz im Zweiten Weltkrieg entstanden abgewandelte Versionen mit einer großen Seitentür zum Verladen von Material und zum Absetzen von Fallschirmspringern, etwa am D-Day 1944 über der Normandie. Auch viele zivile Maschinen wurden umgerüstet, hießen nun C-47 Skytrain oder Dakota und flogen später wie die Berliner Maschine während der Luftbrücke Versorgungsgüter in die abgeschnittene Frontstadt. Sogar im Vietnamkrieg kamen noch umgemodelte DC-3 als „Gunships“ zum Einsatz. Zum vorerst letzten Kampfeinsatz kam es 2008 in dem 007-Thriller „Ein Quantum Trost“, als sich James Bond in einer „Big Rosie“ getauften DC-3 gegen eine MG-bestückte Jagdmaschine und einen Kampfhubschrauber zur Wehr setzen musste. Keine Frage, wer dabei den Kürzeren zog.
Aber in der Hauptsache wurde die Geschichte der DC-3 nach 1945 wieder zivil und ist es bis heute, wie das reich und sehr dekorativ bebilderte Buch der beiden Flugenthusiasten zeigt. Man kann beim Blättern schon selbst ins Träumen geraten: die Genfer Maschine en bloc und en detail, mal am Matterhorn, mal über dem Rhônetal, der Normandie oder dem Wallis, dazu Hangarszenen und anschließend eine Reise in Bildern zu den über die Weltkugel verstreuten Exemplaren dieser fliegenden Legende, einschließlich der letzten im Linienflug betriebenen DC-3 der Buffalo Airways.
Den Flug in solch einem historischen Wunderding vermag das freilich nicht zu ersetzen. Allein das Anlassen der Motoren ist doch eine kleine Sensation, wenn sich die Propeller langsam zu drehen beginnen, plötzlich in einer Qualmwolke verbrannten Öls loswirbeln und das typische dumpf-satte Dröhnen der Pratt & Whitney-Kolbenmotoren erklingt. Wenn die Maschine losrollt, gemächlich abhebt und langsam, doch beharrlich, ein zuverlässiges Arbeitspferd der Lüfte, an Höhe gewinnt, aber nicht zu viel, die DC-3 hat schließlich keine Druckkabine.
Gute Sicht? Das schon, aber lange Kerls müssen ein wenig den Nacken beugen, wollen sie sich beim Blick durchs Kabinenfenster am Horizont orientieren – was bei turbulenten Wetterlagen angeblich helfen soll. Und die kann auch der beste Pilot nicht ausknipsen, da fängt der Silbervogel, gerade noch die Ruhe selbst, schon mal an zu tanzen, wird ein Opfer der Thermik, von Scherwinden mal hierhin, mal dorthin gezerrt, sackt gar sekundenkurz durch, flugtechnisch kein Problem, magentechnisch mitunter schon. Ja, das heißt noch wahres Fliegen ...
TIPPS FÜR HISTORISCHE FLÜGE
ANREISE UND INFORMATION
Genf erreicht man nonstop etwa mit Easyjet von Berlin-Schönefeld. Die Super Constellation Flyers Association, die von Basel aus auch die einzige noch flugfähige Lockheed Super-Constellation in Europa (Baujahr 1956) einsetzt, beginnt mit dem Flugbetrieb der DC-3 Anfang Mai. Der Flugplan wird im Februar auf der Internetseite flydc3.net publiziert (Telefon.: 00 41/ 79 700 /10 49 oder info@flydc3.net).
BUCHUNG UND PREISE
Wer in der DC-3, auch Dakota genannt, mitfliegen will, muss aus rechtlichen Gründen mindestens 30 Tage vor dem Flug für ein Jahr Mitglied des Vereins werden (120 Euro). Eine Flugstunde kostet pro Person zwischen 350 und 400 Euro, allerdings kann man die DC-3 auch komplett chartern,
zum stolzen Stundenpreis von 5600 Euro.
BLÄTTERN UND LESEN
Das Buch „Douglas DC-3 – Backstage“ von Francisco Agullo und Michael Prophet ist im Züricher AS-Verlag erschienen (Deutsch/Englisch, 101 Seiten, 112 Abbildungen, 39,90 Euro). Vom selben Verlag gibt es auch ein Buch über die Super-Constellation des Vereins.
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