Folgen der Clubschließungen wegen Coronavirus: „Wir kommen nur vier Wochen über die Runden“
Berliner Clubs müssen wegen des Coronavirus schließen. Das bedroht die Existenz, sagt der SchwuZ-Geschäftsführer - auch wenn man nach digitalen Formaten sucht.
Das SchwuZ in Neukölln ist der älteste queere Club Berlins - und einer der größten Clubs in der Hauptstadt insgesamt. Wir haben mit Geschäftsführer Florian Winkler-Ohm gesprochen, wie sich die Folgen der Schließung auf das Kulturzentrum auswirken.
Die Berliner Clubs müssen offiziell ab Dienstag wegen der Coronavirus-Epidemie schließen, das SchwuZ hat wie viele andere Clubs das Wochenende nicht abgewartet und das sofort umgesetzt. Warum?
Nach Abwägen aller Risiken und der klaren Ansage des Senats am Freitag hätten wir es für unverantwortlich gehalten, unsere Mitarbeitenden und die Gäste dieser Gefahr auszusetzen. Deswegen haben wir beschlossen, das ab Freitag zu machen. Das Berghain hatte ja auch schon vorher geschlossen. Wir können den Schritt des Senats, Clubs und Kneipen zu schließen auch nachvollziehen.
Sie hatten bereits Anfang der Woche berichtet, dass die Gästezahlen um 20 Prozent zurückgegangen sind. Das Geschäft mit Konferenzen, von dem das SchwuZ ebenfalls lebt, breche ein. Hat sich das im Laufe der vergangenen Tage weiter verschärft?
Einen weiteren Öffnungstag hatten wir in dieser Woche noch nicht, wir hätten aber für dieses Wochenende mit sehr wenigen Gästen gerechnet. Bei den Veranstaltungen hat sich die Lage dramatisch zugespitzt: Alle, die sich bis August bei uns eingemietet hatten, sind wegen der aktuellen Lage aus dem Vertrag ausgestiegen.
Was sind die Folgen für das SchwuZ? Sie hatten gesagt, schon eine Schließung von wenigen Wochen könnte existenzbedrohend sein.
Das ist in der Tat eine existenzbedrohende Situation für uns. Wir haben diese Woche genutzt Maßnahmen einzuleiten, um diese Krise so lange wie möglich zu überstehen. Stand jetzt sieht es so aus, dass wir vier bis fünf Wochen mit dem Volumen des uns zur Verfügung stehenden Geldes über die Runden kämen. Danach ist definitiv Schluss.
Warum würde das so schnell drohen?
Wir haben enorme Mietbelastungen, wir haben Darlehensverpflichtungen – das SchwuZ hat enormes Geld in den Standort am Rollberg investiert, um aus leeren Industriehallen ein kulturelles Veranstaltungszentrum zu entwickeln.
Wir haben über hundert Mitarbeitende. Da ist noch nicht einmal an unsere rund 300 freien Künstler*innen gedacht, an Drag Kings, Drag Queens, freiberufliche Kulturschaffende, die alle ebenfalls in ihrer Existenz bedroht sind.
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Wie können Sie diese vier bis fünf Wochen abmildern?
Wir versuchen das abzufedern durch Spendenaufrufe und Crowdfundingkampagnen, die wir ab Samstag veröffentlichen werden.
Gibt es Signale vom Senat, dass es Hilfen für die Berliner Clubs geben wird?
Wir wissen nur, dass Rettungsschirme in Aussicht gestellt werden. Bürgschaftsbanken sind angewiesen, kulante Regelungen zu treffen. Finanzämter sind angehalten, Stundungen zu erteilen. Allerdings ist noch nichts davon konkret. Wir haben noch keine näheren Infos, und setzen auf unseren Verband, die Clubcommission.
Das SchwuZ befindet sich in Neukölln. Wie sieht es mit dem Vermieter aus? Wäre der kulant?
Anders als andere Clubs haben wir eine Schweizer Stiftung, die Kultur und Wohnen miteinander auf dem Kindl-Areal vereint. Wir sind die Ankermieterin auf dem Gelände. Wir haben schon zu Beginn der Woche angekündigt, dass es knapp werden könnte und ob eine Stundung möglich wäre.
Gab es schon eine Antwort?
Die ersten Signale sehen positiv aus. Es gibt zwar noch keine Entscheidung, aber man versprach uns, das mit größter Sorgfalt zu prüfen. Denen ist nicht daran gelegen, dass das SchwuZ als Institution Neukölln verlässt.
Gibt es Ideen, wie man die Zeit mit digitalen Formaten überbrücken kann? Clubs sind ja eigentlich dazu da, dass man sich analog trifft.
Wir haben mit einem Fernsehsender erste Gespräche geführt, Konzerte aus dem SchwuZ zu senden und live zu streamen, wie das auch die Theater machen wollen. Arte macht das ja bereits bei uns im Haus mit Besucher*innen. Es gibt die Idee, bezahlte Porn-Screenings aus dem SchwuZ laufen zu lassen. Fürs Crowdfunding wollen wir attraktive Preise anbieten, es gibt die Möglichkeit Clubkarten zu verkaufen.
Und es gibt ganz viel Solidarität von anderen Institutionen, die gesagt haben: Wir richten für euch einen Soli-Euro ein und sammeln für euch mit, damit ihr ein bisschen länger über die Runden kommt. Diese Welle der Solidarität ist in der Tat ziemlich überwältigend.
[Das SchwuZ hat unter dem Titel #saveourschwuz eine Spendenaktion gestartet. Alle Infos dazu finden sich auf der Webseite des Kulturzentrums.]