Homosexuelle Flüchtlinge: Wenn Behörden an der Verfolgung zweifeln
Seit 1988 ist Homosexualität als Asylgrund anerkannt. Das hört sich einfacher an, als es ist. Ehrenamtliche wie Dirk Siegfried helfen.
Seine Mandanten haben nur wenig Geld, sie stellen Fragen wie: „Wie lange muss ich in der Gemeinschaftsunterkunft leben?“ Oder: „Wann kann ich arbeiten?“. Sie sagen aber auch immer wieder: „Ich werde in meiner Heimat aufgrund meiner sexuellen Identität verfolgt. Wie sind meine Chancen, dass ich bei einem Asylverfahren aus diesem Grund eine Anerkennung erhalte?" Dirk Siegfried ist Rechtsanwalt, spezialisiert auf Asylrecht, und er berät zum größten Teil homo- oder transsexuelle Flüchtlinge. 2013 hat er den Zivilcouragepreis des Lesben- und Schwulenverbandes erhalten.
Der Jurist arbeitet mit dem Homosexuellen-Projekt „Mann-o-Meter“ zusammen, aber auch mit dem Lesben- und Schwulenverband. Einmal im Monat bietet er ehrenamtlich Beratungstermine für Flüchtlinge an, in der Regel kommen dann zwei bis vier Personen. „In letzter Zeit“, sagt er, „kommen viele Fragen, die sich aus dem laufenden Asylverfahren stellen“. Da geht es um medizinische Betreuung, die eigene Wohnung, Arbeitsmöglichkeiten.
Im Jahr 1988 hat das Bundesverwaltungsgericht die Verfolgung wegen Homosexualität in einem Land als Asylgrund anerkannt. In den ersten Jahren ging es dann darum, diese Homosexualität zu beweisen, inzwischen steht ein anderer Punkt im Vordergrund. Die Frage, ob denn in der Heimat des Betroffenen wirklich eine rigorose Verfolgung stattfinde. Oder ob nicht durch zurückhaltendes Auftreten oder durch die Vermeidung bestimmter Gebiete ein ganz normales Leben möglich sei. Und damit eigentlich gar kein Grund bestehe, Asyl zu gewähren.
Auf solche Fragen und Diskussionen bereitet Siegfried seine Klienten vor. Ihn bewegen vor allem die strukturellen Probleme, denen die Flüchtlinge ausgesetzt sind. Die endlosen Warteschlangen, die Tatsache, dass sogar Kranke vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales ausharren, „dass Selbstverständlichkeiten nicht funktionieren“.
Der Fall des erfundenen toten Flüchtlings hat bislang keine Auswirkungen auf seine Arbeit. Keine schöne Sache, sagt er, aber das Schlimmste eigentlich ist ja: „Es hätte ja durchaus sein können, dass da jemand stirbt. Es ist ein absoluter Glücksfall, dass es noch keinen Toten gegeben hat.“
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