Queer weiß das (21): Warum müsst ihr mitteilen, homosexuell zu sein?
Die Kolumne im Queerspiegel: Heteros fragen, Homos antworten. Heute mit einer Frage zum Öffentlichmachen von Homosexualität.
Immerzu lese ich von Prominenten, die sich geoutet haben. Auch Kollegen von mir haben das getan. Warum müsst ihr ständig mitteilen, dass ihr homosexuell seid? - Anke, Heiligensee
Ich erinnere mich an eine Karikatur, die zwei Schwule im Café zeigt. Einer sagt zur Kellnerin: „Erstens sind wir schwul, zweitens hätten wir gerne zwei Himbeereis mit Sahne.“ Die Botschaft: Der Drang zur Selbstoffenbarung kennt bei Schwulen keine Grenzen, noch im unpassendsten Moment drängen sie wildfremden Leuten ihre Sexualität auf.
So wie der/die Karikaturist_in denken offenbar viele Heterosexuelle. „Die sexuelle Orientierung ist doch Privatsache!“, heißt es oft – warum müssen Schwule und Lesben also unbedingt am Arbeitsplatz ihre Homosexualität mitteilen, wo sich doch Heterosexuelle auch nicht öffentlich über ihr Intimleben auslassen?
Aber teilt, wer sich als Homo zu erkennen gibt, wirklich mehr über sein Intimleben mit als all jene, die sich als heterosexuell zu erkennen geben? Natürlich nicht. Wie kommt es dann aber, dass Homosexualität als etwas ganz Privates gelten soll, während Heterosexualität selbstverständlich in aller Öffentlichkeit gepflegt wird: vom Foto der Ehefrau auf dem Betriebsschreibtisch bis zum paarweisen Auftreten beim Presseball?
Das Öffentlichmachen von Homosexualität gilt als aufdringlich
Während die Zurschaustellung von Heterosexualität gar nicht auffällt, gilt das Öffentlichmachen von Homosexualität schnell als aufdringlich. Gerade die erkämpfte Liberalisierung wird paradoxerweise als Argument dafür angeführt, dass Homos sich zurückhalten sollten: Warum müssen sie sich nervig outen, da doch kaum jemand mehr Homosexualität als anstößig empfindet?
Sogar manche Homos denken so. Sie argumentieren, dass ihre Homosexualität nicht ihre gesamte Persönlichkeit bestimmt, weshalb sie dieses eine Merkmal auch nicht an die große Glocke hängen wollen. Allerdings ist Homosexualität längst nicht so akzeptiert, dass man darüber nicht mehr reden müsste. Auf Schulhöfen und in Betrieben droht weiter Mobbing. Das Coming-out ist also ein Befreiungsschlag, weil es das Versteckspielen beendet. Wer sich outet, macht sich zwar angreifbar – aber nicht geoutet zu sein, kann ebenfalls riskant sein. Seit jeher haben Heteros versucht, ungeoutete Homos zu erpressen. Zu den prominenten Bedrohten in der deutschen Politik gehörten Ole von Beust und Klaus Wowereit.
Normal sein kann Homosexualität erst, wenn sie das Schamvolle und Skandalöse loswird, das die Mehrheitsgesellschaft ihr anhängt. Dazu müssen Homos sich als gewöhnliche Mitbürger_innen sichtbar machen. Die Behauptung, dass Homos sich vor jedem Kellner outen, ist insofern ein homofeindlicher Witz.
Folge 20: Ist Homosexualität angeboren?
Folge 19: Warum ordnen sich Homosexuelle selber in Schubladen ein?
Folge 18: Warum seid ihr Schwulen immer so tuckig?
Folge 17: Wozu braucht man immer noch den CSD?
Folge 16: Was bedeutet Pinkwashing?
Folge 15: LGBTI bis Trans* - warum redet ihr so kompliziert?
Dieser Text erschien zunächst in der gedruckten Samstagsbeilage Mehr Berlin.
Haben Sie auch eine Frage an die Tagesspiegel-Homos? Dann schreiben Sie an: queer@tagesspiegel.de!
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