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Auf Facebook wird auch gegen Homosexuelle gehetzt.
© dpa

Homophobie im Netz: Morddrohungen gegen Homosexuelle auf Facebook

Die Hetze im Internet nimmt auch gegen Homosexuelle zu. Die Gruppe "Enough is Enough" kämpft dagegen - obwohl Facebook die Arbeit manchmal behindert.

Die Facebook-Gruppe „Größte Addbörse 2015“ ist ein Ort der pubertären Verzweiflung. Hauptsächlich tummeln sich dort Jugendliche, die um Aufmerksamkeit buhlen, und das mit kruden Mitteln. Viel Porno, viele Selfies mit Schmollmündern, „Wer will schreiben?“, „Wie findet ihr mein Outfit?“, „Ich bin die Geilste“ und: viele Beleidigungen. Untereinander, aber auch gegen Minderheiten, Ausländer, Frauen. Eine der Nutzerinnen war Sara K., die schrieb: "Homosexuelle Menschen gehören getötet. Ist ja widerlich“.

"Enough is Enough" machte die Morddrohung öffentlich

Einer von vielen homophoben Kommentaren, die das Team von „Enough is Enough!Open your Mouth!“ auch auf ihrer Facebookseite öffentlich gemacht und gemeldet hat. "Enough is Enough“ ist die größte LGBTI-Aktivistengruppe in Deutschland. 67 000 Likes haben sie auf Facebook. Für ihre Kampagnen hat die Gruppe auch schon diverse Prominente vor die Kamera bekommen. Die Gruppe setzt sich vor allem für die Rechte von LGBTI-Menschen und gegen Homophobie ein.

Zudem bekämpft sie die homofeindliche Hetze im Netz. Hetze, wie sie K. betreibt. „Enough is Enough“ teilte den Post von K. auf ihrer Facebookseite mit der Überschrift „#VollpfostenDesTages“. „Es ist wichtig, dass Homophobie nicht übersehen wird“, sagt Alfonso Pantisano, Aktivist und Sprecher von „Enough is Enough“.

Facebook sperrt die Aktivisten - nicht die Hass-Posterin

Sara K. bemerkte die Aufmerksamkeit der Aktivisten. Ihr Post bekam Gegenantworten. „Ich leite dich weiter zur Anzeige“, schrieb ein User. „Ok ich freue mich auf die Anzeige“ war K.s Antwort. Sie rief ihre Freunde im Gegenzug dazu auf, die Seite von "Enough is Enough" zu melden. Und es klappte. Facebook ließ den Post über sie löschen, sogar die ganze Seite von "Enough is Enough" war für 24 Stunden gesperrt. „Wir konnten einen Tag nicht arbeiten“, sagt Pantisano.

Dieser Post führte zu einer Sperrung bei Facebook. Nicht bei Sara K. sondern bei der Menschenrechtsgruppe "Enough is Enough! Open your Mouth!"
Dieser Post führte zu einer Sperrung bei Facebook. Nicht bei Sara K. sondern bei der Menschenrechtsgruppe "Enough is Enough! Open your Mouth!"
© Facebook

K. hat mehrere Profile auf Facebook. Auch wenn eines eventuell nach der Meldung von "Enough is Enough" gesperrt wurde, hatte sie die Möglichkeit, über die anderen weiterhin zu posten. "Es kamen weitere homophobe Posts von ihr", sagt Pantisano.

Ein Algorithmus reicht nicht

Wie Facebook mit Hasskommentaren umgeht, darüber wird derzeit heftig diskutiert. Dass der Post von „Enough is Enough“ gelöscht wurde, liegt womöglich an zwei Dingen: Zum einen, weil viele Meldungen über die Seite eingingen, zum anderen, weil die Inhalte von Facebook teilweise über einem Algorithmus geprüft werden. Dieser erfasst den Inhalt eines Posts, nicht aber den Kontext.

Zwar gibt es in der Facebook-Zentrale in Irland eine Abteilung, die sich ausschließlich um eingegangene Meldungen kümmert, sie prüft, gegebenfalls Kommentare aus dem Netz nimmt und User oder gleich ganze Foren sperrt. Die Masse aller gemeldeter Hasskommentare in kurzer Zeit manuell zu bearbeiten, dürfte jedoch unmöglich sein. Und der Algorithmus macht weiterhin Fehler.

Anfang August schrieb Facebook-Sprecherin Tina Kulow zu den Richtlinien von Sperrungen: „Unsere Reporting-Systeme sind dafür entwickelt, Menschen vor Missbrauch, Hassrede und Mobbing zu schützen, und es ist bedauernswert, dass gelegentlich Fehler gemacht werden, wenn solche Reports bearbeitet werden.“ Einzelfälle wie den Aktuellen kommentiert Facebook grundsätzlich nicht.

"Facebook muss mehr tun"

"Facebook müsste mehr in dieser Hinsicht tun", findet Pantisano. Das Team von "Enough is Enough" arbeitet an manchen Tagen bis spät in die Nacht, um möglichst viele Hasskommentare zu melden und gegebenenfalls rechtliche Schritte einzuleiten. Viele solcher Fälle landen bei der Staatsanwaltschaft Berlin. Dort gibt es in der Abteilung für Sexualstrafsachen eigene Ansprechpartner, die sich um LGBT-Fälle kümmern. Auch gegen K. läuft ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung.

Inzwischen wurde der Posterin gekündigt

„Enough is Enough“ leitete die Zitate von K. an ihre Arbeitsstelle weiter. K. hatte vor ein paar Wochen eine Ausbildung in einem Altenpflegeheim angefangen. Am Dienstag wurde ihr fristlos gekündigt. „Leider!“, sagt Pantisano. Ihm ist bewusst, dass sich homophobe Einstellungen durch solche Folgen eher noch verstärken könnten. Verzichten würde Pantisano dennoch nicht darauf, den Arbeitgeber zu informieren. Denn ihm gehe es auch darum, ein starkes Zeichen für die LGBTI-Community zu setzen: Homophobe Hetze ist kein Kavaliersdelikt.

Homophobie im Netz werde nach wie vor unterschätzt, sagt Pantisano: „Mit Hetze im Netz verbindet man Rassismus und Antisemitismus. Wenige denken an Homophobie. Diese ist noch viel zu akzeptiert in unserer Gesellschaft“.

Digitales Handeln, reale Konsequenzen

Wird ein Fall jedoch öffentlich gemacht, dann ist die Resonanz und die Konsequenzen erheblich, wie der Fall von K. zeigt. Auch ihr Freund Max H. bekam das zu spüren. Er hetzte nicht nur gegen Homosexuelle, sondern äußerte sich islamfeindlich und rassistisch: "ich führe buch über meine morde als wäre ich adolf hitler ich schlage kinder und schwule und mir ist scheißegal was ihr über mich denkt", lautete einer seiner Kommentare. Diese Äußerungen kosteten H. ebenfalls seinen Ausbildungsplatz bei Zalando - am Dienstag wurde er, drei Wochen nach Beginn der Ausbildung, freigestellt.

Max H. und Sara K. sind nach Angaben von "Enough is Enough" befreundet.
Max H. und Sara K. sind nach Angaben von "Enough is Enough" befreundet.
© Facebook

Warum Jugendliche mit ihren Klarnamen Hetze im Internet betreiben, kann sich Pantisano nicht wirklich erklären. "Wenn ich mir "Biggest Addbörse 2015" anschaue, dann besorgt mich vor allem die große Langeweile, die die Jugendlichen haben", sagt er. Aufmerksamkeit, so scheint es, ist die größte Belohnung - auch wenn man dabei Menschenrechte verletzt werden.

"Enough is Enough" beobachtet weiterhin das Netz, auch "Biggest Addbörse 2015". "Das klingt zwar idealistisch", sagt Pantisano: "Aber unsere Arbeit ist erst getan, wenn es keine Homophobie mehr gibt."

Mehr LGBTI-Themen erscheinen auf dem Queerspiegel, dem queeren Blog des Tagesspiegels. Themenanregungen und Kritik gern im Kommentarbereich etwas weiter unten auf dieser Seite oder per E-Mail an: queer@tagesspiegel.de. Unter dem Hashtag #Queerspiegel können Sie twittern, zum Feed geht es hier.

Alice Hasters

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