Grüne fordern Änderung: Homophobie als Tatmotiv? Leider nicht erfasst
In der Polizeistatistik werden homophob motivierte Straftaten nicht einzeln erfasst. Volker Beck, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, fordert jetzt eine Änderung. Auch das neue Gesetz zur Hasskriminalität geht ihm nicht weit genug.
Wie viele homophob motivierte Straf- und Gewalttagen gab es seit 2007 in Deutschland? Wie viele Todesopfer gab es wegen Homophobie? Das wollte Volker Beck von den Grünen im Juni vom Innenministerium wissen. Eine explizite Antwort bekam er nicht. Konnte er nicht bekommen.
Schon die Zahlen in Berlin sind höher als die vom Bund erfassten
In der Polizeistatistik werden homophob motivierte Straftaten nicht einzeln erfasst. Aufgeführt werden sie nur in dem internen Kriminalpolizeilichen Meldedienst „Politisch motivierte Kriminalität“. Allerdings auch dort nicht gesondert, sondern zusammengefasst unter „Hasskriminalität“. Unterpunkt „Sexuelle Orientierung“. In dieser Kategorie habe das Bundeskriminalamt im vergangenen Jahr bundesweit 184 Straftaten gelistet, teilte das Innenministerium Beck mit. Allerdings zählte Maneo, ein schwules Anti-Gewalt-Projekt in Berlin, im selben Zeitraum allein 225 Fälle in der Hauptstadt. „Die genannten Zahlen decken allenfalls etwas mehr als die Summe der Strafanzeigen ab, die ich wegen homophober Drohungen und Beschimpfungen gestellt habe“, sagte der innenpolitische Sprecher der Grünen. „Sie bilden keinesfalls den Umfang homophober Straf- und Gewalttaten in diesem Land ab.“
Im Innenministerium heißt es auf Nachfrage, der Meldedienst müsse für die Polizeibeamten handhabbar sein. Es müsse eine Balance geben zwischen Differenziertheit und der Praktikabilität im Alltag der Polizei. „Das Themenfeld Hasskriminalität ist bereits in sieben Unterthemen unterteilt“, sagte ein Sprecher. Und bislang seien sich Bund und Länder einig, dass der Punkt „Sexuelle Orientierung“ ein gutes Mittel zwischen den beiden genannten Polen sei.
Gefordert wird mehr Wachsamkeit bei Polizisten und Richtern
Seit Jahren schon setzt sich Beck dafür ein, dass sich die Rechtslage in Bezug auf homophobe Straftaten ändert. Er will mehr Wachsamkeit bei Polizisten, Staatsanwälten und Richtern, damit sie homophobe Delikte als solche erkennen. Er will auch bessere Prävention und wirksamere Strafverfolgung. Der Gesetzentwurf zu „Hasskriminalität“, den die Regierung 2014 beschlossen hatte und der vom 1. August 2015 an gilt, ist ihm zu wenig. Ergänzt wurde der Paragraf 46 im Strafgesetzbuch – und zwar dahingehend, dass das Gericht „rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende“ Beweggründe stärker berücksichtigt. Von antimuslimisch, von antisemitisch oder homophob kein Wort. Das sei zu undifferenziert, findet Beck.
Die Erweiterung des Paragrafen 46 ist eine Konsequenz aus der Mordserie des rechtsextremen Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) gewesen. Bei den Ermittlungsbehörden kam lange niemand auf die Idee, dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit Ursachen gewesen sein könnten. Durch den Gesetzentwurf sollen die Ermittlungsbehörden verstärkt auf solche Motive achten, und sie sollen beim Strafmaß berücksichtigt werden. „Das heißt, Straftäter können mit längeren Freiheitsstrafen belegt werden“, erklärte Justizminister Heiko Maas. Kritiker wie Beck warfen ihm Symbolpolitik vor: „Eine stärkere Berücksichtigung der Tatmotive beim Strafmaß klingt zwar schön, ist aber völlig nutzlos, wenn bereits bei der Erfassung die menschenfeindliche Motivation unerkannt bleibt.“
Das Grundproblem existiert bei den Ermittlungen
Widerspruch kam während des Gesetzgebungsprozesses im vergangenen Jahr auch von der Justiz. Rassistische Motive könnten schon jetzt berücksichtigt werden, lautete das Argument vom Deutschen Anwaltverein (DAV). „Ich halte das für eine Schaufensterpolitik, die auch ein wenig von den eigentlichen Problemen ablenkt“, meinte Stefan König vom DAV. Das Grundproblem existiere vielmehr bei den Ermittlungen, bei der ersten Einordnung einer Tat. Zudem müsse Strafzumessung von jedem Schematismus frei sein.
Beck fordert: Bei Hasskriminalität sollte stets ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung angenommen werden. Zu oft würden Verfahren wegen homophober Straftaten vorschnell eingestellt. Hasskriminalität müsse ein größeres Thema bei der Aus- und Fortbildung von Polizisten und Staatsanwälten sein.
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