Kirchliche Trauung für alle - jetzt auch in Berlin: Marienkirche traut erstes homosexuelles Paar
In der Marienkirche in Berlin-Mitte haben zwei Männer geheiratet. Das ist ein Novum in der evangelischen Landeskirche.
Vor dem Altar der evangelischen Marienkirche stehen sich am Freitagnachmittag zwei große, kräftige Männer mit kurzem Haar gegenüber und blicken einander an. Sven Kretschmer greift nach der rechten Hand seines Ehemanns Tim Kretschmer-Schmidt und schreibt Geschichte.
Zum ersten Mal wurde in Berlin und Brandenburg ein gleichgeschlechtliches Paar kirchlich getraut. Sven Kretschmer und Tim Kretschmer-Schmidt sind seit 14 Jahren zusammen und haben ihre Lebenspartnerschaft vor wenigen Wochen auf dem Standesamt besiegeln lassen.
Bislang gab es nur den Segen der Kirche
Das ist die Voraussetzung für die kirchliche Trauung, und gilt natürlich auch für Heteros. Homosexuelle durften bisher aber nicht auf die gleiche Weise in der Kirche feiern wie Mann-Frau-Paare, für Schwule und Lesben war bisher nur eine Segnung drin, es wurden keine Ringe getauscht und die Ehe wurde nicht ins Kirchenbuch eingetragen. „Unsere Kirche hat mit der Diskriminierung Schluss gemacht und der Gottesdienst heute war das sichtbare Zeichen dafür“, sagt Gemeindepfarrer Eric Haußmann, der den Gottesdienst gemeinsam mit Justus Münster, dem Landespfarrer der Notfallseelsorge feierte. „Dieser Schritt ist ein wichtiges Zeichen, dass alle willkommen sind. Das ist euer Haus“, sagt Haußmann.
Und die beiden Eheleute machen sich am Freitag das Haus zu eigen. Sie sind gekleidet im Stil der Ska-Musikszene und geben auch inhaltlich der Feier ihre ganz persönliche Note: „Am Anfang unserer gemeinsamen Zeit fragtest du mich was mir in einer Beziehung wichtig sei. Humor und ein eigener Kopf habe ich geantwortet und bekommen“, sagt Tim Kretschmer-Schmidt, als er sein Ehegelübde vor der bunten Gemeinde verliest. Es ist eine emotionale, aber schnörkellose Trauung an diesem Freitag, auf den die beiden so lange gewartet haben.
Sie haben schon lange auf diesen Tag gewartet
„Dass jetzt eine Trauung möglich ist, wurde von vielen mit Erleichterung aufgenommen“, sagt Christoph Heil von der Evangelischen Kirche. Allerdings sei es auch nicht so, dass nun viele lesbische und schwule Paare für eine Trauung Schlange stünden. „Wir wissen bisher nur von dieser, aber wir erfassen das auch nicht zentral.“ Tim Kretschmer-Schmidt und Sven Kretschmer sind sich einig: „Der Glaube ist ein wichtiges Element unserer Beziehung. Es war uns sehr wichtig uns kirchlich zu trauen.“ Der 46 Jahre alte Kretschmer-Schmidt arbeitet als Sicherheitsfachmann im Verkehrswesen, sein Mann, 43 Jahre, ist Gemeindepädagoge.
Die gleichgeschlechtliche Trauung war in der Kirche umstritten
Die kirchliche Trauung gleichgeschlechtlicher Paare ist bisher erst in vier von 20 evangelischen Landeskirchen möglich: neben Berlin in Hessen-Nassau, der rheinischen Kirche und der Landeskirche Baden. Die katholische Kirche tut sich deutlich schwerer. Die Position des Vatikans ist strikt gegen eine Ehe für Homosexuelle. Auch in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz war das Thema nicht unumstritten, auch wenn das Ergebnis am Ende deutlich ausfiel „Die Trauung eingetragener Lebenspartnerschaften feiert das Zeugnis für die verbindliche Partnerschaft, für das verlässliche, verantwortliche, lebenslange Fürsorgen, Lieben und Eintreten zweier Menschen füreinander“, sagte Propst Christian Stäblein damals.
Beschwingt und sichtlich gerührt stehen die frisch vermählten Ehemänner nach der Trauung vor dem Tor der Marienkirche. „Wir hoffen sehr, dass uns viele folgen werden. Die Kirchentüren sind offen. Kommt zurück, kommt her – traut euch!“