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Olympia in Rio.
© imago/Xinhua

Daily Beast "testet" Dating-App Grindr in Rio: US-Magazin outet homosexuelle Olympioniken

Das US-Magazin "Daily Beast" hat mehrere schwule Athleten zwangsweise geoutet, einige davon aus Ländern, in denen Homosexuelle verfolgt werden.

Das vermeintlich wilde Sexleben im Olympischen Dorf erregt vor allem bei Boulevardmedien immer wieder Neugier, die gern die Zahl der Kondome kolportieren, die an die Athletinnen und Athleten ausgeteilt werden. Für das US-Magazin "The Daily Beast" war das jetzt der Anlass für einen Selbstversuch, im Olympischen Dorf auf Dating Apps "Teil der Bacchanalien" sein zu wollen, wie es in dem entsprechenden Stück auf der Webseite hieß - was massive Kritik ausgelöst hat. Weil auf Apps für Heterosexuelle in den Augen des Autors zu wenig los war, konzentrierte er sich bei seinem Text schnell auf das, was er auf der schwulen Dating-App "Grindr" erlebte. Dabei machte er implizit das Schwulsein mehrerer Athleten öffentlich, die bislang ungeoutet waren. Einige stammen sogar aus Ländern, in denen Homosexualität kriminalisiert ist.

Zwar nannte "Daily Beast"-Autor Nico Hines - selber ein heterosexueller Familienvater mit Kindern, wie er in dem Stück betonte - nicht die Namen der Athleten, mit denen er chattete. Allerdings beschrieb er ziemlich detailliert Alter, Herkunftsland, Sportart, Größe, Gewicht und teilweise sogar die Platzierungen der Sportler, so dass sie leicht zu identifizieren waren.

Auf die Tragweite von Hines`Stück machte mit "Slate" ziemlich früh ein anderes US-Internetmagazin aufmerksam. Man konnte "die Namen von mindestens fünf Athleten durch einfaches Googeln binnen weniger Minuten herausfinden", kritisierte "Slate" und nannten Hines' Vorgehen "gefährlich und schäbig". Der Autor nehme in Kauf, dass die Sportler in ihren Teams Diskriminierungen ausgesetzt werden, womöglich in ihrer Heimat sogar verfolgt werden. Der Text des "Daily Beast"-Autors sei umso unethischer, weil er offenbar wissen konnte, welchen Gefahren er die Athleten aussetzte. Denn Hines wies zunächst sogar explizit darauf hin, dass einige aus homophoben Ländern stammen.

Der Autor ist selber heterosexuell und Familienvater

Hines rechtfertigte sich, er habe nicht geheim gehalten, dass er ein heterosexueller Familienvater und Journalist auf Recherche sei. Davon kann aber kaum die Rede sein: Schließlich gab er diese Informationen nicht auf seinem Grindr-Profil preis, das er sich für seine Reportage angelegt hatte. Vielmehr teilte er das erst mit, wenn Chatpartner danach fragten. Es ist also sehr unwahrscheinlich, dass viele der Betroffenen davon erfuhren - wer fragt auf einer schwulen Dating-App schon danach, ob der Chatpartner in Wahrheit heterosexuell ist und sein Profil zu Recherchezwecken nutzt?

"Daily Beast" reagierte zunächst, indem es den Text "entschärfte" und mehrere Details strich. Zuvor hatte es bereits einen Shitstorm im Internet gegeben. Gus Kenworthy, offen schwuler Olympiasieger im Ski-Freestyle, schrieb, Hines habe die Athleten in eine Falle gelockt und geoutet, "nur um ein Scheißstück" schreiben zu können.

"Das Leben von Menschen wird für Clickbaiting ruiniert"

Der ebenfalls offen schwule Olympiaschwimmer Amini Fonua aus Tonga veröffentlichte eine ganze Reihe von Tweets: Er als Mann aus einem immer noch homophoben Land könne "Daily Beast" nur sagen, dass sich das Magazin für die Veröffentlichung des Textes schämen solle. Der Autor ruiniere das Leben mehrerer Menschen, um möglichst hohe Klickzahlen zu erzielen.

Inzwischen ist der Text von der Webseite von "Daily Beast" verschwunden. Stattdessen steht dort eine ziemlich lange Erklärung und Entschuldigung des Chefredakteurs der Webseite. "Wir hoffen, das Zurückziehen des Textes zeigt, wie ernst wir unseren Fehler nehmen, der sowohl unseren Werten als auch dem widerspricht, was wir als Journalisten anstreben". Fraglich, ob das den genannten Athleten hilft - der Text zirkulierte schließlich mehrere Stunden mit allen Informationen im Netz.

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