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In Szene-Kneipen wie in der „Heilen Welt“ im Kiez am Nollendorfplatz sind die schwulen Berater von Mann-O-Meter regelmäßig zu Gast, um auch über ernste Themen wie Safer Sex zu reden.
© David Heerde

Schwule Initiativen in Berlin: Mann-O-Meter und Maneo: Teamgeist gegen Homophobie

Mann-O-Meter und Maneo, die bekanntesten schwulen Projekte Berlins, feiern rundes Jubiläum. Aber was machen sie eigentlich? Besuch im Nollendorfkiez.

Berlin gilt als tolerante, weltoffene Stadt. Hier leben die meisten Homosexuellen der Bundesrepublik, annähernd 350.000 Männer und Frauen. Zwei Institutionen der schwulen Szene Berlins, das Anti-Gewalt-Projekt Maneo und das Infocafe Mann-O-Meter am Nollendorfplatz, sind bundesweit bekannt. Dieses Jahr feiern die Projekte ihr 25- beziehungsweise 30-jähriges Bestehen mit einer Wohltätigkeitsgala im Tipi am Kanzleramt. Und ihre Mitarbeiter, Ehrenamtler und Honorarkräfte haben heute nicht weniger zu tun als in den Anfangsjahren.

Rat von Gleichgesinnten ist gefragt

„Schwule Gewaltopfer haben noch immer oft Hemmungen, sich bei der Polizei zu melden“, sagt Bastian Finke. Er gehört zu den Initiatoren von Maneo und leitet das Projekt bis heute. Wie viele Menschen er über die Jahre beraten hat, weiß Finke nicht genau – es könnten gut und gerne 10 000 gewesen sein. Auch Jörg Steinert, Geschäftsführer des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg, kennt die beiden Seiten der Medaille. Einerseits zögen viele Lesben, Schwule und Transgender nach Berlin, weil sie hier selbstbestimmt und frei leben können. Es komme jedoch zugleich immer wieder zu Übergriffen, wenn ein homosexuelles Paar nur Händchen haltend durch die Straßen läuft.

Von Links: Maneo-Leiter Bastian Finke mit Mitarbeiter Moritz Konradi und Ehrenamtler Jörg Gaydos.
Von Links: Maneo-Leiter Bastian Finke mit Mitarbeiter Moritz Konradi und Ehrenamtler Jörg Gaydos.
© Nándor Hulverscheidt

Entscheidend für Betroffene sei, dass Maneo ein Angebot von Schwulen für Schwule ist, sagt Bastian Finke. Denn die Angst, bei einer Behörde nicht ernst genommen, für nicht männlich genug gehalten zu werden, ist oft groß. Besonders schwer haben es Schwule, die das Coming Out noch nicht hinter sich haben und trotzdem Opfer wurden. Da ist laut Finke die Furcht nach der Tat groß – und die Sorge, wie Familie und Freunde reagieren. 380 Jugendliche und Erwachsene haben sich 2014 an die kostenlose Beratung von Maneo gewandt. Manchmal genügt ein Gespräch, mal gibt es vier bis fünf Sitzungen.

Kampf gegen die Dunkelziffer

Jeder Vorfall wird am Opfertelefon jedenfalls akribisch dokumentiert. Am häufigsten registrieren die Maneo-Mitarbeiter Beleidigungen. Gleich darauf folgen Fälle von Körperverletzung beziehungsweise gefährlicher Körperverletzung – Schwule werden bespuckt, getreten, geschlagen. Homosexuelle werden zudem häufig Opfer von Nötigung oder Raub, da Täter sie für schwach halten. Insgesamt notierte Maneo 2014 fast 200 homophob motivierte Taten. Die Landesstatistik weist für den gleichen Zeitraum 74 Straftaten aus. „2013 hatten wir mit 132 Fällen einen Höchstwert“, sagt Harald Kröger. Er und eine Kollegin sind beim Landeskriminalamt in Vollzeit mit dem Thema Gewalt wegen Homo- und Transsexualität beschäftigt. Die Dunkelziffer dürfte einen niedrigen dreistelligen Betrag erreichen. Die Zahl dieser stillen Fälle zu senken, ist ein zentrales Ziel von Maneo.

Früher war Alles schlechter

Für Maneo-Leiter Finke ist Berlin trotzdem ein Vorbild für andere Städte. Man könne hier sagen: Gott sei Dank hat sich vieles gebessert. Gemeint sind etwa Kröger und seine Kollegin als Beauftragte für Lesben, Schwule und Transgender bei der Polizei. Und auch die Staatsanwaltschaft hat seit drei Jahren eine Sonderstelle – damals zur Gründung von Mann-O-Meter 1985 und Maneo fünf Jahre darauf absolut unvorstellbar. „Als wir anfingen, führte die Weltgesundheitsorganisation Homosexualität noch als psychische Krankheit“, erinnert sich Bastian Finke.

In der Bundesrepublik wie in der DDR stand die gleichgeschlechtliche sexuelle Orientierung lange unter Strafe, im Zuge der Aidskrise wurden Schwule zu Sündenböcken. Mann-O-Meter war ursprünglich ein Vernetzungsprojekt. Denn anders als es das Klischee suggeriert, ist die Gesamtheit der Schwulen heterogen – Finke spricht von den schwulen Szenen.

Maneo war damals eine Reaktion auf die aufkeimende Diskriminierung und wurde ursprünglich im Jahr des Mauerfalls für West-Berlin konzipiert. Als man plötzlich den Osten integrieren musste, war man mit einer noch größeren Kluft zwischen Homosexuellen und Staat konfrontiert – verschuldet durch die Überwachung der Staatssicherheit.

Die Berliner sind Pioniere

Mann-O-Meter und Maneo sind in vielen Bereichen Vorreiter gewesen. Seit 2007 können Männer am Nollendorfplatz einen kostengünstigen Schnelltest auf HIV machen lassen, wenige Jahre später sind vergleichbare Angebote in allen größeren deutschen Städten Standard. Bei Mann-O-Meter ließen sich allein 2014 annähernd 1400 Männer untersuchen. „Durch den medizinischen Fortschritt sind Therapierte keine Überträger der Krankheit mehr". Und je früher wir eine Infektion entdecken, desto früher kann man therapieren“, erläutert Rudolf Hampel, der ehrenamtlicher Vorstand bei Mann-O-Meter e.V. ist. Der Verein ist Träger für den gleichnamigen Treffpunkt und Maneo. Zur Präventionsarbeit gehören die günstige Abgabe von Kondomen, aber auch kreative Aktionen wie die „Nachtflugbegleiter“. Sie ziehen verkleidet durch Szeneclubs und verteilen Sicherheitshinweise. Nur wer seine Homosexualität selbstbewusst lebe, könne auch mit seiner Gesundheit und seinen Partnern verantwortungsvoll umgehen, so ein Grundsatz des Vereins. Er hat auch schon mit Kinospots und bundesweiten Umfragen zu Gewalterfahrungen von Schwulen Aufsehen erregt.

Bedarf steigt durch Flüchtlinge

Die steigende Anzahl der Ausländer in Berlin bedeute nur bedingt etwas Neues. „Ob Eltern Schwulsein aus einer muslimischen Perspektive heraus ablehnen, ist zweitrangig“, sagt Finke. Christlicher Fundamentalismus sei da kein bisschen besser. Für Jörg Steinert vom Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg ist aber klar, dass der Bedarf an Hilfsangeboten durch die Migration steigt: „Homosexuelle, Transgender und Bisexuelle fliehen nicht nur vor Verfolgung, sondern erleiden in deutschen Unterkünften durch andere Flüchtlinge Gewalt.“

Immerhin hat der Gesellschaftswandel schwulen Projekten öffentliche Gelder zugänglich gemacht. „Früher war Förderung für Emanzipationsarbeit nicht zu bekommen – Gesundheit war die Hintertür“, sagt Finke. Heute können bezahlte Psychologen kritische Beratungsgespräche führen. Auch die Dutzenden Ehrenamtler, die meist den ersten Kontakt mit Ratsuchenden haben, sind geschult. Finke selbst geht noch immer die Geschichte jedes einzelnen Anrufers nahe. Professionalität, sagt der 55-Jährige, bedeute nicht emotionale Kälte. Man müsse aber fähig sein, die Fälle nicht mit nach Hause zu nehmen.

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Nándor Hulverscheidt

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