Fotoausstellung "SO36 Club Photography 1997-2004": Glitzerkleid und Protest – Queers im SO36
DJ Ipek mit Schnauzbart und die Transgender-Aktivistin Holly Woodlawn auf der Magic3-Party: Ab 1997 hat der Berliner Fotograf Christian Vagt das queere Leben im SO36 fotografiert. Seine Fotos sind in der Galerie Knoth & Krüger zu sehen.
Schnauzbart, rosafarbene Rüschenbluse, fette Goldkette und Fluppe in der Hand - man muss schon etwas genauer hinschauen, um DJ Ipek auf dem Foto zu erkennen, das aktuell in der Ausstellung "SO36 Club Photography 1997-2004" in der Galerie Knoth & Krüger zu sehen ist. "Ich habe Ipek nur einmal in Männerfummel gesehen", sagt Christian Vagt, "ich bin froh, dass ich sie dort fotografieren konnte."
Im Jahr 2002 oder 2004 ist das Foto entstanden, nach all den Jahren weiß der Berliner Fotograf das nicht mehr so genau. Ende der 90er-Jahre wurde DJ Ipek von Richard Stein, dem heutigen Betreiber der Kreuzberger Bar Möbel Olfe, von einem Tag auf den anderen für die Gayhane-Party im SO36 engagiert. Heute ist Ipek Ipekçioglu eine international gefragte DJane und legt immer noch regelmäßig türkische, arabische, hebräische und türkische Musik im SO36 auf.
Der Kreuzberger Traditionsclub feierte kürzlich die Buchveröffentlichung zur mittlerweile mehr als 35-jährigen Clubgeschichte. Dazu gehört auch die kleine aber feine Fotoausstellung von Christian Vagt direkt neben dem SO36 in der Oranienstraße 188. Vagt hat ab 1997 die queeren Partys dort fotografiert. Rik Maverik, der damalige Organisator der Magic3-Partyreihe, hatte ihn darauf angesprochen. "Die Drag-Queens, Sänger und Performer der Gayhane-Partys wollten das dokumentiert haben, auch ihre Kleider und Kostüme", erinnert er sich. Es folgten sieben Jahre, in denen er queeres Leben und Kultur im SO36 festhielt - die schrillen und schillernden Augenblicke auf der Bühne, aber auch die leisen und einsamen Momente dahinter.
Momente, die "weniger gefällig sind", wie er sagt. "Ich wollte auch Bilder haben, die vielschichtiger sind, die mehr Brüche haben, die intimer sind, wo Menschen mit sich selber sind und vor den Auftritten auch mit ihrem eigenem Spiegelbild konfrontiert sind." So prüft auf einem Foto die Berliner Drag-Queen Gloria Viagra mit strengem Blick noch einmal die aufgeklebten fetten Wimpern. "Silvio" sitzt weit weg von Scheinwerferlicht und Glitzerkugel mit hängendem Kopf in einer Ecke. Schein und Sein auf und hinter der Bühne - durch Vagts Fotos kommt man der Ambivalenz dieses queeren Mikrokosmos damals zur Jahrtausendwende im SO36 tatsächlich etwas näher.
1997 trat auf der Magic3-Party auch die amerikanische Künstlerin und Transgender-Aktivistin Holly Woodlawn auf, woran mit einer Schwarz-Weiß-Fotoserie in der Ausstellung erinnert wird. Christian Vagt traf sie vor ihrem Tod im vergangenen Dezember noch einmal bei einem Auftritt im Hebbel am Ufer im Jahr 2012 und übergab ihr diese Fotos. "Sie hat sich riesig gefreut und hat mir einen Kuss gegeben. Das war etwas Schönes."
Berlins rasante Entwicklung mit Gentrifizierungsproblemen, steigenden Einwohner- und Touristenzahlen ist natürlich auch am SO36 nicht vorbeigegangen. Früher, sagt Vagt, sei der Club "mehr ein geschlossener Raum" für die Community gewesen. Nun "ist er viel internationaler geworden – auch durch die Expats". Er meint die Mitarbeiter, die von internationalen Unternehmen für zwei, drei Jahre nach Berlin geschickt werden und die Berliner Partyszene zu schätzen wissen, ohne Sperrstunde, aber dafür vielfältig und offen. Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch höre er jetzt viel auf den Partys. "Aber ich finde gut, dass das Angebot so groß geworden ist und es sich auch viel mehr durchmischt." Wehmut hört man bei ihm nicht heraus, dass das queere Völkchen nicht mehr unter sich ist. Alles habe seine Zeit.
Für ihn selbst hatte sich das Fotografieren im SO36 im Jahr 2004 ausgereizt. Er zitiert Sartre, der sinngemäß mal gesagt hat, man solle sich weigern und sich nicht in eine Institution verwandeln lassen. "Ich wollte nicht ein Fotograf werden, von dem man weiß, dass er 40 Jahre lang das Gleiche macht." Aus diesem Grund war für ihn auch irgendwann mit dem Kreuzberger Transgenialen CSD Schluss, der erstmals 1998 als politische Gegendemonstration zum jährlichen Berliner Christopher Street Day organisiert wurde, und den er zehn Jahre fotografiert hatte. "Ich hatte das Gefühl dazu verloren." Seitdem hat er schwule Punks und Skinheads fotografiert.
Die Ausstellung zeigt auch ein Foto der Berliner Travestie-Künstlerin Gérôme Castell, das zwischen 2002 und 2004 entstanden ist. "Die war immer sehr perfektionistisch mit ihren Kostümen", erinnert sich der Fotograf. Castell ist 2013 in einer Seitenstraße vom Kurfürstendamm überfallen und zusammengeschlagen worden, wobei sie das rechte Augenlicht verloren hat. Es gab Solidaritätpartys für sie, heute tritt Gérôme Castell wieder auf - mit Augenklappe. "Sie ist eine Kämpferin", sagt Christian Vagt.
Die Ausstellung "SO36 Club Photography 1997-2004" ist noch bis zum 17. April in der Galerie Knoth & Krüger in der Oranienstraße 188 zu sehen. Mi bis So, 16.00 Uhr bis 20.00 Uhr.
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Jana Demnitz