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In Ghana hat sich die Situation queerer Menschen in den vergangenen Monaten weiter verschlechtert:
© imago images

Aktivist*innen in Accra massiv bedroht: Für queere Personen in Ghana spitzt sich die Lage zu

In Accra sind queere Personen derzeit Hetze und Anfeindungen ausgesetzt. Alex Kofi Donkor von LGBT+ Rights Ghana hofft auf internationale Unterstützung.

Das war lange kaum vorstellbar. Im ghanaischen Fernsehen spricht sich eine Frau für die Verbesserung der Situation von queeren Menschen aus. In einer Umfrage sagt sie am Freitag, dass es Zeit werde, Lesben und Schwulen zu erlauben, sie selbst zu sein. Sie habe Freund*innen, die sich vor ihr geoutet hätten, aber es verheimlichen müssten. So ein Leben sei ihrer Meinung nach menschenunwürdig.

Queere Personen in Ghana kämpfen um Sichtbarkeit, um Rechte und gegen Kriminalisierung. Keine vier Wochen ist es her, dass die Organisation LGBT+ Rights Ghana ihre ersten Büroräume in der Hauptstadt Accra eröffnete. Schon jetzt werden die Mitglieder massiv bedroht – in den sozialen Medien und zum Teil auch in ihren Familien. Etliche Fotos mit erkennbaren Gesichtern kursieren im Netz. „Bisher ist noch niemand in unser Büro gekommen“, berichtet Alex Kofi Donkor am Telefon, „aber, weil überall Bilder gepostet werden, kann es jederzeit passieren, dass der Ort wiedererkannt wird und sie uns finden.“

Donkor ist Leiter der Organisation LGBT+ Rights Ghana, die vor drei Jahren gegründet wurde und sich für die Rechte von queeren Menschen in Ghana einsetzt. Bisher war sie aufgrund fehlender finanzieller Mittel vor allem online präsent. Seit Beginn des Jahres gibt es nun auch eine direkte Anlaufstelle in Accra. Am 31. Januar fand die Eröffnung der Büroräume und ein Fundraising statt, zu dem unter anderem der australische High Commissionar geladen war.

Was im Anschluss an die Veranstaltung folgte waren Anfeindungen und Hetze. Eine Gruppe rund um den Exekutivsekretär der National Coalition for Proper Human Sexual Rights and Family Values, Moses Foh-Amoaning, forderte die Schließung der Büroräume und die Verhaftung der Mitglieder durch die Polizei. Auch in sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook forderte Foh-Amoaning die Verhaftung und strafrechtliche Verfolgung der Personen, die am Aufbau des Zentrums beteiligt waren. Er behauptete, die Einrichtung sei verfassungswidrig. Auf medialer Ebene wurde die negative Berichterstattung durch Falschinformationen weiter verstärkt.

Alex Kofi Donkor ist Leiter der Organisation LGBT+ Rights Ghana und setzt sich für die Verbesserung der Situation queerer Menschen in Ghana ein.
Alex Kofi Donkor ist Leiter der Organisation LGBT+ Rights Ghana und setzt sich für die Verbesserung der Situation queerer Menschen in Ghana ein.
© privat

„Da brach eine Medienhölle los“, erzählt der queere Aktivist Dirk Ludigs aus Berlin, der die ghanaische Organisation unterstützt. „Die Lage spitzt sich immer weiter für zu. Dadurch, dass queere Personen jetzt eine Location haben, sind sie angreifbar.“ In Ghana gebe es zwar keine aktive staatliche Verfolgung, doch Abschnitt 104 des ghanaischen Strafgesetzbuches, ein Überbleibsel aus der britischen Kolonialzeit, sei in der Vergangenheit auch für die Verfolgung homosexueller Menschen genutzt worden.

Einem Human Rights Watch Bericht zufolge erfahren queere Personen in Ghana sowohl in der Öffentlichkeit als auch in ihren Familien häufig Diskriminierung. Ludigs sieht außerdem ein weiteres Problem: „Das Problem liegt in einer sehr konservativen und extrem religiösen Gesellschaft. Die Pfingstkirchen und die charismatischen Kirchen sind dort seit Jahren auf dem Vormarsch.“ Aufgrund dessen gehe die Gefahr für queere Personen momentan vor allem von der Gesellschaft selbst aus. Und: „Queere Personen können sich nicht auf die Polizei oder andere Sicherheitskräfte verlassen.“

Momentan hätten sie große Sicherheitsbedenken, sagt Donkor. Die Büroräume seien nicht hinreichend geschützt: Die Mauer, die das Gebäude umgibt, ist sehr niedrig und es gibt weder Überwachungskameras noch zuverlässige Sicherheitskräfte. „Derzeit ist es in Bezug auf Sicherheit an diesem Ort fragil, aber bisher wurde er noch nicht attackiert.“

Die Eröffnung eines solchen Ortes in der Hauptstadt Ghanas hat eine große Bedeutung. „Wir hatten noch nie so einen Ort für unsere Community, wo wir Probleme, die uns betreffen, diskutieren können“, sagt Donkor, „bisher mussten wir das bei Allies machen, aber die waren oft nicht in der Lage dazu, uns ihre Räume zu Verfügung zu stellen. Jetzt haben wir endlich unseren eigenen Safe Space.“ Damit das so bleibt hoffen Donkor und die anderen Mitglieder jetzt auf internationale Unterstützung. Auf Instagram schreibt die Organisation: „Wir haben als Ghanaer das Recht, in Frieden zu leben, Gruppen beizutreten, vor Schaden geschützt zu sein und unsere Privatsphäre zu respektieren."

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Eigentlich sei Ghana nämlich ein Land, das viel Hoffnung mache, sagt Ludigs, und der Boden für die Rechte von queeren Menschen sei gut. „Es ist nicht so schwierig wie zum Beispiel in Tansania oder Uganda in Bezug auf die Rechte queerer Menschen: Ghana hat eine funktionierende Demokratie und eine neue Generation, die mit viel Mut und Wut versucht, die Situation von queeren Personen zu verbessern.“ Gerade jetzt sieht Ludigs aber einen Wendepunkt - weil das Thema erstmals an die Öffentlichkeit gerate und mit Gesichtern verbunden werde. Er macht sich große Sorgen um die physische Unversehrtheit der Menschen vor Ort. Als internationale Gemeinschaft sei es deshalb umso wichtiger, diese Kräfte zu unterstützen und Solidarität zu zeigen, damit daraus kein Backlash entstehe. „Auch die deutsche Botschaft sollte sich öffentlich dafür einsetzen, dass die Rechte von LGBT+ nicht mit Füßen getreten werden und die Regierung das nicht zum Anlass nimmt, um die Gesetze zu verschärfen“, fordert er.

Seiner Meinung nach würden europäische Länder eine besondere Verantwortung tragen, schließlich hätten sie „die Homophobie während der Kolonialzeit reingetragen“. Es sei wichtig, Bewegungen, die sich in Ghana für die Rechte von queeren Menschen einsetzen, als dekolonialisierend zu begreifen. „Das Narrativ ist nämlich oft, dass solche Länder rückständig sind, während wir hier die Ehe für alle haben. Aber das ist falsch, denn genau das sind Entwicklungen, die aus der Kolonialzeit resultieren und die es gilt zu überwinden.“

Am 24. Februar soll nun eine sogenannte „Anti-LGBT Demo“ vor dem Regierungsgebäude stattfinden. Eine Gegendemonstration sei aber in der aktuellen Situation zu gefährlich, sagt Donkor. „Im Moment ist es nicht ratsam für die Mitglieder der Community, rauszugehen und zu demonstrieren.“ An diesem Punkt bräuchte es Solidarität von sämtlichen internationalen Menschenrechtsorganisationen. „Wenn wir jetzt nicht den Mund aufmachen, dann wird es nur schlimmer.“

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