Nach Mobbing in Regelkursen in Berlin: Eine Sprachschule nur für queere Flüchtlinge
Eine neuer Sprachkurs richtet sich speziell an homo- und transsexuelle Flüchtlinge in Berlin, nachdem sie in Regelkursen gemobbt wurden. Es deutschlandweit das erste Angebot dieser Art.
An diesem Konferenzraum ist nichts Besonderes: ein langer Tisch, ein Aktenschrank und ein Schwarzes Brett an der Wand. Doch in dem nüchternen Ambiente findet ein bundesweit einmaliges Projekt statt. Auf dem Tisch liegen Flyer des Lesben- und Schwulenverbands Berlin (LSVD), auf denen fettgedruckt „Support“ steht, und auf der weißen Tafel steht „Sprachkurs“.
In diesem Raum, in diesem einfachen Bürohaus in Schöneberg, läuft derzeit der erste Deutschkurs, in dem ausschließlich homo- und transsexuelle Flüchtlinge unterrichtet werden, unterstützt vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Projektname: „Support“. Das Konferenzzimmer dient als Schutzraum. „Hier können sie unter sich sein“, sagt Semiramis Ceylan-Ahlborn, eine der Mitarbeiterinnen.
Dass so ein Schutzraum nötig ist, hat sie in der Geschäftsstelle des LSVD erfahren. Im Oktober tauchte dort eine transsexuelle Frau aus Syrien auf, Mitte 20, hochgradig verstört, ängstlich, ratlos. Sie hatte einige Wochen in einem regulären Deutschkurs für Flüchtlinge gelernt, bis sie diese Sprüche nicht mehr ausgehalten hatte. „Hey, du Schlampe, was willst du hier“, war einer davon. In dieser Tonlage ging es weiter.
"Es kommen Menschen, die sich gemobbt fühlen"
Ein Beispiel von vielen. „Beim LSVD stehen einige Menschen auf der Matte, die sich gemobbt fühlen“, sagt Caroline Winkler. Die 28-jährige Sozialarbeiterin arbeitet mit Semiramis Ceylan-Ahlborn zusammen. Für solche Menschen hat der LSVD „Support“ eingerichtet. Der erste Kurs hat Mitte Januar begonnen, mit 22 Flüchtlingen und zwei Lehrern. Dreimal pro Woche treffen sie sich hier. Ziel ist ein Abschluss der Kategorie A1, also Grundkenntnisse in Deutsch. 31 Anmeldungen hatte der LSVD für diesen ersten Kurs. Wer noch keinen Platz bekommen hat, wird in den nächsten eingegliedert. Es finden erstmal so viele Kurse statt, dass alle Interessenten unterrichtet werden können.
Geld ist kein Problem: Die größte Summe für „Support“ kommt vom Europäischen Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds. Dazu unterstützt noch der Paritätische Wohlfahrtsverband die Kurse, weiteres Geld stammt aus Spenden. Das Bamf kontrolliert, dass der LSVD die Gelder zweckmäßig einsetzt.
Schon die Informationspolitik ist Teil des Problems
Der Kurs hat durch die öffentlichen Gelder jetzt einen offiziellen Charakter und das ist der entscheidende Punkt: Es gab nämlich schon mal Deutschkurse für homo- und transsexuelle Flüchtlinge, allerdings blieb es beim Versuch. Der Unterricht fand in einem Raum in der LSVD-Geschäftsstelle statt, ein Provisorium in jeder Hinsicht. Die LSVD-Mitarbeiter mussten mit den Nebengeräuschen des Unterrichts klarkommen, die Schüler hatten Mühe, sich in dieser Umgebung zu konzentrieren. Außerdem fehlte das Geld für einen langfristigen Unterricht. Nach ein paar Wochen war diese Initiative beendet.
„Jetzt“, sagt Caroline Winkler, „können wir ganz anders arbeiten. Wir können unsere Flyer in den Flüchtlingsunterkünften auslegen und unsere Zielgruppe konkret erreichen.“ Viele wüssten ja gar nicht, dass es so ein Kursangebot gibt. Wobei schon die Informationspolitik Teil des Problems ist. „Für trans- und homosexuelle Flüchtlinge ist es mitunter riskant, sich so einen Flyer zu nehmen, sie könnten auffallen“, sagt Semiramis Ceylan-Ahlborn. „Und sie verstecken oft ihre Sexualität. Sie denken, sie könnten in Deutschland in Frieden leben, und dann stellen sie fest, dass es nicht so ist.“ Auf Ablehnung bis blanken Hass stoßen sie nicht nur in ihrer Unterkunft. „Mobbing erleben sie auch außerhalb ihrer Heime“, sagt Caroline Winkler.
Die Dozenten sollen sensibel auf die Lage der Flüchtlinge eingehen
„Support“ ist vor allem für Flüchtlinge gedacht, die noch im Asylverfahren sind, deren endgültiger Status also nicht geklärt ist. Sie können ziemlich sicher sein, dass sie von Leuten unterrichtet werden, die sensibel genug auf ihre Probleme eingehen. „Wir suchen uns schon Lehrer aus, die mit dieser Thematik befasst sind“, sagt Caroline Winkler. „Sie müssen – das ist ganz wichtig – auch schon mit Flüchtlingen gearbeitet haben.“ Sicher können sich die Verantwortlichen, die das Personal rekrutieren, natürlich nie sein, „letztlich ist das auch ein Bauchgefühl“. Aber dem vertraut man.
Das Personal also dürfte kein Problem sein, hängt doch vieles andere von den Flüchtlingen selbst ab. Sie müssen in Kontakt kommen, sie müssen sich gegenseitig kennenlernen, sie müssen eine Atmosphäre schaffen, in der sie sich nicht bloß räumlich, sondern auch emotional geschützt fühlen. Einen Impuls dazu haben die Projektmitarbeiter gegeben. Am Board ist auch eine Weltkarte aufgehängt. „In den Kurs kommen Leute aus Syrien, dem Irak, Russland, dem russischsprachigen Raum und aus zwei afrikanischen Ländern“, sagt Caroline Winkler. Auf der Karte sollen sie den anderen zeigen, wo sie zu Hause sind. „Vielleicht erleichtert das die Gespräche.“
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