Vielfalt und Diskriminierung im Sport: Das paradoxe Männlichkeitsbild des Fußballs
Innige Freundschaftsrituale ja, Homosexualität nein: Queere Sportler treffen immer wieder auf Hürden. Besonders im Fußball gibt es noch Nachholbedarf.
Die Fußball-Bundesliga bietet auch in dieser Saison Woche für Woche Gesprächsstoff – von Spielergebnissen über herausragende Spieler bis hin zu steigenden Corona-Fallzahlen bei den Profis. Dabei gerät jedoch häufig aus dem Blick, welche Wertevorstellungen dem beliebtesten Sport in Europa nach wie vor zugrunde liegen.
„Beim Fußball spielen noch heute oftmals traditionelle Rollenbilder und auch hegemoniale Männlichkeit eine Rolle, also ein bestimmtes Verständnis von Männlichkeit“, sagt Benjamin Csonka, der als Projektleiter bei Vorspiel SSL Berlin e.V. tätig ist.
Innige Umarmungen beim Fußball
Fußball gelte häufig als ein Raum, in dem sich Männer innig umarmen oder auch lustige Späße in der Umkleidekabine machen könnten – ohne Homosexualität damit zu verbinden. Sobald aber das Thema Homosexualität mit hineinspiele, werde das freundschaftliche Miteinander der Männer eventuell in Frage gestellt. „Das ist irgendwie paradox“, findet Csonka.
Um über Stereotype und diskriminierende Strukturen im organisierten Sport zu diskutieren, fand in dieser Woche die digitale BundesNetzWerkTagung queerer Sportvereine statt. In diesem bislang einzigartigen Format tauschen sich einmal im Jahr queere Sportvereine aus ganz Deutschland gemeinsam über Diskriminierung im organisierten Sport und die Förderung von geschlechtlicher und sexueller Vielfalt aus.
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Erst im vergangenen Jahr ergab eine Studie der Deutschen Sporthochschule Köln, dass queere Personen sich im Sport vielfach ausgegrenzt und diskriminiert fühlen. So versteckt ein Drittel der sportlich Aktiven bei der Ausübung seine sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität. Im Hinblick auf Homosexualität zeige sich offensichtlich vor allem die direkte Diskriminierung in Form von Beschimpfungen wie „Schwuchtel“ oder „Kampflesbe“, sagt Csonka, und natürlich gäbe es auch Gewaltübergriffe.
Viele fußballspielende Frauen werden direkt als Lesben angesehen
Auf struktureller Ebene würden viele Personen durch Klischees diskriminiert, indem zum Beispiel fußballspielende Frauen direkt als Lesben angesehen würden. Trans und intergeschlechtliche Personen hingegen seien von struktureller Diskriminierung betroffen, weil sie sich nicht in eine der beiden festgelegten Kategorien „männlich“ und „weiblich“ einordnen ließen und deshalb aus den Wettkämpfen herausfielen.
In diesem Jahr ging es bei der Tagung unter anderem um verbale Diskriminierung und darum, diese als solche zu erkennen und darauf reagieren zu können. Diskriminierung geschehe häufig auch unterbewusst, sagt Csonka, weshalb Aufklärung und Sensibilisierung sehr wichtig seien, vor allem bei Kindern und Jugendlichen. „Bestrafung ist da meiner Meinung nach aber nicht der richtige Weg.“
Außerdem ging es um die Konzeption einer Charta für geschlechtliche Vielfalt im Sport, die vom Berliner Verein Seitenwechsel entwickelt wird. Vereine und Verbände sollen mithilfe der Charta dazu motiviert werden, geschlechtliche Vielfalt zu fördern.
Hürden bei den Umkleiden
Zum Beispiel im Hinblick auf Umkleiden gebe es für trans und intergeschlechtliche Sport*lerinnen Hürden, sagt Csonka, weil diese entweder für „Männer“ oder „Frauen“ ausgewiesen seien. Bei schwierigen baulichen Begebenheiten könnten beispielsweise Trennwände oder unterschiedliche Umziehzeiten für mehr Schutzraum sorgen.
Im Hinblick auf geschlechtliche Vielfalt im Wettkampsport, wo es genau um die binäre Aufteilung in „Mann“ oder „Frau“ gehe, seien sich die Teilnehmenden der Podiumsdiskussion allerdings einig gewesen, dass es wohl nie eine komplette Chancengleichheit im Sport für alle geben könne. „Unser Ziel im Bereich geschlechtliche Vielfalt muss es deshalb sein, Sport so chancengleich wie möglich zu gestalten.“