Vereitelte Anschläge: Wie Australien mit dem IS-Terror umgeht
Der IS-Terrormiliz nahestehende Extremisten sollen öffentliche Enthauptungen auf den Straßen Sydneys geplant haben. Die australische Polizei vereitelt die Pläne mit dem größten Anti-Terror-Einsatz ihrer Geschichte.
Wie kann es soweit kommen? Die Tatsache, dass ein 22-Jähriger auch nur in Erwägung gezogen hat, Vorbeigehende auf offener Straße in Sydney zu entführen und dann zu enthaupten, entsetzt die Australier. Die Pläne für solche Terroranschläge hat die Polizei am Donnerstag nach der größten Anti-Terror-Razzia der australischen Geschichte aufgedeckt. Premierminister Tony Abbott erklärte, ein hochrangiges australisches IS-Mitglied habe zu „demonstrativen Tötungen“ aufgerufen, darunter auch die barbarische Enthauptung. Die Pläne erinnern an das Verbrechen gegen den britischen Soldaten Lee Rigby. Zwei fanatische muslimische Extremisten ermordeten ihn im Mai 2013 auf offener Straße in London.
In Sydney und Brisbane hatten 800 Beamte von Bundes- und Landespolizei gleichzeitig Häuser von Verdächtigen durchsucht. Am Donnerstagnachmittag wurde einer der Festgenommenen, der 22-jährige Omarjan Azari, bereits in Sydney einem Richter vorgeführt und der Vorbereitung eines terroristischen Angriffs bezichtigt. Er verzichtete darauf, einen Antrag auf Entlassung gegen Kaution zu stellen. Nach Medienberichten sollte die Enthauptung möglicherweise in Martin Place stattfinden, mitten im Geschäfts- und Wirtschaftszentrum der australischen Metropole. Die Tat sollte gefilmt und über soziale Netzwerke veröffentlicht werden, so der von den Behörden aufgedeckte Plan. Bundesankläger Michael Allnutt sagte, der Plan sei darauf angelegt gewesen, die Bevölkerung zu „schockieren, zu entsetzen und in Angst zu versetzen. Ich glaube nicht, dass ich jemals etwas Schlimmeres gesehen habe.“
Botschaften via Facebook
Der Angeklagte gehörte einer radikalisierten Szene junger Muslime an. Dazu gehört auch Mohammed Ali Bariali (33), der sich als ranghöchster Australier in den Rängen der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) brüstet. Er prahlt auf Facebook mit seiner Gewaltbereitschaft und seinem Todesmut. Der afghanischstämmige Mann war Türsteher in Sydney und wollte Schauspieler werden, ehe er sich den Extremisten anschloss. Im April 2013 reiste er nach Syrien. Von dort rekrutiert er seitdem Australier für den vermeintlich Heiligen Krieg.
Australiens Regierung hatte in der vergangenen Woche die Terrorwarnstufe von „mittel“ auf „hoch“ gesetzt, die zweithöchste Einstufung, nach der eine terroristische Attacke auf australischem Boden oder auf australische Einrichtungen „wahrscheinlich“ ist. Die jetzt bekanntgewordenen Terrorpläne passen auch in das Bild, das die australische Regierung von radikalen Moslems gezeichnet hat, von denen nach offiziellen Schätzungen bis zu einhundert in Syrien und Irak an der Seite von Milizen kämpfen. Die Regierung hatte jüngst Gesetze verabschiedet, nach denen Australiern, die sich Milizen anschließen, hohe Strafen drohen. Regierungschef Abbott verabschiedete noch am Donnerstag 600 Soldaten, die im Irak gegen den IS kämpfen sollen.
In Australien waren in der Vergangenheit schon mehrfach radikale Moslems festgenommen worden, die Terroranschläge geplant hatten, einige wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Außerdem werden nach Erkenntnissen der Behörden auch finanzielle Mittel aus Australien zu den Milizen geleitet. Der schlimmste Angriff Radikaler aber fand im Ausland statt. Am 12. Oktober 2002 kamen 88 Australier ums Leben, als die gewalttätige islamistische Gruppe Jemaah Islamiya Bombenanschläge auf Nachtclubs auf der Insel Bali in Indonesien verübte.
Misstrauen in der Bevölkerung
Damals starben insgesamt 202 Menschen. Die Nachbarschaft zum bevölkerungsreichsten moslemischen Land der Welt (Indonesien hat 250 Millionen Einwohner, mehr als zehnmal so viele wie Australien) war in der Vergangenheit immer wieder von Spannungen geprägt. Insgesamt ist Australien in seiner Vergangenheit durch seine geographische Isolation meist von terroristischen Aktivitäten verschont geblieben.
In Australien hat die Polizei verstärkte Kontrollen besonders wichtiger Plätze angekündigt. Der Ministerpräsident von New South Wales mit seiner Hauptstadt Sydney, Mike Baird, forderte aber gleichzeitig die Bevölkerung auf, ihren gewohnten Aktivitäten weiter nachzugehen. Die meisten Moslems in Australien (etwa 2,2 Prozent der Gesamtbevölkerung) stammen ursprünglich aus dem Libanon. Wegen der langanhaltenden Bürgerkriegs dort sind zehntausende in Australien heimisch geworden, vor allem in Sydney.
Während die überwältigende Mehrheit der Gemeinde keinerlei Probleme bereitet und eher unter dem Misstrauen der immer noch mehrheitlich anglosächsischen Bevölkerung leidet, gibt es auch ein kriminelles Element. Die Polizei in Sydney hat extra eine spezielle „mittelöstliche“ Einsatzgruppe aufgebaut. 2005 war es bei den „Cronulla Riots“ nach Übergriffen auf Rettungsschwimmer im Süden Sydneys zu schweren Ausschreitungen und Angriffen auf Libanesisch-stämmige Jugendliche gekommen.
Im Großen und Ganzen gibt es aber im Einwanderungsland Australien relativ selten Auseinandersetzungen aus rassistischen Gründen. Unterschwellig ist aber auch auf dem fünften Kontinent Rassismus vorhanden. In den 90er Jahren holte die Partei „One Nation“ bei Wahlen im Bundesstaat Queensland fast ein Viertel der Stimmen. Parteiführerin Pauline Hanson hatte in ihrer Antrittsrede im Parlament gesagt, Australien sei gefährdet, von „Asiaten überschwemmt“ zu werden.