Interview mit 7-Jähriger Bana aus Aleppo: "Wann hast du das letzte Mal draußen gespielt?" - "Ich erinnere mich nicht"
Aus den Ruinen Aleppos twittert ein siebenjähriges Mädchen. Der Tagesspiegel hat mit Bana über ihre Ängste und Träume gesprochen.
Bomben fallen auf Aleppo, Rauch zieht über die Häuser oder das, was von ihnen übrig ist. Seit Samstag stürmen Regierungstruppen den Ostteil der syrischen Stadt. Unterstützt von russischen Luftangriffen und dem Iran. Und zwischen den Trümmern twittert ein siebenjähriges Mädchen, wie es den Bürgerkrieg erlebt.
Bana Alabed heißt sie. In einer ihrer jüngsten Nachrichten schreibt sie: „Das ist unser Haus. Meine geliebten Puppen sind durch die Bomben gestorben. Ich bin sehr traurig, aber auch froh, am Leben zu sein.“ Angehängt ist ein Foto, vom Haus ist nur Schutt geblieben. In einer weiteren Nachricht schreibt Alabed: „Ich bin hungrig, ich will leben, ich will nicht sterben.“ Mehr als 180 000 Menschen weltweit verfolgen die Botschaften des Mädchens, im Netz ist sie längst zum Symbol geworden für das Leid in Syrien. Dabei ist nicht immer klar, welche Nachrichten tatsächlich von ihr stammen. Den Account betreibt sie zusammen mit ihrer Mutter Fatemah Alabed.
Der Tagesspiegel erreicht die beiden einen Tag nach der Bombardierung. Ein Videoanruf über Skype sei nicht möglich, heißt es. Die Internetverbindung sei seit den Angriffen schlecht, falle oft aus. Das Gespräch wird schriftlich im Chat geführt.
Spreche ich jetzt mit Fatemah oder Bana?
Wir sind beide hier, aber ich lasse Bana antworten.
Wo seid ihr jetzt?
In Sicherheit. Aber immer noch in Ost- Aleppo. Wir sind in einem Haus in der Nähe unseres alten Hauses.
Was siehst du?
Die Kämpfe werden heftiger. Es sieht aus wie Krieg. Das ist kein gutes Zeichen.
Wann hast du das letzte Mal draußen gespielt?
Ich erinnere mich nicht. Es ist so selten.
Was lenkt dich ab?
Lesen.
Zwischen vielen Bildern von zerstörten Häusern oder einem Foto des blutigen Leichnams einer Freundin posten Bana und ihre Mutter auch Bilder aus dem Alltag. Dann liest das Mädchen auf ihrem E-Reader. Neuerdings: Harry Potter. Mutter Fatemah wandte sich dafür sogar direkt an Joanne K. Rowling. „Ich habe den Harry-Potter-Film gesehen, Bana würde gerne das Buch lesen!“ Die Autorin antwortete prompt: „Ich hoffe, du liest es, ich glaube, du würdest es mögen. Liebe Grüße.“
Doch der letzte Teil Aleppos, der noch von Rebellen kontrolliert wird und in dem auch Bana wohnt, ist von Regierungstruppen komplett abgeriegelt. Nicht einmal Nahrungsmittellieferungen dringen durch, geschweige denn Romane. Mit etwas Hilfe aus dem Netz kann Bana das Buch jetzt aber digital lesen.
Was fasziniert dich an Harry Potter?
Ich habe gerade erst angefangen zu lesen. Aber noch nicht viel wegen der Lage hier.
Was ist das schlimmste daran?
Die Bomben. Und dass wir kein normales Leben haben.
Was denkst du über Baschar al Assad?
Darauf antworte ich nicht.
Kennst du Angela Merkel?
Ich habe gehört, sie ist Kanzlerin in Deutschland. Sie soll ihre Macht nutzen und Aleppo retten.
Es lässt sich nicht nachvollziehen, ob Bana frei sprechen durfte, wie viel davon Aktivismus ihrer Mutter ist, die zuletzt auch US-Präsident Barack Obama um Hilfe anflehte. Fest steht aber, dass es die Familie gibt. Bana hat zwei Brüder, fünf und drei Jahre alt. Bisher seien alle unverletzt, sagt die Mutter.
Was wünschst du dir, Bana?
Frieden.
Sidney Gennies