Syrien: Aktivisten: Armee nimmt Nordosten Aleppos vollständig ein
Syrische Regierungstruppen haben offenbar wichtige Teile der umkämpften Stadt Aleppo unter ihre Kontrolle gebracht. Für die Rebellen könnte das eine entscheidende Niederlage sein.
Syriens Regimeanhänger haben den nördlichen Teil der Rebellengebiete in Ost-Aleppo vollständig eingenommen. Die Armee und ihre Verbündeten hätten die Kontrolle über die Stadtteile Al-Sachur und Al-Haidarija gewonnen, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Montag. Die Opposition habe damit seit Samstag 30 Prozent des von ihr kontrollierten Gebietes in der Stadt verloren. „Das ist die schwerste Niederlage der Rebellen, seitdem sie Aleppo 2012 eingenommen haben“, sagte der Leiter der Menschenrechtler, Rami Abdel Rahman.
Auch die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana meldete große Geländegewinne des Militärs. Regierungstruppen hatten die Rebellen bereits am Wochenende immer weiter zurückgedrängt. Den Regimegegnern droht nun in der seit Monaten umkämpften Stadt ein totaler Zusammenbruch. Aleppo ist als eine der größten Städte des Landes strategisch und symbolisch wichtig. Sollte das Regime den bislang von der Opposition kontrollierten Osten vollständig einnehmen, wäre das ein massiver Schlag für die Rebellen. Dies könnte ein Wendepunkt für den Bürgerkrieg sein.
Nach Angaben der Menschenrechtler sind rund 10 000 Menschen aus den Gebieten unter Rebellen-Kontrolle auf der Flucht. Rund 6000 von ihnen seien in einen von Kurden beherrschten Stadtteil geflohen. Der Rest sei in Viertel gezogen, die kürzlich vom Regime eingenommen wurden. Bislang kontrollierten die Rebellen den Osten Aleppos, der jedoch seit September von der Außenwelt abgeschnitten ist. In dem Gebiet sollen noch rund 250 000 Menschen leben.
Wegen der Blockade fehlt es in den Rebellengebieten akut an Lebensmitteln, sauberem Trinkwasser, Strom und medizinischer Versorgung. Das internationale Rote Kreuz hatte am Freitag gewarnt, in dem eingekesselten Gebiet gingen die Nahrungsmittel zur Neige. Nach heftigen Bombardierungen in den vergangenen Wochen durch das syrische Regime und seinen Verbündeten Russland sind nach Angaben der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) acht von neun Krankenhäusern außer Betrieb.
"Wird es zu Weihnachten kein Ost-Aleppo mehr geben"
Der UN-Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura, hatte kürzlich erklärt, nach seinem Eindruck habe die syrische Regierung die "feste Absicht", in Aleppo eine militärische Entscheidung herbeizuführen. Wenn die Angriffe in dieser Intensität weitergingen, "wird es zu Weihnachten kein Ost-Aleppo mehr geben", warnte der UN-Vertreter. Die türkische Armee teilte unterdessen mit, bei einem Chemiewaffenangriff in Syrien seien 22 mit Ankara verbündete Rebellen verletzt worden. Sie seien nach einem Raketenangriff der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) einem giftigen Gas ausgesetzt gewesen, erklärte das Militär am Sonntag laut der Nachrichtenagentur Anadolu. Die Attacke ereignete sich demnach nahe dem Dorf Chalilija östlich der Stadt Al-Rai im Norden Syriens.
Medienberichten zufolge wurden die verletzten Rebellen zur Behandlung in ein Krankenhaus in die türkische Grenzstadt Kilis gebracht. Die Türkei führt seit Ende August zusammen mit syrischen Rebellen eine Offensive gegen die IS-Miliz im Norden Syriens. Die von Ankara unterstützten Kämpfer eroberten seitdem die Stadt Dscharablus vom IS zurück und brachten mehrere umliegende Dörfer sowie die Nachbarstadt Al-Rai unter ihre Kontrolle. Der Kreml teilte am Samstag mit, der russische Präsident Wladimir Putin habe in einem Telefonat mit seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan erneut die Lage in Syrien erörtert. Bereits am Freitag hätten sie über die Möglichkeit "gemeinsamer Bemühungen im Kampf gegen den Terrorismus" gesprochen. Russland ist mit Assad verbündet, die Türkei ist gegen ihn, bekämpft aber auch die gegen Assad kämpfenden Kurden in Syrien und den IS. (dpa, AFP)