Assads Sohn in Rio: Verrechnet - der Sohn des Diktators bei der Mathe-Olympiade
Hafez al-Assad, 15-jähriger Sohn des syrischen Diktators Assad nimmt an der Mathematik-Olympiade in Rio teil. In seinem Team schneidet er am schlechtesten ab.
Der Sohn des Diktators kommt unauffällig in den Saal, er trägt ein knallrotes T-Shirt und rückt sich die Brille zurecht. Niemand hier scheint Notiz davon zu nehmen, dass Hafez al-Assad da ist, der älteste Sohn des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad. Einzig seine hochaufgeschossene hagere Figur lässt Ähnlichkeiten mit dem Vater erkennen. Der führt in Syrien seit sechseinhalb Jahren einen brutalen Krieg gegen das eigene Volk, bei dem Zehntausende Menschen umgebracht wurden.
Hier aber, im Hotel Windsor Oceânico am Strand ganz im Westen Rio de Janeiros, geht es nicht um Krieg, Folter oder Tod. Es geht um Mathematik: Hafez al-Assad, 15 Jahre alt, nimmt als Teil eines sechsköpfigen syrischen Teams an der 58. Internationalen Mathematik-Olympiade teil.
Mehr als 600 Jugendliche aus 111 Ländern machen mit, und wenn nicht eine Reporterin der brasilianischen Zeitung „O Globo“ durch Zufall auf Hafez al-Assad gestoßen wäre, hätte die Anwesenheit des Diktatorensohns wahrscheinlich niemand bemerkt.
An diesem Nachmittag findet nun die Abschlusszeremonie mit der Siegerehrung der renommierten Mathematik-Olympiade statt, die Jugendlichen strömen in einen festlich beleuchteten enormen Konferenzsaal. Aber Hafez al-Assad möchte nicht mit den beiden Reportern aus Deutschland reden, die wegen ihm erschienen sind. Auf Englisch sagt er mit akzentfreier Aussprache: „I'm sorry, I can't talk. We are a team.“ Es ist ihm offenbar unangenehm, dass er unter seinen Mitstreitern nicht nur körperlich herausragt, sondern auch durch seine familiäre Herkunft.
Die anderen Jugendlichen nehmen ihn wie einen Kumpel
Letztere scheint den anderen Jungens aus dem syrischen Team jedenfalls egal zu sein, sie haben keine Berührungsängste mit al-Assad, benehmen sich wie normale Jugendliche, sie schäkern und lachen. Mit einer syrischen Flagge und ihren Urkunden setzen sich die jungen Syrer in einen für die Mathe-Olympioniken reservierten Teil des Saals. Auch zwei Jungens aus den umkämpften und teils stark zerstörten Städten Aleppo und Homs sollen dabei sein. So sagt es jedenfalls der syrische Generalkonsul, der zur Siegerehrung erschienen ist und sich bereit erklärt, Fragen zu beantworten. Über Politik wolle er aber nicht reden, einzig über Wissenschaft.
Also gut: Auf Platz 56 sind die jungen Syrer als Equipe gelandet (erster Platz: Südkorea vor China und Vietnam; Platz 33 für Deutschland). In der Einzelwertung kam Hafez al-Assad nur auf Rang 528, der Präsidentensohn schnitt in seinem Team am schlechtesten ab, löste nur eine der insgesamt sechs Aufgaben. Dennoch, beteuert der syrische Generalkonsul, der sich als Herr Salamdi vorstellt, dass der Präsidentensohn sich in einem fairen Wettbewerb qualifiziert habe. Es ist bereits seine zweite Teilnahme bei der Mathematik-Olympiade, Hafez al-Assad soll gut auf dem Gebiet der Algebra sein.
Herr Salamdi betont dann noch, dass in Brasilien insgesamt sechs bis sieben Millionen syrischstämmige Menschen lebten; seit rund 100 Jahren würden Syrer in Brasilien einwandern. Tatsächlich fallen in den Straßen von Rio de Janeiro, São Paulo und anderen Großstädten seit einigen Jahren die zumeist jungen Syrer auf, die arabisches Essen an improvisierten Ständen verkaufen. Es sind Flüchtlinge des Krieges zwischen der Armee Bashar al-Assads und Aufständischen sowie dem selbsternannten Islamischen Staat. Auch Russen, Amerikaner, Türken und Kurden kämpfen auf unterschiedlichen Seiten in dem Konflikt, von dem befürchtet wird, dass er einen viel größeren Krieg auslösen könnte.
Nun mag es überraschen, dass einer der drei Söhne des bei seinen Gegnern verhassten Bashar al-Assad in Rio auftaucht. Er könnte hier zum Ziel einer Entführung oder eines Anschlags werden. Auf den ersten Blick wird seine Sicherheit lax gehandhabt, man schafft es, Hafez al-Assad anzusprechen und Fotos von ihm zu machen, nachdem man sich bei den Organisatoren der Veranstaltung als Journalist vorgestellt und eine Sicherheitsschleuse des Hotels passiert hat.
Seine Anwesenheit wurde nicht an die große Glocke gehängt
Allerdings fällt ein Syrer mit breitem Schnauzbart in Hafez al-Assads Nähe auf, der offenbar wenig mit Mathematik zu tun hat. Laut Organisatoren handelt es sich um einen Personenschützer. Auf Nachfrage stellt sich auch heraus, dass brasilianische Bundespolizisten in Zivil im Hotel sind; entlang der Strandpromenade sei zudem die Streifendichte erhöht wurde.
Hafez al-Assad bemüht sich jedenfalls darum, nicht aufzufallen, und die anderen Teilnehmer der Mathe-Olympiade beachten ihn nicht weiter. Die Organisatoren betonen, dass man seine Anwesenheit nicht an die große Glocke hängen wolle. Al-Assad soll den Wettbewerb nicht überschatten.
In dem spontanen Interview, dass Hafez al-Assad wenige Tage zuvor der Zeitung „O Globo“ gab, sagte er, dass er „ein ganz normaler Junge“ sei. Syrien würde schlecht gemacht, und Damaskus sei nicht gefährlicher als Rio de Janeiro. Tatsächlich wurden in Rio bereits mehrere Teilnehmer der Mathematik-Olympiade überfallen und ausgeraubt. Über seinen Vater sagt Hafez al-Assad nur Gutes. Nichts wissen will er von Bombenangriffen und Folterkellern sowie dem Leid, dem gerade Kinder und Jugendliche in Syrien ausgesetzt sind. In Rio habe er bereits Sightseeing auf dem Zuckerhut und bei der Christus-Statur gemacht.