Musik-Streaming: Taylor Swift: Mächtiger als Apple
Der Konzern plant einen neuen Streaming-Dienst für Musik – mit schlechten Konditionen für Künstler. Die Sängerin Taylor Swift verhindert das durch einen einzigen Blogeintrag.
Sie brauchte nur ein paar Zeilen auf ihrem Blog, einen Tweet – und Apple reagierte nach wenigen Stunden. „Ich schreibe das, um zu erklären warum ich dem neuen Streamingdienst Apple Music mein Album 1989 vorenthalten werde“, leitet Taylor Swift einen offenen Brief auf ihrer Internetseite ein. Sieben Absätze, scharf, aber höflich geschrieben, die dazu führten, dass Musiker bei dem neuen Streaming-Dienst bessere Konditionen bekommen werden. Ein Popstar, mächtiger als das erfolgreichste Unternehmen der Welt.
Am 30. Juni, in genau einer Woche, führt Apple einen eigenen Musik-Streaming-Dienst ein. Mit einer kostenlosen Schnupperphase für die Kunden. Drei Monate, in denen sie nichts bezahlen müssen. In denen die Plattenfirmen eigentlich kein Geld bekommen sollten. Diesen Umgang mit Künstlern wollte die 25-jährige Sängerin nicht hinnehmen. Das sei „schockierend und enttäuschend“, schrieb Swift am Sonntag in dem Blogeintrag. Und bei allem Respekt: „Wir bitten Sie nicht um kostenlose iPhones. Bitte verlangen Sie von uns nicht, Ihnen unsere Musik ohne Gegenleistung zur Verfügung zu stellen.“
Die Kehrtwende des Weltkonzerns
Nur wenige Stunden später die Kehrtwende. Das Unternehmen wird den Künstlern auch in der kostenlosen Probezeit Tantieme zahlen. Und ja, Auslöser sei der offene Brief von Taylor Swift gewesen, teilte der Konzern über Twitter mit. Wenige Tage vor dem wichtigen Marktstart von Apple Music konnte das Unternehmen eine derart negative Wahrnehmung in der Öffentlichkeit nicht gebrauchen. Immerhin ist Taylor Swift allein auf Twitter eine der beliebtesten Personen. Nur Katy Perry, Justin Bieber und Barack Obama haben mehr Follower als sie.
Wie viel Geld die Künstler nun bekommen sollen, wurde von Apple noch nicht bekannt gegeben. Es ist auch unklar, was die Änderung Apple kosten wird. Ursprünglich war vorgesehen, dass Musiker zum Ausgleich für die zuvor entgangene Entlohnung später einen etwas höheren Umsatzanteil von 71,5 bis 73 Prozent bekommen sollten. In der Branche gelten etwa 70 Prozent als üblich.
Erster Coup im letzten Jahr
Doch letztlich zählt: Es war ein großer Coup für die Sängerin. Wenn auch nicht ihr erster. Schon im vergangenen Jahr hatte Taylor Swift für Aufsehen erregt, als sie ihre Alben bei Spotify abzog, dem bisherigen Marktführer im Bereich Musik-Streaming. Damals schrieb sie im „Wall Street Journal“, dass sie Streaming-Dienste, bei denen Musik direkt aus dem Netz abgespielt wird statt dass Kunden sie kaufen und herunterladen müssen, kritisch sehe. Musik sei wertvoll und müsse bezahlt werden. Das sei bei Spotify aber nur bedingt der Fall. Denn: „Piraterie, File Sharing und Streaming haben die Zahl der verkauften Alben drastisch sinken lassen.“
Als Taylor Swift dem schwedischen Unternehmen vor mehr als einem halben Jahr ihren Boykott mitgeteilt hatte, drängte Spotify die Sängerin in einem eigenen Netz-Eintrag, doch bitte wieder zurückzukehren. Von den mehr als 40 Millionen Nutzern hätten fast 16 Millionen in den vorherigen 30 Tagen ihre Songs gespielt. Ihre Lieder seien auf 19 Millionen Playlisten vertreten. Was wie ein rebellischer Akt für das Musikbusiness aussah, war allerdings auch ein geschicktes Marketinginstrument für das neue Album der Sängerin. In nur einer Woche erreichte es mit 1,3 Millionen Verkäufen Platin-Status. Insgesamt wurde es in den USA rund fünf Millionen Mal verkauft. Und Apple dürfte mit dem Absatz über seine iTunes-Plattform einen erheblichen Anteil daran gehabt haben.
Ironische Kommentare im Netz
Und nun das. Ein paar Monate später, die ähnliche Geschichte. Nur dass es jetzt um Apple geht, die erfolgreichste Marke der Welt. Bei Twitter schrieb die 25-Jährige, sie fühle sich „beflügelt und erleichtert“. Wegen ihres raschen Erfolgs wurde sie in den sozialen Netzwerken aber nicht nur ernsthaft, sondern auch mit Augenzwinkern gefeiert. Kann sie jetzt die Armut bekämpfen? Den Weltfrieden sichern? Twitter-Künstler „Darth“ hätte gerne Frühstück bei McDonald’s den ganzen Tag. Andere User wünschten sich neue Waffengesetze und die Lösung des Nahostkonfliktes, eine Vorgeschichte zu den Harry-Potter-Büchern und eine Lösung der Frage: „Können Sie den Montag verschieben?“
Independent-Labels hatten sich mit Apples geplanter Vorgehensweise ebenfalls unzufrieden gezeigt. Der Verband unabhängiger Musikunternehmen kritisierte, Apple wälze auf sie finanzielle Risiken ab und veröffentlichte ebenfalls einen offenen Brief. Einige Kritiker verwiesen darauf, dass der Konzern zum Ende des vergangenen Quartals Geldreserven von mehr als 190 Milliarden Dollar hatte. Doch eine Reaktion folgte erst nach dem Eintrag von Taylor Swift. Auch wenn Eddy Cue, Chef der Apple-Plattform iTunes bei Twitter schrieb, der Konzern habe die Stimme von Swift und der Independent-Künstler gehört. Das kommt wohl nicht von ungefähr.
Taylor Swift gehört laut dem „Forbes“Magazin“ zu den einflussreichsten Menschen der Welt (Platz 65). Gleichzeitig war sie 2014 die erfolgreichste Musikerin, gemessen am Verkauf von Alben und Liedern auf CD, über Downloads und Streaming-Dienste. Letzteren hat sie wieder einmal erfolgreich getrotzt.