Im Alter von 92 Jahren: Star-Anwalt Rolf Bossi ist verstorben
Ingrid van Bergen und Romy Schneider zählten ebenso zu seinen Mandanten wie Kindermörder und Entführer. Rolf Bossi errang Erfolge in scheinbar aussichtslosen Fällen. Nun ist der prominente Anwalt gestorben.
Er wolle „im Sattel“ sterben, hat er stets angekündigt. Noch bis ins hohe Alter von über 80 Jahren eilte der Star-Anwalt Rolf Bossi von Termin zu Termin, vertrat Mörder, Ganoven und viele Promis in ganz Deutschland. In den vergangenen Jahren war es allerdings ruhig geworden um den Verteidiger. Er starb nun im Alter von 92 Jahren. Er vertrat Romy Schneider bei ihrer Scheidung sowie Ingrid van Bergen, die 1977 ihren Geliebten erschossen hatte.
Der Prominentenanwalt verteidigte auch eine Reihe grausamer Täter wie den Jungenmörder Jürgen Bartsch und den Frauenmörder Fritz Honka, der jahrelang die zerstückelten Leichen seiner Opfer zu Hause aufbewahrt hatte. Ein Geiselnehmer von Gladbeck sowie der Entführer des Industriellenerben Richard Oetker zählten ebenfalls zu seinen Mandanten. Zu seinem 85. Geburtstag zog Bossi in einer Autobiografie „Hier stehe ich“ Bilanz - „damit ich mich nicht nur mit Missständen in unserem Land, in unserem Staat, in unserer Justiz auseinandersetze, sondern auch selbstkritisch mich selbst darstelle“, wie er damals sagte.
Er räumte Fehler im Privatleben ein, im Umgang mit seiner Tochter Marion, die drogenabhängig war und 2006 an Krebs starb. Der Anwalt, der mit Ende 70 nach dem Tod seiner Frau zum zweiten Mal heiratete, berichtete darin auch von seinem erst im Alter entdeckten Glauben. „Es muss eine übergeordnete geistige Macht geben, die wir nur als Gott verstehen können“, sagte er dazu. In seinem Buch schrieb er, gerade bei Gewalt und Verbrechen bleibe Gott stumm. „Wo immer Menschen anderen Menschen Böses antun, da zürnt Gott nicht mit ihnen. Sondern er trauert. Und wer wirklich trauert, der schweigt.“
Bossi hatte nach der Hinrichtung seines Vaters durch die Nazis beschlossen, Anwalt zu werden. In seinem ersten Prozess paukte er einen Postbeamten heraus, der Einschreibesendungen unterschlagen hatte, um die Pflege seines behinderten Kindes zu zahlen. Die erfolgreiche Revision im Fall Jürgen Bartsch machte Bossi um 1970 bundesweit bekannt. Der Metzgergeselle Bartsch, selbst von klein an herumgestoßen, eingesperrt und missbraucht, hatte vier Jungen in einem Luftschutzstollen ermordet und ihre Leichen bei Kerzenschein zerstückelt. Bei der ersten Tat war er 15 Jahre alt.
Nachdem Bartsch zunächst zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt worden war, erreichte Bossi eine zehnjährige Jugendstrafe mit Unterbringung. Mehrfach machte er mit rechtspolitischen Forderungen von sich reden, etwa, ungerechte Urteile aus der Nachkriegszeit durch in NS-Tradition stehende Richter unter Umständen aufzuheben. In dem Buch „Halbgötter in Schwarz“ rechnete er teils hart mit Richtern ab und handelte sich auch einen Strafbefehl wegen übler Nachrede ein.
Aus der Erkenntnis, dass der Grundstein für mache kriminelle Tat in der Kindheit gelegt wurde, prangerte er schädliche Einflüsse der Medien an und verlangte ein Grundrecht auf optimale Förderung und Berufsausbildung. Stets bezog Bossi den individuellen und gesamtgesellschaftlichen Hintergrund ein, zeigte, dass Verbrechen vielfach Resultat einer frühen Fehlentwicklung und Symptom einer seelischen Krankheit sind.
Gegen Flensburg konnte er nichts ausrichten
Bossi trug so maßgeblich dazu bei, die Psychologie in die Gerichte zu bringen. „Es geht darum, dass wir nicht nur das Äußere, die Tat sehen, sondern auch, was im Leben eines solchen Menschen schief gelaufen ist, so dass es dazu kommen konnte.“ Mehr als einmal errang er damit in schier aussichtslosen Fällen Erfolge. 1958 konnte er für einen jugendlichen Mehrfach-Mörder nachweisen, dass dieser hochgradig psychisch gestört war. Dieser wurde zu 15 Jahren Haft und Einweisung in die Psychiatrie verurteilt.
Ein US-Oberstleutnant, der 1964 seine schwangere Freundin zerstückelte, musste nicht ins Gefängnis, sondern kam in die Psychiatrie und wurde später abgeschoben. Nicht immer stieß Bossis scharfe Art auf Lob. Kritik erntete er etwa bei der Verteidigung ehemaliger Mauerschützen oder des Gladbecker Geiselnehmers Dieter Degowski, als er den damaligen Innenminister Nordrhein-Westfalens, Herbert Schnoor (SPD), für die Eskalation verantwortlich machte.
Seine unkonventionelle Argumentation half ihm auch im eigenen Fall nicht. Als wegen wiederholter Temposünden sein Flensburger Punktekonto voll war, argumentierte Bossi, für einen Vielfahrer in Sachen Strafverteidigung komme ein Fahrverbot einem Berufsverbot gleich. Für ihn müssten andere Maßstäbe gelten. Das Plädoyer blieb ohne Erfolg - der Führerschein war weg. (dpa)
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