Coronavirus weltweit: So unterschiedlich gehen die Länder mit dem Virus um
Auf allen Kontinenten gibt es mittlerweile Corona-Fälle. In vielen Ländern werden Maßnahmen ergriffen, um die Verbreitung einzudämmen. Ein Überblick.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat angesichts der wachsenden Zahl von Sars-CoV-2-Infektionen das Risiko einer Pandemie von „hoch“ auf „sehr hoch“ gesetzt. Weltweit werden Maßnahmen ergriffen, um die Ausbreitung einzudämmen.
Deutschland
Ein Infizierter hat vor Ausbruch seiner Symptome als Arzt Patienten im Hamburger Universitätskrankenhaus Eppendorf behandelt, ein anderer war im Spaßbad „Tropical Island“ in Brandenburg und wieder eine andere hatte täglich Kinder in Nordrhein-Westfalen betreut. In Deutschland scheint sich das Netz der Erkrankten und deren Kontaktpersonen zu verdichten.
Mittlerweile steht der erste Landkreis unter Quarantäne, im nordrhein-westfälischen Heinsberg bleiben Schulen und Kitas geschlossen, Einwohner sind aufgerufen, zu Hause zu bleiben. Nachdem sich ein Mitarbeiter der Unternehmensberatung EY in Düsseldorf mit dem Coronavirus infiziert hat, sollen 1500 Mitarbeiter des Konzerns zu Hause bleiben.
Während Arbeitgeber Notfallpläne herumschicken, Mundschutze verteilen und Tipps zur Handhygiene geben, gibt es an Bahnhöfen und Flughäfen bislang keine Kontrollen. Reisebusse aus Italien halten an Deutschlands Busbahnhöfen und Menschen tummeln sich in den öffentlichen Verkehrsmitteln und Fernverkehrszügen – alles wie immer. Und doch scheint die Gesellschaft alarmiert zu sein. Kaum ein Nieser bleibt unkommentiert, die Ersten legen sich Vorräte aus Nudeln und Konserven an.
Bislang wurden insgesamt 51 Infizierte in Deutschland registriert. In Nordrhein-Westfalen gibt es 20 Fälle. In Bayern insgesamt 15 – wobei 14 Menschen bereits genesen sind. In Hessen sind zwei Menschen erkrankt, Rheinland-Pfalz und Hamburg melden jeweils einen Fall.
Italien
Geschlossene Lokale, gestrichene Flüge, leere Geschäfte, verwaiste Straßen – für Tausende Unternehmen und ganz besonders für den Tourismus hat die Ausbreitung des Coronavirus in Italien verheerende Auswirkungen. „Wir brauchen dringend wieder so etwas wie Normalität“, betont Luciano Cimmino, Besitzer eines Modelabels. „Die Situation wird zunehmend absurd: Inzwischen haben sogar unsere chinesischen Geschäftspartner Angst vor uns und sagen, dass sie in den nächsten Monaten nicht mehr nach Italien kämen.“
Die Unternehmer, aber auch die Gewerkschaften befinden sich seit Tagen auf den Barrikaden und fordern von der Regierung, dass einige der einschneidendsten Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus gelockert oder ganz zurückgenommen werden.
Zivilschutzchef Angelo Borrelli hatte nach einer Krisensitzung bereits am Mittwoch bekannt gegeben, dass in Zukunft nur noch Personen mit Symptomen auf das Virus getestet würden – bisher sind Tausende vermeintliche Verdachtsfälle getestet worden. „Das Leben in Italien muss weitergehen“, betonte auch Regierungschef Giuseppe Conte. Neben der Strategieänderung bei den Virustests hat die Regierung nun erste Lockerungen bei den umstrittensten Quarantänemaßnahmen beschlossen. So dürfen in der Lombardei – außer in den abgeriegelten „roten Zonen“ – die Bars und Restaurants nun auch wieder nach 18 Uhr geöffnet bleiben. Erwogen wird außerdem, den Schulbetrieb am Montag wieder aufnehmen zu lassen – doch vor dem definitiven Entscheid wollen die Behörden abwarten, wie sich die Epidemie über das Wochenende entwickelt.
Balkan
Die Angst vor dem Virus füllt auf dem Balkan die Supermarktkassen. Hektische Hamsterkäufe werden in Südosteuropa vor allem in Kroatien und Rumänien gemeldet. Bisher gibt es drei bestätigte Infektionsfälle in Kroatien, jeweils einen in Rumänien, Nordmazedonien, Griechenland und vermutlich Bulgarien: Obwohl auch in Südosteuropa bereits mehrere Hundert Menschen unter Beobachtung stehen, sind bisher nur vereinzelte Fälle von Infektionen mit Covid-19 offiziell bestätigt worden. Trotzdem hat die Viruspanik den Balkan fest im Griff. Die Nähe zu Italien und das geringe Vertrauen in die Gesundheitsbehörden lassen viele Bürger eine Epidemie fürchten.
„Unser Problem ist, dass wir warten, bis etwas passiert – und dann reagieren“, sagt der serbische Chirurg und Medizinprofessor Milan Visnjic in Nis. Nach zunächst sehr laxen Kontrollen an Flughäfen, Häfen und Grenzübergängen werden mittlerweile in fast allen Staaten aus Italien kommende Reisende mit Infrarot-Thermometern überprüft .
Doch obwohl Italiens verschärfte Viruskrise auch in Südosteuropa hektisch die Krisenstäbe tagen lässt, wirken die Balkanstaaten für die Ausbreitung des Coronavirus kaum gerüstet. Nicht nur die große rumänische Diaspora in Italien, der Tourismus und die ab Frühjahr wieder verstärkt durch die Adria pflügenden Kreuzfahrtschiffe gelten als Verbreitungsrisiko. Ob Meeresbrücken, Eisenbahntrassen oder Autobahnen: Viele Großprojekte auf dem Balkan werden von chinesischen Konzernen und Arbeitskräften realisiert.
China
Dort, wo das Virus seinen Ursprung hat – und mittlerweile knapp 79000 Infektionen registriert wurden –, steht der Großteil der Bevölkerung noch immer unter Quarantäne. Während viele Menschen anfangs frustriert auf die Isolierungen aufgrund des Coronavirus reagiert haben, bleibt die Mehrzahl relativ besonnen und zeigt Verständnis für die ständig wechselnden Maßnahmen der Behörden.
Charlotte Hong schreibt viel für Magazine, Blogs oder Onlinemedien über Reisen, Essen oder Alltagsthemen. Seit mehr als zwei Wochen sitzt sie zu Hause und verlässt nur ganz selten die Wohnung. Sie erzählt, dass sie nun keine Angst mehr hat, zu Hause zu arbeiten. „Das ist neu für mich, dass ich von zu Hause arbeiten kann und das Kind ist auch da“, sagt die 40-Jährige in Peking. Nebenbei ist sie zur Englischlehrerin ihrer Tochter geworden und hilft ihrer Schwester, für einen Hund zu sorgen, dessen Besitzer aufgrund der Zwangsquarantäne in einer anderen Stadt festsitzt und vorerst nicht mehr zurückkann.
Auch das Ehepaar Yang aus Wuhan freut sich über den guten nachbarschaftlichen Zusammenhalt in dem Wohnbezirk, in dem sie schon seit Jahren wohnen. „Man kann sich etwas vom Nachbarn mitbringen lassen oder einen Fahrdienst nutzen, der Leuten zur Verfügung gestellt wird, die über kein Fahrzeug verfügen, aber irgendwohin müssen“, erzählen sie über WeChat.
Seit dem 23. Januar ruht in der Elf-Millionen-Metropole Wuhan der öffentliche Nahverkehr und man kann nur noch beschränkt mit privaten Pkws fahren. Und dennoch: Die Gesundheitskrise scheint die Menschen näher zusammengebracht zu haben, ob auf der familiären oder gesellschaftlichen Ebene.
Iran
Im Iran hat der Coronavirus die höchsten Kreise des Staates erreicht. Vizepräsidentin Masumeh Ebtekar und der stellvertretende Gesundheitsminister Iraj Harirchi – der Regierungsbeauftragte für den Kampf gegen die neue Lungenkrankheit – sind unter den Infizierten. Lange spielte die Regierung von Präsident Hassan Ruhani die Gefahr herunter. In ein paar Wochen werde alles vorbei sein, sagte Ruhani noch vor wenigen Tagen. Doch am Freitag sagten die Behörden aus Furcht vor einer sprunghaften Weiterverbreitung des Virus die Freitagsgebete in Teheran und anderen Städten ab.
Nach China ist der Iran das Land mit den meisten Todesopfern der neuen Lungenkrankheit. Die iranische Opferzahl von inzwischen 34 mag nicht hoch erscheinen angesichts von fast 2800 Toten in China. Doch die Sterblichkeitsrate im Iran ist mit fast neun Prozent die bei Weitem höchste auf der ganzen Welt, wenn die iranischen Angaben stimmen, denn insgesamt gibt es nach offiziellen Angaben nur 388 infizierte Patienten.
Der Parlamentsabgeordnete Ahmad Amirabadi Farahani aus der Stadt Qom, Epizentrum der Coronavirus-Welle im Land, schlug Alarm, weil die Lage in seiner Heimatstadt nach seinen Angaben viel schlimmer ist, als die Behörden zugeben wollen: Das Virus habe allein in Qom schon 50 Menschen getötet.
Ein Geschäftsreisender könnte das Virus aus China nach Qom gebracht haben, vermuten die Behörden. Von dort breitete sich der Erreger im Rest des Landes aus. Inzwischen haben Patienten den Erreger aus dem Iran in mehrere Nahoststaaten getragen. Die iranische Regierung hat Konzerte und Fußballspiele verboten und Schulen und Universitäten geschlossen. Quarantänemaßnahmen gibt es bisher jedoch nicht.
Nigeria
Erstmals ist das Coronavirus in einem südlich der Sahara gelegenen Land bestätigt worden – eine Weltregion, die wegen ihrer kränkelnden Gesundheitssysteme als besonders anfällig gegenüber Epidemien gilt. Das Gesundheitsministerium Nigerias, des bevölkerungsreichsten afrikanischen Staats, teilte am Freitag mit, das Covid-19-Virus sei bei einem italienischen Staatsbürger festgestellt worden, der am 25. Februar von Mailand aus zu einer Beschäftigung in den westafrikanischen Staat geflogen war. Der aus Norditalien stammende Mann weise keine „ernsthaften Symptome“ auf, teilte Gesundheitsminister Osagie Ehanire mit.
Schon seit Wochen warnt der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation WHO, Thedros Adhanom Ghebreyesus, vor einem Übergreifen der Corona-Epidemie auf Afrika. Die dortigen Gesundheitssysteme seien einer Eindämmung der Ausbreitung des Virus nicht immer gewachsen, sagte der WHO- Chef. Am Donnerstag sprach Thedros von einem „entscheidenden globalen Punkt“, an dem die Epidemie angekommen sei: Wenn die betroffenen Länder nicht schnell reagierten, könne die Seuche „außer Kontrolle“ geraten. Nigeria hatte sich während der westafrikanischen Ebola-Epidemie vor sechs Jahren allerdings einen Namen gemacht, als die Gesundheitsbehörden überraschend schnell und effektiv auf die Ankunft des Erregers in Nigeria reagierten.
Vor Nigeria war das Covid-19-Virus bereits in zwei nordafrikanischen Staaten ausgemacht worden: in Ägypten und Algerien. Unterdessen löste die Entscheidung der Fluggesellschaft Kenya Airways, die Flüge nach China wieder aufzunehmen, einen Sturm des Protests aus. Kenias Regierung kümmere sich nicht um die Bevölkerung und sei bereit, „uns alle den guten Beziehungen zu China zu opfern“, heißt es in einer im Internet verbreiteten Petition besorgter Kenianer. Ein kenianisches Gericht entschied am Freitagnachmittag, dass die staatliche Fluggesellschaft Kenya Airlines ihre Flüge nach China wieder einstellen muss – für die nächsten zehn Tage.
Brasilien
Auch die erste Infektion in Brasilien – der ersten auf dem südamerikanischen Kontinent überhaupt – findet ihren Ursprung in Italien: Ein 61-jähriger Geschäftsmann wurde nach seiner Ankunft in São Paulo sofort in ein Krankenhaus eingeliefert.
Inzwischen gibt es weitere Verdachtsfälle, etwa 300, die derzeit getestet werden und so lange vom Gesundheitsministerium überwacht werden. Erfahrungen mit vergleichbaren Epidemien wurden bereits 2009 gemacht, als die „Schweinegrippe“ H1N1 das Land erreichte. Die Grippe-Impfkampagne, die auf der südlichen Hemisphäre normalerweise Ende März beginnt, soll jetzt vorgezogen werden. Grippe- Impfungen schützen zwar nicht vor einer Ansteckung mit Sars-CoV-2, doch senken sie die Zahl der Influenza-Erkrankten, die in den Kliniken im Fall einer Covid-19-Epidemie zusätzliche Betten beanspruchen würden.
Im Übrigen sei es gut, dass Covid-19 im Sommer ins Land gekommen sei, versucht die Regierung von Jair Bolsonaro die Bevölkerung zu beruhigen. Aufgrund der Wärme, durch die sich die Lebensdauer der Viren reduziere, sei so die Wahrscheinlichkeit einer Verbreitung verringert.