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Brasilianer in Sao Paulo tragen Mundschutz, um sich vor dem Virus zu schützen.
© Marcelo Chello/ZUMA Wire/DPA

Besorgnis über Coronavirus-Ausbruch: 300 Sars-CoV-2-Verdachtsfälle in Brasilien

Es ist das erste Land Südamerikas, wo Sars-CoV-2 aufgetreten ist. Die Regierung Bolsonaro meint, vorbereitet zu sein. Doch die Bevölkerung ist unsicher.

Der erste mit dem Coronavirus infizierte Brasilianer – der erste auf dem südamerikanischen Kontinent überhaupt– ist ein 61-jähriger Geschäftsmann. Er hatte sich in Italien aufgehalten und wurde nach seiner Ankunft in São Paulo sofort in ein Krankenhaus eingeliefert.

Inzwischen gibt es weitere Verdachtsfälle, etwa 300, die derzeit getestet werden und solange vom Gesundheitsministerium überwacht werden. 34 von 58 Brasilianern, die am vergangenen Sonntag aus Wuhan in China, dem Epizentrum der Krankheit, zurückgeführt worden und auf der Anápolis Air Base im brasilianischen Bundesstaat Goiás isoliert worden waren, wurden inzwischen aus der Quarantäne entlassen, nachdem Tests gezeigt hatten, dass sie nicht infiziert waren.

Man habe damit gerechnet, dass das neue Coronavirus auch Brasilien erreichen werde, sagte der brasilianische Gesundheitsminister Luiz Henrique Mandetta bei einer Pressekonferenz in Brasilia am Mittwoch. Die "notwendigen Maßnahmen" würden ergriffen und die Lokalregierungen in den Provinzen seien angewiesen, Pläne zur Eindämmung der Krankheit aufzustellen. In Säo Paulo wurde ein Notfallkomitee eingerichtet. Die Gesundheitsbehörden warnten die Bevölkerung davor, nicht in Panik zu geraten. Unnötige Arzt- oder Klinikbesuche würden die Gesundheitssysteme unnötig belasten. 

Wie verhält sich Sars-CoV-2 in einen tropischen Land?

„Unser Gesundheitssystem hat bereits schwere Epidemien von Atemwegserkrankungen erlebt“, sagte Mandetta. Man müsse jetzt mit Forschern und Epidemiologen analysieren, wie sich dieses neue Virus in einem tropischen Land verhält. Brasilien sei vorbereitet, Patienten zu testen und sicherzustellen, dass bestätigte Fälle überwacht und behandelt werden. Zwar sei Covid-19 eine neuartige Erkrankung, über die noch nicht viel bekannt ist, doch es sei eine infektiöse Atemwegserkrankung wie andere auch, etwa die Influenza-Grippe, mit der man in Brasilien immer wieder konfrontiert sei und an der im vergangenen Winter 589 Brasilianer starben.

Hintergrund über das Coronavirus:

Erfahrung mit vergleichbaren Epidemien habe man etwa 2009 gemacht, als die "Schweinegrippe" H1N1 das Land erreichte. Die Grippe-Impfkampagne, die auf der südlichen Hemisphäre normalerweise Ende März beginnt, soll jetzt vorgezogen werden. Grippe-Impfungen schützen zwar nicht vor einer Ansteckung mit Sars-CoV-2, doch senkt die Zahl der Influenza-Erkrankten, die in den Kliniken im Fall einer Covid-19-Epidemie zusätzliche Betten beanspruchen würden.

Im Übrigen sei es gut, dass Covid-19 im Sommer ins Land gekommen ist, versucht die Regierung Bolsonaro die Bevölkerung zu beruhigen. Aufgrund der Wärme, durch die sich die Lebensdauer der Viren reduziert, sei so die Wahrscheinlichkeit einer Verbreitung verringert.

„Große Angst zu sterben“

Das Vertrauen der Bevölkerung in die Eindämmungsmaßnahmen der Regierung Jair Bolsonaros scheint jedoch begrenzt zu sein. In der Bundeshauptstadt Brasilia schwindet der Vorrat an Masken und Desinfektionsmitteln in Apotheken. Die 43-jährige Hausangestellte Maria de Jesus da Silva Nunes sagt, sie habe „große Angst zu sterben“, wenn sie sich mit dem Coronavirus infiziere. Die Krankenhäuser hier seien nicht wie jene in den entwickelten Ländern. „Wir Brasilianer verbringen 12 Stunden in der Schlange, um die normale Grundversorgung in einem öffentlichen Krankenhaus zu bekommen“, sagt Maria de Jesus.

Sie befürchtet, dass die staatlichen Gesundheitseinrichtungen überfordert sind, wenn es in Brasilien zu einer Coronavirus-Epidemie kommt. Um sich zu schützen, ergreift die Brasilianerin vorbeugende Maßnahmen. „Ich wasche immer meine Hände und habe bereits ein Alkoholgel gekauft, das ich in meiner Tasche tragen kann“, erzählt Maria de Jesus.

„Es gibt keinen Grund zur Panik“

Panik sei fehl am Platz, meint Fernando Socorro de Almeida, Arzt für Infektionskrankheiten in Brasilia. „Es gibt keinen Grund zur Panik, da wir nur einen bestätigten Fall haben und die Kontakte dieses ersten Patienten ebenfalls überwacht werden.“ Aber Fehlinformationen seien ein großes Problem in der brasilianischen Bevölkerung und könnten die Eindämmung der Seuche im Land erschweren. Wirklich helfen würden die üblichen Hygieneregeln, die Verwendung von Einweg-Tüchern beim Niesen und das gründliche Waschen der Hände, sagt Socorro de Almeida.

Der brasilianische Gesundheitsminister Luiz Henrique Mandetta (Mitte) sagte, dass Brasilien bereit sei, Patienten zu testen und die notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus zu ergreifen.
Der brasilianische Gesundheitsminister Luiz Henrique Mandetta (Mitte) sagte, dass Brasilien bereit sei, Patienten zu testen und die notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus zu ergreifen.
© Floriano Rios/ASCOM MS

Das gelte auch nicht nur im Falle dieser Epidemie, sondern sei hilfreich zur Eindämmung aller viralen Atemwegserkrankungen. „Die H1N1-Pandemie im Jahr 2009 hat dies gut gezeigt, aber leider sind die Menschen nur besorgt, wenn die Krankheit gerade auftritt“, sagt Socorro de Almeida. Es gebe in Brasilien generell keine Präventionskultur. 

Der Arzt rät, dass nur solche Personen das Krankenhaus, Gesundheitsämter oder den Hausarzt kontaktieren sollten, die in den vergangenen 14 Tagen in Risikogebieten waren, die Kontakt zu einer infizierten Person hatten und Symptome der Krankheit zeigen, wie etwa Fieber und Husten.

Brasilianische Unternehmen verlieren Marktwert

Die brasilianische Wirtschaft hatte bereits vor Bekanntwerden des ersten Sars-CoV-2-Falls im Land mit den Folgen des Coronavirus-Ausbruchs zu kämpfen. Diese Situation könnte sich jetzt verschärfen. Diese Sorge äußerte das brasilianische Wirtschaftsministerium unter der Leitung von Paulo Guedes.

Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro machte in einem im Internet veröffentlichten Video den Coronavirus-Ausbruch für den hohen Dollarkurs im Vergleich zum brasilianischen Real verantwortlich. Die Börse in Sao Paulo (B3) war am Mittwoch und Donnerstag aufgrund des ersten Coronavirus-Falls im Land rückläufig. Nach Angaben des Finanzinformationsunternehmens Economatica haben an der B3 notierte Unternehmen allein am Mittwoch 290,2 Milliarden Reais an Marktwert verloren. Das entspricht 59,5 Milliarden Euro.

Ana Paula Lisboa

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