Geheimes Verlangen: "Shades of Grey" bringt Umsatzplus für Erotik- und Buchbranche
Der Frauenroman „Shades of Grey“ ist nicht nur ein Bestseller, er lässt auch den Absatz von Handschellen und Peitschen hochschnellen. Ein Roman als Ratgeber zur Auffrischung des eigenen Sexlebens.
Claire Canvah erinnert all das an den Hasen-Vibrator. Als Samantha Jones in der US-Fernsehserie „Sex and The City“ von dem stimulierenden Stab schwärmte, der mit seinen an zwei Hasenohren erinnernden Enden angeblich gleich doppelten Lustgewinn versprach, stürmten Frauen die Filialen von Babeland, Canvahs Sexshop-Kette. Jetzt stehen die Frauen wieder Schlange, dieses Mal wollen sie keine Hasen, sie wollen Peitschen, Liebeskugeln, Fesseln. Sie wollen Anastasia Steele nacheifern, der Frau aus der Softpornotrilogie „Shades of Grey“.
Mehr als 20 Millionen Mal hat sich der Bestseller der britischen Autorin E. L. James in den USA seit April verkauft – und beschert nicht nur der Buchbranche, sondern auch dem Erotikhandel ein dickes Umsatzplus: Die Nachfrage nach Smartballs, Liebeskugeln habe sich in den USA verdreifacht, meldet Erotikhändler Fun Factory. Babeland verzeichnet einen Anstieg um 25 Prozent beim Verkauf von BDSM-Artikeln.
„BDSM“, das steht für „Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism“, also für das, um das sich „Shades of Grey“ dreht: Die junge Anastasia unterwirft sich dem Selfmademillionär Christian Grey, geht mit ihm eine Sadomasobeziehung ein, seitenlang wird geschildert, wie er sie fesselt, sie mit der Peitsche schlägt und sie vor lauter Lust ständig „Wow“ und „Wahnsinn“ schreit.
Während Literaturkritiker das Buch als unlesbar, Zumutung, Quälerei und Porno für Muttis zerreißen und Genderforscher rätseln, wie weibliche Unterwerfungsfantasien ins feministische Zeitalter passen, lesen es Frauen offenbar nicht nur als Roman, sondern auch als Ratgeber, um ihr eigenes Sexleben aufzufrischen. Anastasia Steel hat dank der Liebeskugeln bessere Orgasmen? „Hey, warum sollte das nicht auch bei mir funktionieren?“, scheinen sich die Leserinnen zu denken. Fiktive Geschichte hin oder her, ab in den Sexshop.
Auch in Deutschland sind die Händler auf einen möglichen Hype vorbereitet. Seit elf Tagen ist „Shades of Grey“ als Übersetzung „Geheimes Verlangen“ (608 Seiten, 12,99 Euro) erhältlich, belegt Platz eins der Bestsellerliste und hat sich nach Angaben des Verlags Goldmann bereits 500 000-mal verkauft.
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Erotiklieferant Orion bietet deshalb seit Donnerstag das Paket zum Buch an: Augenmaske, Fesseln, Liebeskugeln und eine Lederpeitsche gibt’s zum Preis von 19,95 Euro . „Wenn die Leute das Buch lesen, werden sie einige Sachen sicher gleich ausprobieren wollen“, ist Orion-Sprecherin Ann-Kathrin Döbbeke überzeugt. Bei Beate Uhse ist die Nachfrage nach Sadomasozubehör bisher nicht merklich angestiegen, „das wäre sicher auch zu früh“, sagt Sprecherin Doreen Schink. „Wir können uns aber vorstellen, dass der Hype auch nach Deutschland schwappt.“
Handschellen würden zwar ohnehin zu den am meisten verkauften Artikeln gehören, aber nun seien spezielle „Shades of Grey“-Pakete angedacht.
Dass sich Frauen in Erotikläden umschauen, sei aber nicht neu, sagt Orion-Sprecherin Döbbeke: „Schon seit ,Sex and the City‘ haben sie sich mehr getraut. Plötzlich waren Vibratoren nicht mehr peinlich, sondern hip.“
Doch während ein Vibrator einfach per Knopfdruck zu bedienen ist, wird es bei einer Peitsche schon schwieriger. Wie schlägt man so zu, dass der Partner auf dem Gipfel der Lust und nicht in der Notaufnahme landet?
Claire Canvah bietet in den Babeland-Filialen deshalb nicht nur Werkzeuge an, sondern auch Kurse, wie diese zu bedienen sind. „50 Shades of Hot Sex“ heißen die Klassen beispielsweise, sie dauern zwischen 20 Minuten und zwei Stunden. „Wir zeigen unseren Kunden, wie sie Fesselpraktiken ausprobieren können, mit Lederriemen und Paddles umgehen und sich sicher auf der Linie zwischen Schmerz und Lust bewegen“, sagt Canvah. Die Buchungen seien rekordverdächtig. Frauen würden gerne die Minikurse besuchen, Paare kämen eher in die Zweistundenworkshops. Auch neunzigminütige Einzelkurse für Spezialgebiete wie japanischer Bondage-Technik werden gebucht.
Verwundert über das große Interesse ist Canvah nicht: „Das Buch ist einfach sexy. Es regt die Fantasie vieler Menschen an und ermutigt gerade Frauen dazu, neue Dinge auszuprobieren.“
Der Renner sind bei Babeland nach angaben von Canvah Liebeskugeln namens Ben Wa, 28 und 37 Gramm schwer, zum Preis von 47 Dollar. Christian lässt sie Anastasia in „Shades of Grey“ bei einer Party in seinem Elternhaus tragen, Anastasia kann sich kaum beherrschen vor Lust. Wie gemein. Für viele Leserinnen die beste Stelle des Buches. Der Hasen-Vibrator gehört dagegen nicht zu Christians Sortiment.
Sonja Pohlmann